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Liebe Burschen!

Aus einem Dorfe im Niederbayrischen ist uns
folgendes Schreiben zugegangen:

„Geherter Rehdokter! Die Relügion is in
Gefahr! Dös kann i Dir sag'n. Indem daß mür
uns einen Dreck um Eich kimmern, bals Ihr net
auf der Stell dafür sorgen teats, daß 's Bier bulliger
werd. Inferm Bräu, derwo das Difidentenmist-
waffer anfertigt, Ham mür fcho sei Gifthüttn überm
Kopf anzündt und wann uns der Pfarra no amal
de chrüstlinge Nächstenliabe empfählt, schiaß ma'n
vom Stangerl abi. Da siehgst, daß die Relügion
in G'fahr is. Mür wern eahm die chrüstlinge
Nächstenliab scho zoagn! 's Bier teura macha,
is dös vülleicht a Nächstenliab? Is dös über*
haups a Relügion? Bal a jeda Rausch um fünf
Mark mehra kost, muaß da der Glaub'n net
wanken? Zweng was steht denn 's Wirtshaus
neb'n der Kirch'n, als weil dö zwoa z'samrng'hörn,
damit sie für den Menschen sein geistiges Wohl
sorgen tean? Aba billig! Also, dös kennst, mein
liaber Rehdokter, und dös kannst Deine Mitka-
Planer fag'n: wann der Bierpreis net abigeht,
geht der Glaub'n abi! wann mür d' Bräuer
net katholisch macha, macha d'Bräua uns lutherisch!
Die Relügion is in Gefahr!!" —

Liebe Burschen! Mit Schmerz haben wir diesen
Notschrei eines unserer Brüder vernommen! O
wie recht hat er! Die Religion ist in Gefahr!
Und wer bringt sie in Gefahr? Die Liberalen!
G Geliebte, auch in diesem Falle zeigt es sich
wieder deutlich, welcher Krebsschaden dieselben für
unser Volk, für unsere Sitten, für unfern heiligen
Glauben sind! Hätte nämlich diese verworfene
Gesellschaft die Reichsfinanzreform selber gemacht,
so wäre nicht unser gutes Lentrum aus reiner
Vaterlandsliebe genötigt gewesen, die Zügel der
Regierung zu ergreifen und blutenden Herzens
die neuen Steuern zu unterschreiben. Ls ist nur
gut, daß es wenigstens auch die Zündhölzer kost-
spieliger gemacht hat, denn wieviele Brauereien

wären wohl erst angezündet worden, wenn die
Zündhölzchen noch so billig wie früher wären!
Allein, da sehet Ihr wieder deutlich, welch gemeine
und hinterlistige Rotte diese Liberalen sind, die
sogar Mord und Brandstiftung begünstigen, wenn
es geht, ganz zu geschweigen von der Glaubens-
störung. Zahlet ihnen daher bei der Wahl jeden
Pfennig doppelt heim, den Ihr jetzt für Bier,
Prozeßkosten, Sachbeschädigung und Ersatz der
Arbeitskräfte, während Ihr im Zuchthaus sitzt,
bezahlen müßt. Mit Gott für Wahrheit, Freiheit
und Recht, ist unser Wahlspruch! Und allzeit
treu zu unserm Lentrum!

barbiert. Du meinst, dadurch könnte sich wieder
das protestantische Gschwerl beleidigt fühlen?
Unsinn! Du hast eben gar keine Ahnung, wie
man so eine Aeußerung verharmlost! Die über-
setzt man einfach in eine fremde Sprache und sagt
dann, die Beleidigungen ständen gar nicht im
Original, sondern wären nur Übersetzungsfehler.
Gelt, jetzt bist baff? Du verstehst eben nix von
der höheren Erhaltung des konfessionellen Friedens!
Bedauern muß man natürlich trotzdem, daß die
Nürnberger Volkszeitung so etwas ausspricht.
Im übrigen aber hatten wir das Blatt schon
längst von anderer Seite erhalten und uns könig-
lich darüber gefreut.

*

Briefhasten der Redaktion

An unsere Mitarbeiter. Unverlangt einge-
sendete Brandbriefe, Prügelmuster, sowie andere
auf den Redaktionstisch geflogene Artikel müssen
mit Freimarken und genauer Adresse des Absenders
versehen sein, da sich sonst die Redaktion außer
stände sieht, diese Einsendungen zurückzugeben.

H. S. in Du hast uns die Nürnberger
Volkszeitung geschickt, in der zu lesen steht, der
Papst und sein Kardinalstaatssekretär hätten die
protestantischen Schreier großartig über den Löffel

L. XX. in K. Du meinst, jetzt, wo wir den
Dernburg los sind, sollten wir eigentlich den weh-
ner zur Belohnung für treu geleistete Dienste zum
Kolonialminister machen? Schmarren! Zum
Kolonialamt kann man nur einen brauchen, der
die Neger im Zaum hält, aber keinen, der wo
gewohnt ist, vor den Schwarzen auf dem Bauch
zu liegen.

M. p. in A. Du hast uns in die größte
Bestürzung versetzt! Also in Deiner Heimatstadt
sind zwei protestantische Stadtverordnete und nur
3^ katholische, obwohl es nach der Konfessions-
statistik Eurer Bevölkerung nur p/2 protestantische
und dafür 3^/2 katholische Stadtverordnete sein
müßten! Da sieht man's wieder, wie wir Katho-
liken in Bayern verfolgt werden. Die Sache muß
im Landtag vorgebracht werden! Gerechtigkeit
muß fein! Und überhauxts!

23. V. in Sch. Also Du hast gesehen, daß
der Briefträger dem Schullehrer ein liberales Blatt
gebracht hat. Ja, wir leben in einer Zeit des
sittlichen Niedergangs, wir haben gleich Eurem
Pfarrer Mitteilung gemacht, denn wozu haben
wir eine geistliche Schulaufsicht?

D. T. in H. Beruhige Dich, die Pinakothek,
wo's jetzt ein Mark! Eintritt kostet, ist kein Wirts-
haus. Es ist nur ein Bilderhäusl, also eh' nix
Gscheites. wer sich solches Glump anschant, der
soll auch zahlen!
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Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Briefkasten der Redaktion"
[nicht signierter Beitrag]: Briefkasten der Redaktion
Monogrammist Frosch: Titelzeichnung zum Burschenblatt
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Burschen!
 
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