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Führ du sie!

(Nach Heine)

mit obiger Zeichnung von A. Schmidham mer

Der deutsche Reichstag hat gut gespeist
Und gut gelaunet ist sein Geist.

In schimmerndem Hause, auf samtenem Pfühl,
Da sitzt er. Er hat der Gelder gar viel.

Das Heer ist zahlreich, der Handel blüht,

Das Land ist. mächtig in XXotb und Süd.

Der Reichstag sieht's und freut sich und lacht
Und fragt: „wem danke ich diese Macht?"

Bethmann antwortet: „Unter den Fahnen
Erkämpften sie die Rriegsveteranen."

Der Reichstag fragt mit erstaunten Mienen:
„Die Veteranen? wie geht es ihnen?"

Bethmann antwortet: „In Dürftigkeit
Und Elend wohnen sie lange Zeit."

Da sagt der Reichstag: „Bethmann, wähle
Aus Deutschland Dir die größten Ramele.

Stell sie zusammen zu Rarawanen
Und bringe den treuen Veteranen,

Auf daß sie werden gesund und stark,

Bare hundertundzwanzig Mark!

Die Rarawanen mit diesem Lohn
Führ du sie in eigener Person!"

Und nach des hohen Reichstags Befehlen
Brach Bethmann auf mit seinen Ramelen.

Durchs Brandenburger Tor hinein
Zog er mit Lärmen und mit Schrein.

Im Osten aus dem Frankfurter Tor
Trat grade zur selben Stunde hervor

Ein kleiner, ärmlicher Leichenzug,

Der den letzten Veteranen zu Grabe trug.

Frido

*

Privileg

Zwei Bauernmädchen unterhalten sich.

„was zahlt der Pfarrer, von dem Du das

Kind hast?"

„Er hat es gratis getauft."

wie die Erde den HaUeyIchen Rometen
vor dem IS. Mai im Traume erblickt hat —

Zwiegespräch

Bruder Anton:

Kann ich mich von Bruder Seraph wenden,

Wo der grimme Feind mit gierigen Händen
Mir so gern' entwinden möcht' das Heft?

Halte mich auf dem Ministerstuhle:

Gerne laß ich Dir dafür die Schule,

Und wir machen beide ein Geschäft!

Bruder Seraph:

Bravo, Bruder! Nimm die Professoren
An der Hochschul' tüchtig bei den Ohren,

Wenn uns ihre Richtung nicht mehr paßt!

Alle Thesen, Lehren und Gedanken
Haben in dem Dogma ihre Schranken,

Und wer nicht pariert, der wird geschaßt!

Bruder Anton:

Darum will ich für sein künftig Leben
Dem Professor Schnitzer Urlaub geben
Bis dereinst zu seinem sel'gen Tod!

Sollten drob die Gegner sich erhitzen,

Rett' ich mich mit ein paar faulen Witzen
Und mit Gottes Hilfe aus der Not!

Bruder Seraph:

An den Busen, Anton, süßer Bruder!

So gefällst Du mir am Kultusruder;

Und so lange Du in meiner Gunst,

Kannst Du alles Deinem Gegner bieten,

Denn wir sind ja beide Jesuiten,

Virtuosen der — Auslegungskunst!

Bruder Anton:

All mein Sinnen will ich, all mein Denken
Auf das Wohlergehen des Zentrums lenken
Und die klerikale Schulaufsicht.
Pädagogik-Professuren will ich
Den Lyzeen geben, wie es billig:

Antons Liebe, die stirbt niemals nicht!

Beda

*

Fingerzeige

für die Aerzte, Ingenieure und Zahl-
meister der Marine

8 1. Der Arzt, Ingenieur und Zahlmeister
gilt, da er zwei Beine hat und lebendige
Junge zur Welt bringt, als Mensch. Ist
er stubenrein, sogar als Mensch zweiter
Garnitur.

§ 2. Zeichnet ein Offizier ihn durch eine
Anrede oder Erwiderung seines Grußes aus,
so hat das zu seinen schönsten Erinnerungen
zu zählen. Den poetisch Begabten ist es ge-
stattet, den weihevollen Moment in einem
Gedicht zu verherrlichen.

