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Nr. 26

Jen« Körper sich dicht mit weißen Schweiß-
dämpfen. Tiefer, tiefer. Nun kommt
auch das Tofeu droben wieder näher, das
ganz durch das Brausen der Lavaaufbrüche
übertönt war; Gelbrände strömen an den
Flanken des Kolosses mit schwarzem Gualm
vermischt in den weißen Dampf herunter,
und dann wird alles blaugrün und violett,
soweit es nicht von dem unbestimmten
Rauchdunkel verschluckt wird. Gelegentlich
klatschen auch schon ein paar Meteore ins
Wasser, was natürlich in dem Nordssturm
gar keinen Eindruck macht. Die Hälfte
der Kugel ist bereits verschlungen, sie be-
ginnt langsam sich nach oben zu verjüngen;
sie ist dreihundert Kubikmeilen groß. Aber
oben auf dem Rücken des neuen Erdtheils
geht's lustig zu. Weißglühende Meteore, so
groß wie Kirchen, so klein wie die vergol-
deten Kirchturmkugeln, prasseln auf seinen
warzigen Buckel herunter, mitten in dem
gelbstammigen Gelregen; aber während
einige sofort angeschmiedet liegen bleiben,
springen die meisten mit verdoppelter Ge-
schwindigkeit, elektrisch abgestoßen, wieder
in die Hohe, senkrecht, schräg, nach allen
Seiten; sie stechen durch die Flammen,
puffen silberschwarze Löcher in den schmutzig-
weißen Dampf, schnellen in der Luft gegen
ihre Brüder, die noch immer in ganzen
Regimentern niedergaloppieren, prallen auch
mit denen elektrisch auseinander, und nun
irren tausend Sternschnuppen wie wahn-
sinnig kreuz und quer. Sie gewittern im
schönsten E^cflrofa und Hellblau, springen
nach allen Seiten ins Grenzenlose weg und
zischen dann in elegantem Bogen in die
Gzeanwellen hinab. Das Schauspiel dehnt
sich mächtig in die Breite. In der Mitte
des Feuerwerks nur Gualm und fettiger
Dampf. Immer schneller geht der Sturm
im Wirbel um die große Feuersbrunst
herum in die Hohe, und sobald unten die
frische Luft herandringt, da brennt wieder
Alles mit einem Mal, und der Rauch, der
schon um den ganzen Aequator lagert, ist so
dick und heiß, daß die Gletscher des Hima-
laja Strome von dunkelbrauner Jauche in
den heiligen Strom hinunterschicken.

Am nächsten Tage hat der große Ein-
dringling sich beruhigt. Er ist so weit ge-

drungen, daß nur noch eine Lalotte von
der Form eines Kardinalshutes aus dem
Gzean herausguckt. Er ist dunkelblau an-
gelaufen und noch immer sehr heiß; der
ganze Rücken ist besät mit riesigen Aus-
wüchsen von den seltsamsten Formen. Diele
viele Meilen weit um den Rand herum
platzen auf der Gberfläche des schmutzigen
Schaummeeres die stinkenden Blasen, und
wollen doch nicht weniger werden. Denn
die Meerestiefe brodelt unaufhörlich, und
droben in der Luft heulen die Stürme und
jagen die gelblichen und neutraltintigen
Wolkenballen steppenbrandig durcheinander;
Blitze, dünn wie Spinneweben im ver-
gleich zu dem gestrigen Meteorsteingewitter,
spannen sich unablässig durch den Luft-
schlamm — erstaunlich genug, daß sie
durch ihn hindurchdringen können.

wie sieht die Erde aus! Dieblühenden
dichtbevölkerten Tiefebenen sind Theile der
Weltmeere geworden, Städte und Inseln
spurlos verschwunden. Krater, die Jahr-
tausende geschwiegen hatten, haben ihren
Schlund geöffnet und ihre Umgebung mit
dem tödtlichen Auswurf bespieen. Neapel
liegt, von Asche verschüttet, vom Wasser
verschlungen, ein submarines Pompeji; die
Lava des Aetna ist unmittelbar ins Neer
gebraust. Alle Thürme und Brücken auf
der Erde sind eingefallen, unzählige Felsen
gerutscht und gestürzt und neue empor-
gehoben. Ganze Gattungen von Pflanzen
und Thieren sind ausgestorben, die Mensch-
heit auf eine zählbare Anzahl beschränkt,
Wälder- und Weinberge in Rissen und
Spalten verschwunden wie einst Lissabon.
Saatfelder, Steppen und Sandwüsten liegen
voll Asche und Schlackentheilchen, und die
Gelehrten auf dem Mars konstatieren mit
Genugthuung die Abnahme der Leuchtkraft
des südlichen Polareisriuges.

Draußen aber im Stillen Gzean liegt
jetzt unbewegt eine runde flache Insel, von
rauhem Gesteine bedeckt, unfruchtbar, düster,
eisern, todt. Meilenweit umodet sie ein
schmutziges, öliges Meer, in dem keine
Welle schlägt.

Wehe dem Schiffe, das dieser Insel
nahe kommt!

Gustav Kühl

Splitter

Statistisch wollte ich Nachweisen, daß in meiner Vaterstadt ein neuangestrichenes
Haus mehr Augen auf sich lenkt, als der altehrwürdige, einzig schöne Dom.

Des Aehnliche» Hab ich mich schon gefragt, für wen die herrlichen Tulpenbeete
in den öffentlichen Anlagen hingezaubert werden; ich habe wenigstens außer mir in
langen Jahren »och Niemand sie auch nur eines Blickes würdigen sehn. Wohl aber
geschah es einigemale, daß es einem Vorübergehenden auffiel, daß da ein Mensch
stand, der irgendwohin sah. Neugierig konstatirte man, wohin er wohl sehen
mochte, und ging kann zusriedengestellt weiter.

Zck loh vor Sonnenaufgang an rlem Strande;
Das Sternenkreuz uerbündefe den Cag,

Sich neigend zu des Horizontes Rande.

Kinder

Don Carl 6watd (Kopenhagen)

Am Dienstag Morgen bekam Erich das Schar-
lachfieber, am Mittwoch Else.

Sie lagen im Kinderzimmer. Außer der Pfle-
gerin durfte niemand zu ihnen hinein.... der
kleine Hans am allerwenigsten. Der Doktor kam

täglich zweimal; die Fenstervorhänge waren zuge-
zogen, und alle Leute im Hause machten besorgte,
erschreckte Gesichter.

Abends nahm Mama den kleinen Hans auf
den Schooß und erklärte ihm:

„Ls wird noch viele, viele Tage dauern, bis
Erich und Else wieder gesund sind, und wir müssen
sehr vorsichtig sein, denn das Scharlachfieber ist
eine schrecklich ansteckende Krankheit, wenn Je-
mand z. B. aus demselben Teller oder mit dem-

selben Löffel ißt wie solch ein Kranker, mit ihrem
Schwamm sich wäscht oder an ihrem Handtuch sich
abtrocknet, wird er ganz gewiß auch krank."

Natürlich bekam Hans fürchterliche Angst. Er
stierte die geschloffene Thür zum Kinderzimmer an
und wagte nicht, sich ihr zu nähern. Er lauschte,
aber kein Ton, kein Geräusch ließ sich von drinnen
vernehmen.

So verging die Zeit, und die beiden kleinen
Patienten begannen langsam gesund zu werden.
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Karl Ewald: Kinder
[nicht signierter Beitrag]: Splitter
 
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