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1902

Kr. 25

. JUGEND .

Streiflichter der „Jugend"

(Yh

.«lOaS bedeutet uns heute das Germanische
Museum? Etwa nur eine interessante Sammlung
neben andern? Etwa nur ein Triumph deutschen
Gelehrten- und Sammelfleißes. O nein. Es ist selbst
ein bedeutsames Denkmal deutscher Kultur. Es zeigt
denen, die stets nur die Wasfenthaten als die Schöpfer
deutscher Einheit feiern, das, diesen Wasscntha-
ten das klare Bewußtsein einer gemein-
samen groben Kultur aller deutschen Stäm-
me voraus ging. Und es zeigt denen, die die
Einzelforschung der Spezialisten für das Ei des Co-
lumbuS und, mit Nietzsche zu reden, „den Buckel
des Gelehrten" für den Nabel der Welt halten, dab
nur die gemeinsame Arbeit aller geistigen Elemente
eines Volles etwas wirklich Grobes zu Stande
bringen kann. Die Einigung der deutschen Stämme
zum Politischen Verbände und die Ueberbrüclung der
Kluft, die seit der Reformation zwischen dem Fach-
gelehrten und dem gebildeten Laien gähnt, im ger-
manischen Museum ist sie seit 50 Jahren versinnbild-
licht. Die erste wurde Anno 1N70 aus einem Sym-
bol zur Wirklichkeit. Möge es mit der zweiten,
von der wir bis jetzt nur träumen, ebenso
ergehen!

Karl v. BI.

» » »

Die Confessionsschule haben wir. Es lebe
die consessionelle Universität! Herr vr.
Schüdler sprach das große Wort gelassen aus (oder
dachte er es nur?) und veranstaltete im bayrischen
Landtag eine Consessions-Razzia unter den
Münchner Prosessoren. Er hätte sich zur Erhärtung
seiner guten Sache auf Preußen berufen können,
das ja z. B. in Halle bis heute nur protestantische
Professoren duldet, oder noch besser auf das auch
sonst so fortgeschrittene Mecklenburg, das die
Rostocker Professoren aus das apostolische Glaubcns-
bekeuntnib verpflichtet, oder gar auf Sachsen, wo der
Cultusminister der theologischen Fakultät in Leipzig,
die bei Besetzung einer Professur den der freieren
theologischen Richtung angehörigen Pros. Hermann
in Marburg vorgeschlagen hatte, einfach den Er-
langer Prosessor Jhmels einen Gesinnungsgenossen
der Luthardt und Kahnus, aufoktroirte. Man
sieht, schwarz ist heute hüben und drüben
Trumpf. Wer daher heute Carriöre niache» will,
der beeile sich, sromm zu werden. Der Glaube
macht selig, nicht nur in jener, sondern
auch in dieser Welt!

Justus

* * *

„§ine Rauschronik lässt sich in der Stadt der
Matzkrüge und Knicker — beinahe wäre ich versucht
zu sagen: Stuhlbeine — täglich ausstellen." Mit
diesen Worten leitet die „Allg. Zeitung" einen Ar-
tikel über das „Vergnügte München" ein, der
offenbar die Absicht hat, die Fremden vor dem Be-
such der Jsarstadt zu warnen. Was in Konstantinopel
die Pest, das bedeutet in München der fliegende
Matzkrug, das ist so ungefähr der langen Rede kurzer
Sinn. Ein wahres Wunder, dab die „Allg. Ztg."
noch immer nicht aus der lebensgesährlichen Stadt
ausgewandert ist. Oder sollten am Ende die Re-
dakteure ct>va zu jenen Leuten gehören, von denen
es in dem betreffenden Artikel heißt: „Die feste
Constitution der Betheiligten erspart aller-
dings der Sanitätskolonne und dem buchführendcn
Schutzmann eilt menschenfreundliches Eingreifen?"
Dann freilich begreifen ivir, das, eiper von ihnen
Obiges schreiben konnte. EinSchädel, der einem
Matzkrug Widerstand leistet, erklärt vieles!

x.