§ 3. Weihnachtsfeiern und Bordgottes-
dienste finden gemeinschaftlich statt in der
Form, daß der liebe Gott zuerst die Gebete
der Offiziere erhört. Aerzte, Ingenieure und
Zahlmeister haben in das Vaterunser die
Bitte einzufügen: „Und bewahre uns vor
Hochmut und Selbstüberhebung."

8 4. Die Dr. ing/ö haben die Herren
Seekadetten mit „Herr Professor" anzureden.

8 5. Die Weiber der Ingenieure, Aerzte
und Zahlmeister dürfen keine eleganteren
und teureren Hute und Unterröcke tragen
als die Damen der Offiziere.

8 S. Im Auslande atmet die gesamte
Schiffsbesatzung jenen schönen, kamerad-
schaftlichen Geist, um den uns alle Armeen
der Welt beneiden. Karicheu

SittUebkeitsmajor Siben

Bayernlandtag, Haus, Du teures,

Jährlich blüht dir der Moment,

Wo das Zentrum mit Geseires
Für die Sittlichkeit entbrennt.

Diesmal traf das Loos Herrn Siben,

Den der Haber mächtig stach.

Trocken ist kein Aug' geblieben,

Keine Kehle, als er sprach:

„Wild gen Himmel infernalisch
Stinkt das liberale Schwein!

Nur das Zentrum ist moralisch,

Seine Presse lämmchenrein!

Wem an Sittlichkeit gelegen,

Der bekämpft die Schmutzerei!

— Nicht mit Volksbibliotheken!

Nein, mit Büchern von Karl May!

Zwar, ich Hab' sie nie gelesen,

Aber dies ist ganz egal!

Gut katholisch ist sein Wesen,

Also ist der Mann genial!"

Beifall lohnte Ritter Siben.

Tief bedauern muß ich nur,

Daß bei May er stehn geblieben,

Nicht empfehlend weilerfuhr:

„Wollet Ihr das Volk bewahren
Vor der .schlechten Presse' Fluch,

Gebt ihm Scheuers Memoiren,

Pfarrer Münsterers Tagebuch."

Daß Du dies nicht vorgeschrieben,

Zeigt mir klar und schaudervull:

Nominell bist Du zwar Siben,

Geistig aber eine Null.

Karl eben

*

Rometenglück

Einem entsetzlichen Schicksal ist der Halleysche
Komet entgangen.

Die meteorologische Station auf dem Feld-
berg, die den Kometen am Freitag, den 20. am
Abendhimmel gesichtet hat, entdeckte, daß er
nicht nur an Helligkeit, sondern auch an Röte
zugenommen habe.

Was fällt denn dem Kometen ein? Indivi-
duen, die hell sind, sind schon verdächtig; wenn
sie aber außerdem noch rot sind, dann machen
sie sich unmöglich. Schon sollte der Halleysche
Komet wegen seiner Helligkeit und vor allen
Dingen wegen seiner Röte sowohl am preußischen
Hofe, als auch bei dem schwarzblauen Block
vollkommen boykottiert werden, als noch m
zwölfter Stunde Rettung kam. Eine genaue
Untersuchung seines Spektrums ergab namnch,
daß die rote Färbung nicht von seiner politrschen
Gesinnung, sondern von Eosin kam, das sich
seinem Schweife vorfand. Eosin aber, das sewsi
vom Bund der Landwirte angewendet wno,
ist durchaus königstreu. Frid0

— und wie der Halley'sche Römer die Erde a"l
IS. Mai „dableckt" bat!


Di
Register
Frido: Führ du sie!
Karlchen: Sittlichkeitsmajor Siben
Karlchen: Fingerzeige für Ärzte, Ingenieure und Zahlmeister der Marine
Frido: Kometenglück
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Führ du sie!"
Beda: Zwiegespräch
Willibald Krain: Halley'scher Komet
 
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