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Von Bans Reisiger

„Allons - ah - he - ah" —

Begleitet von dm unverständlichen Kehl-
lauten deS quecksilbrigen, befrackten kleinen
Herrn, beendete Mademoiselle Fifine ihre
Produktionen, die in einem wenig halsbre-
cherischen Seiltanz bestanden, blieb dann
stehen, nickte langsam und ohne eine Miene
zu verziehen mit dem Kopfe und verschwand.

Wir saßen au einem der Tische, die der
kleinen dreieckigen, in einem Winkel des
SaalcS angebrachten Bühne zunächst stan-
den, und hatten uns bis zu dem Auftreten
Mademoiselle FifineS göttlich amüsiert.

Insbesondere das dressierte Schweinl
Karolus der Dicke, auf dessen gewaltigem
Haupte an 12 Säbelschmisse prunkten,
grunzte noch immer über sein Bierglas hin-
weg: „So' nne Sau!" In der Tat, das
Schwein war als Balletöse, stark dekolletiert
und in kurzen Röcklein, aufgetreten, sodaß
man bei jeder Drehung die kräftigen Schin-
ken rosig hatte leuchten sehen. Dabei hatte
es in den höchsten Tönen gequickt, hatte als
Glanznummer ein französisches „OUI“ -
Kauplet gesungen und war sodann ans allen
Vieren davongchüpft. KaroluS der Dicke
hatte sich bei dem allgemeinen Beifalls-
radau erhoben und einen Halben auf den
„anmutigen neuen Stern der Bühne und
des horinzoutalen Gewerbes" getrunken.

Gleich darauf war Mademoiselle Fifine
aufgetreten. Das befrackte Herrchen hatte
sie an d.r Hand hereingefiihrt. Ich über-
treibe nicht, wenn ich sage, daß wir alle
mit einem Male stumm und atemlos um
unfern Tisch herum saßen. „Verdammt noch
einmal," sagte Karolus und rückie mit gro-
ßem Knarren seinen Stuhl herum.

Mademoiselle Fifine paßte eigentlich
nicht zu den simplen Vorführungen, die sie
sogleich begann. Und dennoch hätte man
sie sich in keiner andern Rolle denke» können.

Ihr Gesicht war von dunkler Färbung
und zeigte jenen matten Perlenglanz, der
so selten ist und so unbeschreiblich schön.
Das Haar trug sie im Nacken hoch gestrichen
und zu einer dunklen, seltsam in drei Teilen
gewundenen Krone auf dem Scheitel auf-
gebaut. Ihre Augen waren hellblau, wie
wilde Veilchen und schwammen in einem
verräterischen Glanz, der ganz im Gegen-
satz stand zu ihrem müden apathischen Aus-
druck, so wie zu dem herben Schnitt ihres
Mundes. Ihre Nase war ganz zart gebogen.

Sie trug ein leicht anliegendes, kurzes
Kleid aus dunkel-violettem Atlas, das in
knappem, herzförmigem Ausschnitt gerade
noch den zarten Ansatz des dunklen Halses
sehen ließ. Ihre Arme waren ebenfalls
nackt, und wie der Hals, ohne jeden Schmuck.
Auch an den Händen trug Mademoiselle
Fifine keinen einzigen Ring.

Müde und gleichgültig, wie der Ausdruck
ihres Gesichtes» waren auch alle ihre Be-
wegungen. Das Seil, über das sie schreiten
mußte, war sehr kurz und niedrig gespannt,
sodaß von Kunstfertigkeit eigentlich garnicht
die Rede sein konnte. Unter einigen er-
munternden Zurufen half ihr das Herrlein
im Frack hinaus und blieb dann abseits
stehen.

Sie ging mit gesenkten Augen vorwärts,
indem sie tastend einen Fuß vor den andern
setzte. Offenbar war sie sehr unsicher. Er

war entzückend anzusehen, wie sich ihre
schlanken Füße abwechselnd immer wieder
vom Seil vorsichtig abhoben, mit schleichender
Bewegung nach vorn glitten und sich an-
schmiegend wieder Halt zu gewinnen suchten.