* * -»

Der wissenschaftliche Streit um die Capacität und
die Windungen des weiblichen Gehirns mag
im höchsten Grade interessant sein — von seinem
Ausgang hängt das Schicksal der Frau nicht ab.
Dieses bestimmen die persönlichen Neigungen und
Fähigkeiten, die Bedürfnisse der Gesellschaft, die
ökonomische Entwickelung. Soweit sich die Gesetz-
geber und die Presse berusen und besähigt fühlen,

den Gährungsprozcb zu lenken, soll das nach fol-
genden, -Grundsätze geschehen: Es ist ein Zustand
zu erstreben, wo möglichst wenig Frauen sich ge-
zwungen sehen, mit Kalkkübeln aus dem Kopf Bau-
gerüste zu erklettern und in Schreibstuben aschgrau
zu werden; wo immer aber der Zwang der Ver-
hältnisse oder innerer Drang Frauen in männliche
Berufe treibt, da handeln die Männer ungerecht,
unritterlich und gemein, wenn sie den weiblichen
Concurrenten den Zugang erschweren oder ihnen
die volle Coalitionssreiheit vorenthalten. Das, der
häusliche Herd nicht veröden und das Menschen-
geschlecht nicht aussterben wird, wenn den Frauen
die Pforten aller Berufe weit geöffnet werden, dafür
wird der Naturtrieb sorgen.

Carl Jentscli (Xeisse)

* * »

braucht ein srommer katholischer Christ eine P o st?
Sowenig als eine Eisenbahn, einen Telegraph und
einen Blitzableiter! Wenn der Herrgott irgendwo
einschlagen will, so soll ihm Niemand ins Handwerk
pfuschen. Und wer zum heiligen Vater nach Rom
oder zur heiligen Crescentia von Kaufbcuren will,
der kann entweder zu Fuß gehn oder so lange beten,
bis der Herrgott ein Wunder thut und ihn, wie den
Propheten Elias, im feurigen Wagen oder, wie den
Propheten Jona, im Bauche eines Wallfisches hin-
besördert. Und nun erst das leidige Briefschreiben!
Der Mann, der die Schrift erfunden hat, gehört auf
den Scheiterhausen; denn durch ihn sind die meisten
Leute so gescheit geworden, das; sie nichts mehr
glauben. Also fort mit der Post und ähnlichen
Teuselsersindungen!

So ungefähr sprach der Abgeordnete Lehrer
Sickenberger, und er und seine Freunde vom
Centrum stimmten allesamt gegen das neue Post-
gebäude in München.

» » »

Zum Kampfe gegen polnischen Uebermuth das
Volk aufzurufen, sei er gezwungen — so hat der
deutsche Kaiser vor aller Welt gesprochen. Ob cs
dem deutschen Volk^ nicht seltsam weh, vielleicht gar
bitter um's Herz wird bei diese» Worten? Ist nicht
aus seiner Mitte der Ruf seit einem Jahrzehnt un-
ablässig ertönt, und hat ungehört verhallen müssen?
Ries es nicht warnend, als Herr von Stablewski
Oberhirt der ostmürkischen Schäslein wurde? Ries
es nicht grollend, als Herr von Ledochowski beim
vatikanischen Mahl gebeten ward, zu vergessen? Rief
cs nicht zornig, als die Herren v. Koscielski und
Radziwill im Schimmer der persona gratissima
strahlten? Aber immer wieder brach sein Rufen
sich an jener unheimlichen Phalanx, die auch Bis-
marck die beste Nervenkrast gekostet hat: der Kama-
rilla . . . Strohhutbedeckt schritt nur Herr Cecil
Rhodes ungehindert durch ihre Reihen; die Besten
der Deutschen warten noch immer vergeblich, und
überdrüssig des Harrens hat schon so mancher von
diesen Besten, wie einst August Lentze*) wackeren
Gedenkens, auf dem Absatz zornig Kehrt gemacht:
Ob ihn der heutige Rus zurückholt? Wer weiß ..

