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1902

JUGEND

Nr. 26

cv

Dankee-Kriccherei

Jrt gewissen deutschen Kreisen, besonders amt-
lichen und maritimen, wird augenblicklich mit heißer
Inbrunst aus eine Freundschast zwischen Amerika
und Deutschland bingearbeitet. Diese Kreise haben
sich natürlich die Unterstützung einiger Blätter ge-
sichert, darunter auch eines deutsch-amerikanischen
Blattes, bei dem Prinz Heinrich zu Gast war. Daran
wäre ja von Rechtswegen nicht das Geringste aus-
zusetzen. Aber nicht selten wird die Sache mit einem
wenig geschickten llebcreifer betrieben, der ebenso
zwecklos wie würdelos ist und das verwunderte Kops-
schütteln aller Unabhängigen erregt. Schon vernimmt
man hier und dort das Wort Yankee-Kriecherei.
Es ist vorläufig wohl kaum zu hoffen, daß darin eine
Wandlung Platz greift. Im Gegentheil dürfte es eher
schlrmmer als besser werben. Aber es wäre zu wün-
schen, daß die Yankee-Lobhudelei wenigstens in ein
System gebracht würde. Dafür, wie d as zu machen,
liefert u, A, Santos-Dumont, der luftschiffende Bra-
silianer, einen Fingerzeig,

Als Santos-Dumont kürzlich nach Amerika kam,
marconirte er noch von hoher See aus nach New-
Aork: „Ich werde bald das größte Land der Welt
sehen," Ein Pankee-Kenner hatte ihm wohl gesagt,
daß die albernste Schmeichelei, mit der er sich sonst
w° lächerlich gemacht hätte, im Dollarlande mit
glückseligem Lächeln würde entgegen genommen wer-
den. Das war auch der Fall, Es wäre demnach
empfehlenswert!), wenn in gewissen Zwischenräumen
ein erprobter Yankee-Anbeter, womöglich mit
amtliche,,, Heiligenschein, nach Amerika käme, um im
Interesse der amerikanisch-deutschen Freundschast die
Yankee-Anbeterei an Ort und Stelle geschäftsmäßig
zu betreiben. Auch sollte er gleich einen Kabeldiener
irgend einer großen Telegraphen-Gesellschaft mit-
bringen, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet und
über seine Thätigkeit nach Deutschland kabelt. Im
Angesicht der amerikanischen Küste hätte sich der vs-
ftKtelle Yankee-Anbeter zunächst ein Marconigramm,
ähnlich demjenigen Santos-Dumonts, zu leisten, das
da lauten könnte: „Ich bitte um einen Arzt —
ich sterbe vor Sehnsucht, dasLand der Voll-
kommenen zu erblicken," Sobald er gelandet
>st, versasse er Aussprüche >vie die Nachstehenden:
„New-York ist eine märchenhaft schöne Stadt. Wie
oorsniäßia ist, Berlin dagegen.

Die Amerikanerin ist eine Kombination von Ve-
nus, was die Schönheit anbetrifft, und Minerva,

tvas die Klugheit anbetrifft. Die Deutsche-doch

ich will nicht ungalant sein.

Der Amerikaner ist uns Europäern in Allem
und Jedem überlegen, weil er intelligenter ist. Wie
dumm, zurückgeblieben und mittelalterlich wir in
Europa sind, sehe ich letzt erst," —

. Vor allen Dingen darf der Yankee-Anbeter aber
nicht versäumcn, sich über die Monroe-Doktrin und
Sud-Amerika zu äußern, denn das sind des Yankees
empfindlichste Hühneraugen, In dieser Beziehung
wäre etwa diese Bemerkung angebracht:

„„Die Monroe-Doktrin ist der Inbegriff aller staats-
niännischen Weisheit. Nichts wäre ivahnwitziger,
als wenn die deutsche Politik versuchte, die Doktrin
über den Haufen zu werfen, Gott sei Dank ist die
deutsche Politik augenblicklich von einer Erlenchtet-
heit, die eine (natürlich nur entfernte) Aehnlichkeit
mit der amerikanischen hat. Wir sind der Ueber-
zengung, daß Süd-Amerika dem Nord-Amerikaner
gehört, und würden mit Vergnügen sofort unsere
Kolonisation daselbst, wie z. B. in Brasilien, ein-
stellen, sowie unsere Handels-Interessen preisgeben,
wenn man das in Washington wünscht. Für die
Freundschast mit Amerika ist uns kein Opfer zu groß,"
Von höchster Wichtigkeit für die Förderung der
amerikanisch-deutschen freundschast bleibt, daß die
Yankee-Anbeter für unausgeletzte Yankcc-Bewcih-
räucherung auch in Deutschland Sorge tragen.
Selbstredend müßten alle diese Beweihräucherungen
losort des guten Eindrucks wegen nach Amerika
berichtet werden, entiveder in Form von Correspon-
denzcn oder Telegrammen. Hoffentlich lesen wir dann
Meldungen wie hst folgenden:

„Graf Bülow hat sich soeben ein Paar echt

amerikaNllckic gelbe Sommcrstiesel gekauft. Als
er darin vor der amerikanischen Gesandtschaft
vorfuhr, wurde das Sternenbanner gehißt. Unter
den Linden drängten sich dichte Menschenmassen,
um den Grafen in den amerikanischen Stieseln
zu sehen. Alle behördlichen Gebäude haben an-
läßlich des epochemachenden Ereignisses geflaggt!

In Washington wird diese neueste zarte Auf-
merksamkeit gegen Amerika ziveisellos den an-
genehmsten Eindruck machen.

