IM SPESSART
CHRISTIAN BÄRMANN (MÜNCHEN)
Der Zuriiclgehlielene
Breite Buchenwipfel übergiebelt mein Haus.
Fenster voll Lampenlicht sehen wie Rauschgold aus.
Ausgeschnitten von eines Kindes Hand
Und behutsam gehlebt auf des rauchgrauen Abends VFand.
Plötzlich faßt es mich an vom blassen Abendrot her:
Auch für dieses Haus steht draußen ein Bruder in VF ehr,
Irgend ein Bruder für mich! meine Füße sind seltsam lahm
Und ich Flinke die Tür, leis, wie in heimlicher Scham.
HERMANN SCHIEDER
l)dmat
„G Mutter, lieb Mutter, in’ Krieg muß ich gehn.
Wer weiß, werd' ich wieder die Heimat seh».
Das Haus und den Garten, und Miese und Feld,
Den Baden, von eigenen Händen dcsteiit,
Die teuere Erde, auf der man gelebt.
Die einen gebärt und die einen begräbt."
Die Stimme des Jungen zittert sehr;
Die Hände der alten Mutter noch urehr.
Was halten die zitternden Hände umhüllt?
Gin Säckchen aus Linnen, mit Erde gefüllt:
„O Junge, mein Junge und mußt du auch fort,
Ich geb dir die Heimat am fremdesten Ort;
Die Scholle wühlt' ich aus unserem Grund,
Sie soll dich geleiten zu jeder Stund,
Sie soll dich schützen als heiliges Gut,
Wie du sie schützest mit deinem Blut."
Der Sohn zieht fort in des Kriegs Gewühl.
Die Schlacht verdonnert. Die Nacht ist kühl.
Am Wegrain liegt er im fernen Land;
Sein Blut durchrieselt zerschossen Gewand.
Aus dem zerschossnen Gewände quillt
Ein Säckchen von Linnen, mit Erde gefüllt.
Das halten zwei zitternde Hände fest
Im letzten Krampf an die Brust gepreßt,
And über das Antlitz, bläulich und fahl,
Huscht hell eines Lächelns sterbender Strahl;
Dann findet er selig die ewige Ruh . . .
— Die Erde der Heimat deckt ihn zu.
A. I>e Nora
Hrhadi Hutonitscb, der Bauer
Ein Kriegsbild aus Ostpreußen
Bon Hermann Wagner
Der Bauer Arkadi Antonitsch, ein achtund-
dreißigjähriger Mann, war auf dem Iclde be-
schäftigt, als er, beim zufälligen Aufblicken von
der Arbeit, drei Personen entdeckte, die den leh-
migen Feldweg vom Dorfe her auf ihn zukamen.
Er beschattete mit der Rechten seine Augen und
versuchte zu erkennen, wer es fei. Es waren
zwei Männer, die in ihrer Mitte ein Weib führten.
Das Weib gestikulierte lebhaft mit den Armen
und sprach auf ihre Begleiter ein. Diese selbst
aber mußten Gendarmen sein. Die blanken Bajo-
nette auf ihren Gewehren funkelten in der heißen
Mittagsonne.
Arkadi Antonitsch kratzte sich hinter den Ohren.
Er verhehlte es sich nicht, daß der Besuel) ihm
galt, denn er erkannte in dem in die Mitte ge-
nommenen Weibe bald seine eigene Frau. Rasch
ging er in seiner Erinnerung die Straftaten durch,
deren er sich, wie jeder russische Bauer, etwa
schuldig gemacht haben konnte. War es sein
Eteuerrückstand? Betraf es einen Holzdiebstahl?
Er spuckte sich in die Hände und war entschlossen,
ans alle Fälle zu leugnen. Und damit drehte er,
schon wieder seiner Arbeit hingegeben, den An-
kommenden ostentativ den Rücken zu, als ihn
ein plötzliches jämmerliches Geheul seines Weibes
zwang, sich wieder umzuwenden. Katja lief mit
ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
CHRISTIAN BÄRMANN (MÜNCHEN)
Der Zuriiclgehlielene
Breite Buchenwipfel übergiebelt mein Haus.