*) Der frühere kommandirende General des zweiten
Armeekorps.

Der neue Plutarch

2lls der Minister de» Fall Louise Götz
aufklärtc und ganz i» der Ordnung fand,
machte Or. Pichler mit dem Finger eine gc-
wifse Bewegung a» der Stirne.

„Gott sei Dank, daß Ste's endlich einschcn,
wo's Ihnen fehlt!" sagte ein Liberaler er-
freut, „das ist ja schon der erste Schritt zur
Besserung!"

"D l e <Pfarre r-PTa tb l

•ßeilaae zum„IcbcoanenTlvijP

Der Herr Pfarrer war in den Landtag
gereist, weshalb der Herr Aaplan in der
Rüche nach dem Rechten sah.

„was ham cy die Burschen da draußk
grad für a Licdl g'sunga?" fragte Rarhl.

„Es lebe der Reservemann!" blinzelte
der Herr Rooperaror.

„Via," sagte die wackere Rarhl, „was i
alls einifuattcr in den Herrn Roprarcr, und
i bring do nix an seine Boancr ani! Nluß
sie halt gar z'vicl plagen, seit Hochwürden
im Landtag is!"

SD

Lehrgeciickl

Liner unserer fidelsten Mitarbeiter schreibt uns:
Als mein Bub gestern einem Maikäfer ein Bein
ausriß, verbrach ich folgendes Distichon:

Sich, der Hexameter gleicht dem Maikäfer
mir den sechs Füße»!
Reißt man Einen ihm aus, wird ein

Pentameter draus!

Kleine (Zespräcke

Der bayrische Kultusminister behauptete,
eine gewisse Professur wäre nicht nöthig, da dieses
Fach von einem langjährigen Privatdozenten ver-
sehen werde.

„Da Ham S' amal recht, Exzellenz," pflichtete
ihm ein Abgeordneter bei. „Nach dem Prinzip
könnt ma so manches Ministerpöstl dcrsparen."

„In der Reichstagsdebatte über den Diktatur-
paragraphen soll auch Bebel seinen Senf dazu
gegeben haben — wie hat er sich denn diesmal
aufgeführt?"

„Nun, wie gewöhnlich, — bebclhaft!"

Dock jwei jüdische Generäle!

Geehrte Redaktion! Glauben Sc, Sc könnten
schon machen Schluß? Ls gibt er noch ne ganße
Menge. Den graußen Mann, wo se haben bei
den Iideu des März erschlagen, wie hat er ge-
heißen? Julius lsirsch hat er geheißen. Bitte,
schlage Se ans Shakesspeare, Julius Cäsar, übers,
von Schlegel-Tick, z. Aufz., erste Scene: (Sein
Fremd Antonius sagt's, der muß es wissen):

„Verzeih' mir Inlins! Du edler V> i r f ch!"

Se were mir auch vcrßeihe. Ich bi» cn Nach-
komme.

Iastrow, den s. Inni fyo:.

Meyer ljirsch.

wissen Se nich, daß geheißen hat der Gründer
von de deutsche lsceresmacht Aaron, was wird
gefälscht in A. Roon? Nu?

Ergebenst

Eberhard Tulpentopf

4-;
Register
Carl (Karl) Jentsch: Streiflichter der "Jugend"
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Kleine Gespräche
[nicht signierter Beitrag]: Lehrgedicht
Justus: Streiflichter der "Jugend"
Be.: Streiflichter der "Jugend"
-ystr-: Streiflichter der "Jugend"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Die Pfarrer-Kathl"
Karl v. M.: Streiflichter der "Jugend"
X.: Streiflichter der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Die Pfarrer-Kathl
[nicht signierter Beitrag]: Noch zwei jüdische Generäle
 
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