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Mer schämt sich, nur davon zn reden,
Als Leipz'ger. Doch wie's immer sei:
Es is ooch hier, wie stets bei jedem
Unglick, ä gleenes Glick derbei.

Denn nu gommt wieder doch zu Ehren
Der schwergekränkte Alkohol;

Nnd's erschte Deppchen will ich leeren,
Verehrter Leser, auf Dein Wohl!

Cri-Cri

Romeo und Julie

Sie: „Ach, Lde, eilst Du schon? Warum

soll uns're Lieb'

Das Licht des Morgens scheu'n? — Doch

pfeift die Nachtigall!"
Er: ,Mär's nur die Nachtigall! —

Es pfeift der Wülowl"

Mädchen Handels Politik

Auf dem Bremer Congreffe gegen den Mädchen-
handel vertrat Fräulein Anna Papp ritz den Antrag
auf Schließung fämmtlichcr öffentlicher Häuser in Deutsch-
land und überraschte durch die Mitheilung, daß sie
auf der Eisenbahnfahrt nach Bremen aus dem Munde
von Congreß-Theilnehmern (!) selbst gehört hatte, daß
man „ihren verrückten Antrag für den Schluß der
Berhandlung aufsparen wolle, wo das Publikum schon
matt und müde sei. Uebrigens werde sie der Ham-
burger Polizeirath Hopfs bet ihrem Angriff schon in
Grund und Boden reden." Frl. Pappritz meinte
mit Recht, „ohne Bordelle gebe es überhaupt keinen
Mädchenhandel und man müsse den nationalen Mäd-
chenhandel ebensogut bekämpfen, wie den ausländischen!"

Aber Fräulein Pappritz, wie naiv und unpatriotisch!
Den Handel des Auslands zn bekämpfen und den na-
tionalen Handel zu fördern, ist doch nach der herr-
schenden Auffassung die erste Aufgabe jeder „gediegenen"
Wirthschaftspolitik! —

*) Rach einem Bericht des Polizeiamtes an die
Kreishauptmannschast gibt es in Leipzig 133 soge-
nannte „alkoholfreieSchaukstätten", in denen
es sehr ungeniert zugehen soll.

O tempora, o mores!

(Minister Möller wurde ;u Herrn von Lucanus
„eingeladen".)

Heutzutage muhen die armen Staats-Viecher
(ich (elblt zu ihrem Schlächter hinbemühn.

Der Münchner Bürgerkrieg

Beim „Sturm auf das Rathhaus"
Hörst d' Sturmböck' schon tob'n:

Sie ham dicke Schädl

Und von hint' wer'n s' g'schob'n.

nacbtstücR aus dem dunkelsten München

(T>ie Münchener Ultramontanen haben ein großes
Geschrei erhoben, weil ein liberaler Stadtvater einen
Gewerberichler, der gerne Rechtsrath werden wollte,
zum Eintritt in eine Freimaurerloge gekeilt haben
soll. Fetzt stellt sich heraus, daß es sich um einen ge-
wöhnlichen verein: „Die Druiden" handelte, der
mit der Freimaurerei nichts zu thun hat.)

Die Nacht war finster wie der Schädel eines
ultramontanen Wählers. Ahnungslos wandelte
ein Mann durch das düstere Unkengäßchen, in
welchem nur Eulen, Freimaurer, Kaualränmer
und ähnliche lichtscheue Gesellen wohnten. Er
hatte sich verirrt und wußte nicht mehr, sollte ei
rechts oder links gehen. Plötzlich packten ihr
zwei vermummte, ein Dicker und ein Langer, mit
schleppten ihn hohnlachend mit sich fort, voi
einem hohen, dunklen Hanse hielten sie still. „!vi>
fiih Dirench zu den Druiden — willst Du bei
UNS mitthnn?" fragte der Dicke und rollte die
Augen fürchterlich. „Ich lasse Dir zwei Minuten
Bedenkzeit. Indessen will ich die Brüder benach
richtigen, daß Du hier bist. Bitru, paß auf!"

Mit diesen lvorten verschwand er hinter einer
Fallthür und der Lange streckte seine Krallen ans.
Lr hinkte links, roch stark nach Schwefel und
Phosphor, und sein Bein klapperte schauerlich auf
dem Pflaster.

