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1903

Nr. 28

Keiner will von ihm was wissen,
Schleunig wird er rausgeschmiffen
An die Luft so hoch und weit;
Niemand hört ihn, wenn er schreit

. JUGEND

Hat selbst die Brille aufgesetzt
Und zielte auf den Jäger jetzt.

Wo der wind ihn hingetragen,

Ja, das weiß kein Mensch zu sagen,
Nur die Hose blieb uns noch
Und in ihr das große Loch.

Der Jäger springt empor und schreit:
„Schlagt doch den Haasen todt, ihr Leut'!"
Da schießt der Haas' die Flinte los,

Der Jäger fällt — die Noth ist groß —
In seine eigne Grub' hinein
Und büßt noch fünf Mandate ein.

So etwas ist doch sehr gemein I

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<£s zog der wilde Lentrumsmann
Sein kohlpechschwarzes Röcklein an,
Nahm Bibel, Wahlprogramm und Dint'
Und lief zur Reichstagswahl geschwind;
Die Brille trug er auf der Nas'

Und wollte schießen todt den Haas.

sn.

vor etwa 25 Jahr

Der Sozi wie ein Fädchen war,

Er hatte Backen hohl und fahl
Und eine schwache Stimmenzahl.
Auf einmal fing man an zu schrei'n
von oben: Laßt sie nicht herein,
wir brauchen keine Sozi, nein,
Nein, keine Sozi braucht man nicht,
wir brauchen keine Sozi nicht.

Der Haase lief zuerst davon

Und dachte: Später macht sichs schon.

Der Jäger rief voll Freude: Gut-!
Jetzt ist der böse Haas kaput!

Und legte sich vergnügt ins Gras
Und schlief, die Brille auf der Nas'.

Zehn Jahre später, sieh nur her,
Da warens schon der Sozi mehr:
Doch wieder fing man an zu schrei'n
von oben: Laßt sie nicht herein,
rc. rc.

Zehn Jahre drauf, wie grauenvoll,
war schon das vierte Dutzend voll,
Und als sie zogen ins Haus herein,
Fing's oben wieder an zu schrei'n
wir bauchen keine Sozi, nein,
rc. rc.

Doch als der Jäger schnarcht und schlief
Der Haase in die Stichwahl lief,

Das lehtemal, 0 Weh

und Graus,
wie sieht er dick

geschwollen aus,
Und wächst er fort wie
diesesmal,

So platzt er bei der

nächsten Wahl.

Dem ^rleclenszaren

Präsident Roosevelt nahm Kürzlich eine Denk-
schrift an den Zaren von dem Drden B’nai Brith
entgegen, in der der Zar an die traurige Lage
seiner jüdischen Unterthanen erinnert wird. Roosevelt
sprach seinen tiefsten Abscheu vor den Kischenewer
Greueln aus und beschloß, die Petition dem Zaren
zu übermitteln.

Nun endlich hat sich doch der Mann gefunden,
Der für die Wahrheit kühn ein Wort

gewagt,

Der ob der tausendfachen Herzenswunden
Den Thäter frei vor aller Welt verklagt.

Inmitten all der eklen Weihrauchdünste,
Der Schmeichelei auf Gegenseitigkeit,
Der lügenhaften Diplomatenkünste
Ein Wort der Liebe und der Menschlichkeit.

Und dieses galt dem großen

„Friedenszaren",
Der stets das Wort „human" im

Munde führt,

Der selbst mit seiner Truppe von Barbaren
Mit Knute, mit Gewalt sein Volk

regiert'

Ihm, der mit soviel sittlicher Entrüstung
Nach Rache für den Serbenkönig schreit,
In dessen eignem Lande die Verwüstung,
Der blut'ge Frevel ungesühnt gedeiht.

Er braucht sich wahrlich nicht so zu empören,
Wenn er von fremden Meuchelmördern hört,
Er möge erst vor seiner Thüre kehren,

Eh' er die Serben Recht und Sitte lehrt.

Hello«

Variante

Intimus: „Hör'mal, mon eher, bei Deinen
enormen Schulden wirst Du in Europa gar keine
genügend reiche Gemahlin finden; Du wirst schon
jenseits des großen Teiches Jagd auf einen Gold-
fisch machen müssen."

Prinz: „Ja, ich kann nur Amerikanerin-
nen brauchen."

pluclcleclre als Kommentator

will sich der Mensch nich Kaffer nennen,

Muß er die kla'schen Dichter kennen,

Sonst kann er keenen Anspruch haben
Uff Bildung oder Jeistesjaben.

Drum Hab' ick fe in't Biecherfpind,

Denn bet wat sind muß, bet muß sind.

Da bin ick neilich bei jewefen,

Un habe Willem Teil jelesen.

Det is die Schofe mit den Appel,

Un mit den Jeßler feinen Rappel.

Der Jeßler is der böse Vogt,

So etwa 'n Landrath, der nischt dogt.

Det Volk, det piesackt er mit Wonne;

Heut jiebt's ja leider ooch noch sonne.

Drum jährt et mang die Steuerzahler,

Die Alpenjlockenzillerthaler,

Die juten Jodeljemsenjäger,

Die kurzen Lederhosen-Träger,

Denn sowat brauchen sich die Massen
Nich zu jefallen zu jelassen —

Janz wie bei uns noch heitzutage,

Drum is det Sticke ohne Frage
Dadrum alleen schon Blatt for Blatt
Det Lebenswahrste, wo man hat.

Mir kann man iberhauxt bloß jiften
Mit sonne realist'sche Schriften.

Nee, desto besser, je antiker:

Et jeht nischt ieber de Klassikiker.

Kory Towska
Register
Kory Towska: Plüddecke als Kommentator
Helios: Dem Friedenszaren
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Neuer Reichstagsstruwwelpeter"
[nicht signierter Beitrag]: Variante
 
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