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Bitte an die Unbekannte

Du — eine, die ich liebte, war

So ganz wie Du! Du gleichst ihr sonderbar.

Sie Halle Augen, die wie deine fragen
Und ihre Liebe nicht zu sagen wagen.

Sie hatte diesen kindlich frohen Mund,

Der doch so durstig war und sehnsuchtswund.

Sie wiegte sich auch so im Tanze — weich,

Unschuldig und verführerisch zugleich.

Wir sind uns fremd und sind durch nichts verwandt
Und dennoch bitt ich dich: leg deine Hand
Nur einmal mir auf meine heiße Stirn
Wie sie es tat —

Reinhard Röster

Zu spät!

Ich sprach zur Daube: „Flieg' und bring im Schnabel
Das Kraut mir heim, das Liebeskraft verleiht!

Am Ganges wächft's, im alten Land der Fabel!" —
Die Taube sprach: „Es ist zu weit!"

Da sprach zum Adler ich: „Spann dein Gefieder,

Und für das Herz, das kalt sich mir entzog,

Hol einen Tropfen Glut vom Himmel nieder!" —

Der Adler sprach: „Es ist zu hoch!"

Da sprach zum Geier ich: „Reiß aus dem Herzen
Den Namen mir, der drin gegraben steht!

Ich will vergessen lernen, will verschmerzen!" —

Der Geier sprach: „Es ist — zu spät!"

w. Cornelius

Weine ersten Lieben

von Josefa Metz

/Ks ist vielleicht nicht ganz uninteressant zu erfahren, in was ein

kleines Mädchen sich verliebt. Ich sage nicht in „wen", denn
die Persönlichkeit des Betreffenden spielt meist eine untergeordnete
Rolle. Die Herren, die sich etwa in dieser Skizze finden sollten,
bitte ich um Verzeihung, daß ich sie an das Licht der Oeffentlich-
keit ziehe. Meine Hoffnung ist die: daß sie sich nicht wieder-
erkennen. — Also . . .

Edu, Kalla und Kennerken hießen die Kavaliere, in deren
Mitte ich mich für den schönen Beruf einer Zirkusreiterin, eventuell
Akrobatin, vorbereitete. Sie hielten mir das schnaubende Schaukel-
pferd, hielten mir die papierbeklebten Reifen zum Durchspringen
hin und brachten die Reckstange in die nötige „Tiefe". In ge-
ordneter Reihenfolge taten sie ihre Dienste, ernsthaft und selbst-
verständlich. Und wenn sie sich über die richtige Anwendung des
Dativ und Akkusativ zuweilen auch nicht ganz klar waren, so
wußten sie doch immer genau, daß man aufhört sich zu prügeln,
wenn eine Dame der besseren Gesellschaft kommt, und daß man
sich, bevor man sie begrüßt, die Nase erst am Aermel abwischt.

Edu, Kalla und Hennerken hatten nie saubere Hände, weil das
mit ihrem Beruf „Straßenjunge" nicht in Einklang zu bringen war,
aber sie besaßen desto reinere Seelen. Sic achteten in mir den
Kameraden, rissen mir nie die Haarschleife ab — es wäre dies
allerdings auch eine besondere Kunstfertigkeit gewesen, da ich sie
immer „von selbst" verlor — und verhöhnten mich nicht wegen
meines Turnanzuges, in dem ich stets umherlief. Sie nahmen mich
als das, was ich war: ein — leider — Mädchen, das den ernsten
Trieb hat, ein Stern der Manege zu werden, zuweilen fünf Pfennige
in Bonbons anlegte und gegebenen Falles mit Fäusten und Zähnen
seine Rechte verteidigte.

Einmal nur trübte sich die Harmonie des Vierbundes, indem
Kalla mit der Begründung, „Edu hat chesagt, er wollt Dich heiraten,
un das will ich doch schon," den Platz unserer Tätigkeit verließ.

Sofort lief ich hinter ihm her: „Och, Du verdirbst uns ja die
ganze Gala-Vorstellung! Bleib man hier, ich heirate Euch ja
alle drei!"

Ein Vetter — zu den ersten Lieben gehören immer Vettern,
weil sie so gut zu erreichen sind auf der Brücke der Verwandtschaft
— entriß mich den reinen Seelen und schmutzigen Händen meiner
Ritter vom Rinnstein. Ich lernte ihn auf einer Reise kennen, die
meine Mutter mit mir machte. — Kinder auf Reisen sind wichtige

Aus’m Schwabeländle

Heinrich Stierle ^Stuttgart)
Register
W. Cornelius: Zu spät!
Reinhard Koester: Bitte an die Unbekannte
Josefa Metz: Meine ersten Lieben
Heinrich Stierle: Aus'm Schwabenländle
 
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