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Tn einem Kloster

„wer hat Euch denn den Bischofsstab ge-
schenkt?"

„Ach, irgend so'n Nachkomme von den
korrumpierten Fürsten, die die Perversion des
Glaubens und der Sitten unter dem XXawxtn
Reformation förderten!"

Der Sicrenwächrer von Hattingen

O wandle sittsam, deutsche Maid,

In einem hochgeschlossnen Kleid
Und deinen weißen Schwanenhals,

Den zeig' im Sommer keinesfalls.

Weil dies, wenns auch für dich erquicklich ist,
Für Muckeraugen gar nicht schicklich ist
Und irgend einen frommen Mann
Erregen und verdrießen kann —

Der Frauen-Reiz ist Solchem widerlich.

Dann wird er wild und schimpft dich liederlich!

Zu Hattingen im Lande Baden
Erfuhr dies jüngst zu ihrem Schaden
Ein Fräulein, welches frei und blank,

(Wie's jetzt modern ist, Gott sei Dank!

Bei luftig leichten Sommerblusen),

Den Hals trug, nicht etwa den Busen!

Der Pfarrherr in dem Dorfe Hattingen,

Der sprach: Das kann ich nicht gestattingen!
Weil er, nach jenem Halse lugend,

Bedroht sich fühlte in der Tugend
Und Gleiches fürchtete nicht minder
Für andre Pfarr- und Menschenkinder!

Er äußerte sich hart und schroff
Ob dem gekürzten Blusenstoff,

Erwartend, daß alsbald das sündige
Halsfreie Sommerkleid verschwindigel

Doch, aber und trotz alledem,

War's jenem Mägdelein genehm,

Daß es im Kleid, das er verfluchte,

Den Vespergottesdienst besuchte.

Da schwoll dem Pfarrer seine Leber,

Da nannt' er wütig, grob und gröber,

Die freie Halsausschnitt-Methode
„Pariser Lumpen-Menscher-Mode"

Und schimpfte mit gefurchter Stirne:

„Wer sich nicht schämt, ist eine Dirne!"

Bald wird sich, heißt es, mit dem heftigen
Mann Gottes das Gericht beschäftigen —

Doch wird's wohl mild den Fall erledigen
Und nicht zu schwer den Pfarrer schädigen
Für seine Ruppigkeit beim Predigen.

Tenn erstens wird er sich verteidigen:

Er wollte jene nicht beleidigen,

Und zweitens ist ja überhaupt
Bekannt, daß nur zu viel erlaubt
Bei uns dem Pfarrer in der Regel ist,

Und wenn er auch der ärgste — — Verächter
Urbaner Umgangsformen sein sollte.

Pips

Zur Erhöhung 4er Lwllllste

Ja, Majestät, ich Hab' es eingesehen:

Ls ist nur unsre ganz verdammte Pflicht,
Die Allerhöchste Linkunft zu erhöhen,

Denn billiger ward dieses Leben nicht!

Ss steigt das Bier, es steigt die Wurst

im Preise

Durch all die Steuern, die der Reichstag schuf.
Und fordern darf man nicht,

vernünft'gerweise,

Daß Majestät noch draufzahlt im Beruf.

wir müssen nobel sein und gern spendieren:
Denn Kaisersein, das ist kein Pappenstiel.
(„Sardanapal" muß ich nicht inszenieren.
Und brauche doch alljährlich ziemlich viell)

Rur eines stört mir etwas das Vergnügen:
Daß just im Augenblick, zur selben Zeit,
Da wir von der Regierung gar nichts

kriegen,

Sie appelliert an unsre Robligkeit.

Ls liegt mir fern, das Kriegsbeil

auszugraben,

Doch denke ich und viele andre Herrn:
wir möchten nicht allein das Zahlrecht

haben,

wir hätten auch ein schönes Wahlrecht gern >

Ein Preusse

*

Liebe Jugend!

Kürzlich fand für die Rekruten eines Regiments
ein Lichtbilder-vortrag über das Leben des Grafen
Zeppelin statt. Unter anderm wurde auch sein
schneidiger Patronillenritt zu Anfang des Krieges
\870l7\ in Wort und Bild vorgeführt.