Sie variierte ihre Produktion nur sehr
wenig. Das Ganze dauerte vielleicht fünf
Minuten.

Wie laut wir auch klatschten, Mademoi-
selle kam nicht mehr hervor. Aber unser
Interesse für die folgenden Genüsse war
verloren. Wir Alle fühlte» uns berührt von
jener seltsam weichen, goldenen Stimmung,
in die einen zuweilen das Anhören ge-
dämpfter Walzermelodien oder der Anblick
eines festlich bewegten Saales versetzen kann.
Die unvergleichliche, halb scheue halb gleich-
gültige Anmut der jungen Seiltänzerin, die
Darbietung dieses herben, jugendlich ver-
schlossenen Körpers an einer solchen Stelle,
die Poesie dieser dunkeln, zarten Glieder —
alles duftete uns von dem elenden drei-
eckigen Podium mit der berauschenden Stärke
des G.ruches fremder Blumen, mit jenem
seltsamen Ozon, der uns zu Zeiten aus den
Tiefen unserer eigenen Zukunft anzuwehen
scheint wie ein Gruß von Glück, Kunst und
Frauenliebe.

Wir warteten sehnlichst auf ihr zweites
Auftreten. Denn das Programm verhieß:
Nr. 10, Mademoiselle Fisine mit ihrer dres-
ierten Katze. Wir beglückwünschten uns
gegenseitig, daß wir in diese« Paradies ge-
raten seien, und Karolus der Dicke sagte,
indem er sein Glas zum Munde erhob:
„Donnerwetter, wenn ick det Mächen
mal...!" Da stand sie auch schon auf der
Bühne. Karolus trank ihr seine Blnme
zu. Sie beachtete es nicht. Sie hatte ihren
Blick gesenkt zu dem winzigen, weißen Kätz-
chen, das sie in ihren verschränkten Armen
hielt. Nachdem sie es ein wenig gestreichelt
— wie Kinder streicheln mit der ganzen
Hand — ließ sie es auf ihre Schulter glei-
ten. Dort hockte das Tierlein dicht an ihren
Hals geschmiegt und beschaute sich mit seinen
großen, gelben Augen das Publikum.

MademoiselleFifine rückte nun mit leichten
Bewegungen ein hochbeiniges Tischchen
heran, breitete eine Decke darüber und stellte
allerhand hölzerne Apparate darauf. Judeni
sie alles dies selbst verrichtete, ohne daß ihr,
wie sonst üblich, ein Diener oder Kavalier
bcistand, erschien sie mit ihrem balancieren-
Kätzchen auf der Schulter von so rührender
Grazie, daß keine eigentliche Vorstellung
uns so hätte fesseln können, wie diese paar
geringfügigen Vorbereitungen.

Sie lieb nun, indem die Musik eine flüch-
tige Begleitung spielte, das Kätzchen auf
den Tisch gleiten und mit den Apparaten
verschiedene der üblichen Künststücke aus-
führen, indem sie das Tierchen, ohne einen
Stab oder dergleichen zu gebrauchen, nur mit
ihren leichten Fingern dirigierte, streichelte
oder leise klopfte.

Nachdem alles absolviert war, begann
die letzte Produktion- Und ich muß gestehen,
daß ich niemals vorher oder nachher etwas
der Art gesehen habe, das meine Sinne in
einen so goldenen Zauber getan hätte,
wie dieses Schlußspiel.

Es schien nichts besonders Vorbereitetes
zu sein, sondern nur der unwillkürliche,

Philosophische Betrachtung max Feldbauer (mündien)

„Warum soll es kein Mittel!' leben zwischen Menschen un Affen? Hiebt fa auch zwischen Militär un Ziull den Reserveleutnant k"
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