Aus dem Bauche des unheimlichen Hanfes
hatte man unterirdisches Rollen und Donnern,

Stimmengewirr und gräßliche Uh «Schreie ge-
hört und ab und zu Sätze vernommen, wie:
„Putz ihn weg, den Kerl! Bravo!" „Der
steht nimmer auf!" „Liberale'nein!" „wer
mag stechen?" „Rechts muß abgeräumt
werden!" „Der König muß auch noch
fallen! Halloh!" ...

Als der vermummte verschwunden war, trat
einen Augenblick Stille ein; darauf Hub der Lärm
und das Getöse von neuem an, und der Unglück-
liche vor dem Hause hörte deutlich rufen: „Frei-
lich! Herein mit ihm! Als Blinder kann er mit-
thun!" und schrecklicher Donner folgte diesen
lvorten.

Dem Mann auf der Gasse verlieh das Ent-
setzen darüber, daß ihn diese gottlosen Frei-
maurer des Augenlichts berauben woll-
ten, übermenschliche Kräfte. Er sprang plötzlich
dem Langen auf den Schwanz, daß er laut auf-
heulte, und floh wie rasend durch die Gassen, bis
er in die Nähe des Katholischen Kasino gekommen
war, wo er sich sicher fühlte.

Mit teuflischem Hohnlachen und einem fürchter-
lichen Fluch schlichen die vermummten in das Haus
zurück und gingen wieder in den Tempel der Drui-
den ein, einen unterirdischen langgestreckten Bau,
an dessen weiße lvände mit Kohle phantastische
Gestalten gemalt waren. Dichter, brenzlicher
Gpferrauch füllte den Raum. Die Druiden hatten
zu ihrem unheimlichen Werke die Röcke ausge-
zogen und agierten geräuschvoll, mit gerötheten
Köpfen. Sie tranken dazu aus hohen Stein-
gefäßen von uralter Form. Auf dem Tische sah
man den abgenagten Kalbsschädel und die gewalti-
gen Unterschenkelknochen eines Kalbes liegen —
schaudererregende Reste einer barbarischen Gpfer-
mahlzeit. Der (Oberste der Druiden saß auf er-
höbtem Sitze, eine große Tafel in der Hand, auf
welche er seltsame kabbalistische Zeichen schrieb.

Als die Beiden, welche jenen frevelhaften
Menschenraub versucht hatten, in die Druiden-
halle eingetreten waren, riefen ihnen die Brüder
entgegen:

„wo habt's n denn, den damischen Tropfen?"

„Dös Mal is er uns no anskcmma!" ant-
wortete der Lange.

Da erhob sich das Oberhaupt der Druiden und
sprach ernst:

„Nacha setz' auf, Kegelbua, — nach er
scheib'n m'r halt wieder ohneanBlinden weiter I"

Und noch bis spät nach Mitternacht hallte das
Unkengäßchen wieder von dem donnernden Ge-
polter der satanischen Sippschaft der Druiden.

Geracr Gewissensfreiheit. Der Stadtrath
in Gera ließ folgende Inschrift eines Familien-
begräbnisses verschmieren: „Wir werden nimmer
Euch Wiedersehen, doch werden wir Euer
gedenken!" — Das ist geschmacklos; man verschmiert
ein Erbbegräbnih nicht. Wenn der Stadtrath die
Inschrift beseitigen wollte, so hätte er sie abnehmen
und in dem Sitzungssaal des preußischen
Staatsministeriums aubringen sollen.

Vas Payr. Centrum auf dem Krieaspfad

Ein Indianer, der schon einige Skalpe
am Gürtel hängen hatte, wollte sich auf rin
paar Gefangene stürzen.

„Dös pressiert »er!" hielt ihn der besonnene
Häuptling zurück. „Lassen wir f erst noch
a bißl für uns arbeiten!"
Register
Monogrammist Frosch: Das bayrische Zentrum auf dem Kriegspfad
[nicht signierter Beitrag]: Geraer Gewissensfreiheit
A. D. N.: Ein Nachtstück aus dem dunkelsten München
-a-: Mädchen-Handels-Politik
Monogrammist Frosch: Der Münchner Bürgerkrieg
Monogrammist Frosch: O tempora o mores!
Arpad Schmidhammer: Romeo und Julie
Cri-Cri: Der gerächte Alkohol
 
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