Ein Beamter des Krieasministeriums bekam in
der Friedrichsstrave von einem Herrn, der gegen

ihn angerannt war, eine schallende Ohrfeige, Letzterer
wurde verhaftet. Es stellte sich heraus, daß er ein
zur Zeit in Berlin weilender Amerikaner Namens
George Washington Lehman sei. Als der miß-
handelte Beamte dies erfuhr, rief er aus: „Was,
ich habe eine amerikanische Ohrfeige bekommen?
Dann ist das keine Rohheit, sondern ein Vergnügen
und eine Ehre!" Und er versöhnte sich mit seinem
Angreifer sofort. Der Vorfall dürste nicht verfehlen,
in Amerika mit Genngthnnng vermerkt zu werden.

Das Gerücht erhält sich, daß der Kronprinz eine
Amerikanerin heirathen wird, einmal, weil die Ameri-
kanerin bekanntermaßen die Krone der Menschheit
ist, zweitens, weil dadurch eine Nachkommenschaft
von geradezu amerikanischer Vollkommenheit gesichert
erscheint und drittens, weil eine Amerikanerin als
deutsche Kaiserin zweifellos die historische Freund-
schast zwischen Amerika und Deutschland nur noch
mehr festigen würde.

Wie verlautet, soll eine neue Straße in Berlin V,
demnächst Roosevelt-Straße getauft werden. Die
Nachricht wird nicht verfehlen u. s. w.

Herzliche Glückwünsche zu dem Siege, den 5000
amerikanische Helden soeben über 100 mit Knütteln
bewaffnete Moros auf den Philippinen nach schwerem
Kampfe errungen haben. Es ist die glorreichste Waffen-
that der Neuzeit und stellt die Schlacht bei Sedan
weit in den Schatten (Telegramm an Roosevelt).

Die drei amerikanischen Oificicre, die zu den
großen Manövern nach Deutschland kommen, wer-
den mit fieberhafter Spannung erlvartet. Man
hofft, daß sie das deutsche Heer als dem unerreichten
amerikanischen Heer nahezu glcichwerthig erachten
werden. Später werden die drei Officiere in Mar-
mor ausgehauen und im Thiergarten aufgestellt
werden. Die Nachricht dürste nicht verfehlen u.s.w."

tj«nry )*. Urban (Jtew-Ycrh)

Politische Naturgeschichte der Hasen
und Kaninchen

Der gewöhnliche Hase, lepus timidus ger-
manicus, spielte lange Zeit in der politischen Na-
turgeschichte gar keine Rolle, weil er die merkwür-
dige Gewohnheit hat-
te, mit offenen Augen
zu schlafen. Er wurde
deshalb auch von ei-
nigen Gelehrten zu
den „Siebenschlä-
fern" gerechnet.

Als solcher ist er fürRevolutionen nicht sehr geeignet
Er setzt sich zwar auch auf die Hinterbeine und macht

Ein sogenannter „stolzer" Gang ist dem Hasen
nicht „natürlich", da seine Vorderbeine zu kurz ge-
rathcn sind, es bleibt leider immer nur ein soge-
nanntes „Dienern", womit er aber gerade in letzter
Zeit öfters sehr schnell „weiterkommt".

Er kann sich aber trotzdem in einen Wettlauf mit
einem richtigen „Swinigl" nicht einlasscn. —

Verwandt mit ihm ist das sogenannte Kanin-
chen, lepus poloniensis, oder auch „Kar-
nickel" genannt, weil es immer „anfängt".

Das Kaninchen ist stock katholisch, hat aber
kürzere Ohren wie dcrHase.

Im Vatikan gilt es als
„heiliges Thier", weil
es regelmäßig seine Pe-
terspfennige bezahlt.

Beide Thierarten leben
gemeinschaftlich in West-
preußen und Posen, dann
aber auch im Garten
des Reichskanzlerpa-
lais in der Wilhelmstraße,
vom Grafen Bülow neulich
trischen Progression vermehren.

Die Kaninchen sind bösartige Nagethiere und
verschonen selbst bie „heiligsten Güter" nicht,
so daß Graf Bülow oft genug genöthigt ist, ihnen
eins auf die Nase zu hauen. —

wo sie sich in einer
konstatirten geome-


ein sogenanntes „Mä n n-
ch en", welches aber mei-
stens nur humoristisch
wirkt.

Als man jedoch ver-
suchte, ihm einen Ring
durch die Nase zu ziehen und ihn als Last-
thier zu benützen, begann er zum Gluck energisch

Der Hase und das Karnickel sind unversöhnliche
Gegner. Sind die Hasen genöthigt, vor der Ueber-
macht der Karnickel die Flucht zu ergreifen, so schlagen
sie, wie es in der „Alldeutschen Jägersprache"
heißt, einen sogenannten „Haken", weshalb sie auch
die Hakatisten benannt werden.

zu „trommeln" und verübte zeitweise einen Heiden-
spektakel, besonders in der Münchner „Jugend".

Da die Staatsrcgicrung energisch für eine Ver-
mehrung des Hasen eintritt, das Zentrum aber
eine „Schonzeit für Karnickel" beantragt, so ist es
heute noch nicht abzusehen, welche von beiden Thier-
arten in Deutschland schließlich die Oberhand ge-
winnen wird.

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Register
Br. (Britting): Naturgeschichte der Hasen und Kaninchen
Monogrammist Frosch: Politische Naturgeschichte der Hasen und Kaninchen
Henry F. Urban: Yankee-Kriecherei
 
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