Als sich der Instruktionsoffizier am andern
Morgen bei einem Rekruten erkundigte, welches
denn das Hauptverdienst des Grafen fei, ant-
wortete der junge Baterlandsverteidiger: „Lr war
auch beim Kommiß!"

*

Wie man hört, beabsichtigt der bayrische
Kultusminister von Wehner, die Pinakotheken
zwecks Erhöhung der Rentabilität an Cook &
Eon zu verpachten. Der Erlös soll zum Teil
für die Geistlichen Lyceen verwandt werden,
zum Teil zur Stützung des konfessionellen Frie-
dens durch Massenverbreitung der Borromaeus-
Enzyklika.

Hnti-Zeloticutn

praktische Vorsichtsmaßregel zum Schutze
andersgläubiger Bürger. Speziell für Ultra-
montane ä la vr. Seraph Pichler (Bayern)
erfunden!

57?.

Die Erhöhung der Zivilliste

im preussischen Abgeordnetenhause

„Alle Lebensbedingungen, meine Herren, sind
teurer geworden, demgemäß auch die Wahl-
rechtsvorlagen! Rnaufern Sie nicht, hier
darf nicht „gedrittelt" werden, — nur
maximiert!"

»

klassische Zeugnisse

aus den Werken Ranr's

Wenn Regierungen sich ja mit Angelegen-
heiten der Gelehrten zu befassen gut finden,
so würde es ihrer weisen Vorsorge für
Wissenschaften sowohl als Menschen weit ge-
mäßer sein, die Freiheit der Kritik zu be-
günstigen, als den lächerlichen Despotismus
der Schulen zu unterstützen, welche über
öffentliche Gefahr ein lautes Geschrei erheben,
wenn man ihre Spinnweben zerreißt.

(Akademieausgabe Band III pag. 21)

Es gibt in Europa Mächte, die von der
Frömmigkeit viel Werks machen, und, indem
sie Unrecht wie Wasser trinken, sich in der
Rechtgläubigkeit für Auserwählte gehalten
wissen wollen.

(Hartenstein Band VIII pag. 427)

Das Pfaffentum ist jederzeit geneigt, aus
einem bloßen Lehrstand in einen regierenden
überzugehen.

(Akademieausgabe Band VI pag. 130)

*

Iusth, der Abgeblitzre

Ach, nun liegt er ganz gebrochen,

Wie ein Mäuslein hingestreckt,

Er, der noch vor wen'gen Wochen
Wie ein Löwe sich gereckt.

„Justament!" so rief er höhnend
Vor dem Wahlgang ins Geländ;

Aus dem Lande scharf und dröhnend
Kam das Echo: „Iusth — am — End!

Homunculus

*

X«. 26 der „Jugend" erscheint am 25. Juni
als Sonder-Nummer unter dem Titel

Oberammergau.

Das Titelblatt zeichnete Paul Rieth. Biedermeier mit
ei besingt in schwungvollen Versen das Passionsspiel
und seine Darsteller, während Georg Queri, Karlchen,
A. Weisgerber, E. Wilke, K. Arnold und A. Schmidhammer
lustige Szenen aus dem Oberammergauer Fremden-
leben bringen. Ein farbiges Doppelblatt von Otto
Geigenberger ist dem landschaftlichen Bild des Pas-
sionsdorfes gewidmet.

Vorausbestellungen auf diese Nummer bitten wir
möglichst bald an uns gelangen zu lassen, damit wir
die Lieferung garantieren können.

Verlag der „Jugend“, München,

Lessingstrasse 1.
Register
[nicht signierter Beitrag]: Klassische Zeugnisse aus den Werken Kant's
Redaktioneller Beitrag: Redaktionelle Notiz
Erich Wilke: Anti-Zelotikum
Monogrammist Frosch: In einem Kloster
Pips: Der Sittenwächter von Hattingen
[nicht signierter Beitrag]: Zur Erhöhung der Zivilliste
Monogrammist Frosch: Die Erhöhung der Zivilliste
Homunculus: Justh, der Abgeblitzte
 
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