Fenster voll Lampenlicht sehen wie Rauschgold aus.
Ausgeschnitten von eines Kindes Hand
Und behutsam gehlebt auf des rauchgrauen Abends VFand.
Plötzlich faßt es mich an vom blassen Abendrot her:
Auch für dieses Haus steht draußen ein Bruder in VF ehr,
Irgend ein Bruder für mich! meine Füße sind seltsam lahm
Und ich Flinke die Tür, leis, wie in heimlicher Scham.
HERMANN SCHIEDER
l)dmat
„G Mutter, lieb Mutter, in’ Krieg muß ich gehn.
Wer weiß, werd' ich wieder die Heimat seh».
Das Haus und den Garten, und Miese und Feld,
Den Baden, von eigenen Händen dcsteiit,
Die teuere Erde, auf der man gelebt.
Die einen gebärt und die einen begräbt."
Die Stimme des Jungen zittert sehr;
Die Hände der alten Mutter noch urehr.
Was halten die zitternden Hände umhüllt?
Gin Säckchen aus Linnen, mit Erde gefüllt:
„O Junge, mein Junge und mußt du auch fort,
Ich geb dir die Heimat am fremdesten Ort;
Die Scholle wühlt' ich aus unserem Grund,
Sie soll dich geleiten zu jeder Stund,
Sie soll dich schützen als heiliges Gut,
Wie du sie schützest mit deinem Blut."
Der Sohn zieht fort in des Kriegs Gewühl.
Die Schlacht verdonnert. Die Nacht ist kühl.
Am Wegrain liegt er im fernen Land;
Sein Blut durchrieselt zerschossen Gewand.
Aus dem zerschossnen Gewände quillt
Ein Säckchen von Linnen, mit Erde gefüllt.
Das halten zwei zitternde Hände fest
Im letzten Krampf an die Brust gepreßt,
And über das Antlitz, bläulich und fahl,
Huscht hell eines Lächelns sterbender Strahl;
Dann findet er selig die ewige Ruh . . .
— Die Erde der Heimat deckt ihn zu.
A. I>e Nora
Hrhadi Hutonitscb, der Bauer
Ein Kriegsbild aus Ostpreußen
Bon Hermann Wagner
Der Bauer Arkadi Antonitsch, ein achtund-
dreißigjähriger Mann, war auf dem Iclde be-
schäftigt, als er, beim zufälligen Aufblicken von
der Arbeit, drei Personen entdeckte, die den leh-
migen Feldweg vom Dorfe her auf ihn zukamen.
Er beschattete mit der Rechten seine Augen und
versuchte zu erkennen, wer es fei. Es waren
zwei Männer, die in ihrer Mitte ein Weib führten.
Das Weib gestikulierte lebhaft mit den Armen
und sprach auf ihre Begleiter ein. Diese selbst
aber mußten Gendarmen sein. Die blanken Bajo-
nette auf ihren Gewehren funkelten in der heißen
Mittagsonne.
Arkadi Antonitsch kratzte sich hinter den Ohren.
Er verhehlte es sich nicht, daß der Besuel) ihm
galt, denn er erkannte in dem in die Mitte ge-
nommenen Weibe bald seine eigene Frau. Rasch
ging er in seiner Erinnerung die Straftaten durch,
deren er sich, wie jeder russische Bauer, etwa
schuldig gemacht haben konnte. War es sein
Eteuerrückstand? Betraf es einen Holzdiebstahl?
Er spuckte sich in die Hände und war entschlossen,
ans alle Fälle zu leugnen. Und damit drehte er,
schon wieder seiner Arbeit hingegeben, den An-
kommenden ostentativ den Rücken zu, als ihn
ein plötzliches jämmerliches Geheul seines Weibes
zwang, sich wieder umzuwenden. Katja lief mit
ausgebreiteten Armen auf ihn zu.