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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 21.1916, Band 1 (Nr. 1-26)

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https://doi.org/10.11588/diglit.4317#0324
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Der große )>ar

Der große Rat, der große Rot,

Nun hat er getagt von früh bis spat
Und alles in Paragraphen geschloffen —

— (Verdun wird langsam zu Brei geschossen.)

Die Einigkeit, die Einigkeit
Ist fest gesichert für alle Zeit,

Sie ist einstimmig zustande gekommen —

— (Der Görzer Brückenkopf ward genommen.)

Gemeinsame Front, gemeinsame Front, —

Jetzt haut man dieDeutschen durch Sonn' und Mond,
Und wird an sämtlichen Punkten siegen —

— (Bei Hindenburg fallen die Russen wie

Fliegen.)

Die Schiffsraumnot, die Schiffsraumnot
Beseitigt ein Konferenzverbot,

Bald gibt's die billigsten Frachttarife —

— (Zehn Da nipfer täglich verschlingt die Tiefe.)

Dem großen Rat, dem großen Rat
Folgt auf dem Fuße die große Tat
Zn Frankreich, Belgien, Serben und Polen —

— (— --Nur holen!)

A. de Nora

*

Hcbtung! Gift!

Nach dem „Tempo" soll das Divisionskom-
mando von Bologna jetzt bestätigt haben, daß
österreichische Flieger in Oberitalien Bonbons
herunterwarfen, die K e i m e ansteckender
Krankheiten enthielten. Wir haben nunmehr
ebenfalls eingehende Untersuchungen angestellt und
können mitteilen, daß diese Nachricht tatsächlich
richtig ist. Die uns vorliegenden Proben ent-
hielten Millionen Exemplare eines ganz neuen
Krankheitserregers und zwar handelt es sich uni
den sogenannten „Wahrheitsbazillus" (Splroeba-
etss veritatls sntisntsntieus), welcher nach Ge-
nuß eine höchst gefährliche Wut auf Regierungen,
Abgeordnete und Redakteure erzeugt. Der Patient
gerät in einen tnunielartigen Zustand, in dessen
Verlauf er an der Welt im allgemeinen und an
dem Sieg des Bierverbands im besonderen zu
zweifeln beginnt, ja, bei weiter vorgeschrittener
Pergiftung, von dem Sieg Deutschlands und seiner
Verbündeten überzeugt ist. Besonders große Ver-
heerungen richtet die Seuche jedoch in den Ge-
hirnen von Italienern an, da diese noch keines-
wegs genügend immun gegen die „germanische
Seuche" in jeder Form sind. Auch das mit Vor-
liebe angewandte Gegengift, das von der be-
kannten Giftmischer-Firma Rodd, Barrere & Co.
in Rom in den Handel gebracht worden ist —
Belladonna anglica brutalis, eine geniale Ver-
bindung von Kohle und Erstickstoff — hilft nicht
in allen Fällen. Monsun

Der Kkmnper

Der russische Minister Chw ostow halte durch
seinen Sekretär fünf Meuchelmörder gedungen,
die um 60000 Rubel mehrere politische Persön-
lichkeiten in Petersburg umbringen sollten. Leider
wurde aus dem Geschäfte nichts, da der Sekretär
verhaftet und der Talon des Ministers noch in
seiner Tasche gefunden wurde.

Wie wir hören, soll der frühere englische Ge-
sandte für Norwegen, Mr. Findlay, als er dies
hörte, dem bloßgestellten Minister einen Beileids-
brief geschrieben haben, der u. a. folgendes enthielt:
,,— lieber Herr Kollege, der Geiz ist ein
Laster.. Knauserig darf man bei solchen Geschäften
nicht sein! Sie wissen, daß mir unser Minister
für Sir Roger Casement allein dieselbe Summe
bezahlte, die Sie „für mehrere Personen" an-
legen wollten! Ja, das geht nicht! Hat denn
Ihre Regierung keinen anständigen Fonds
für dergleichen Abmurksungen? Oder
besitzen Sie keine richtige Gewandtheit in solchen
Dingen? Wenn Sie wieder was Vorhaben, wenden

Väterchens Freud und Leid

„Daß ich »och ein paar Freunde im deutschen
Reichstage habe, hat meinem Herzen wohl-
gctan! Aber ein Jammer ist cs, daß cs
nur so wenige Haase'n in Deutschland gibt."

Sie sich vertrauensvoll an mich. Wir sind ja
Bundesgenossen .. ."

Chwostow erwiderte herzlich dankend und
brachte zu seiner Entschädigung nur vor, daß in
Rußland Menschenleben überhaupt billiger im
Preise stünden und daß England eben ein reiches
Land sei.

„Hier," schrieb er, „bekommen wir um 60000
Rubel schon einen ganz netten Pogrom mit sechs
Dutzend toten Juden geliefert, ungerechnet sonstiger

Zufälle. Ich war also beredstigt, anzunehmen_

Aber Sie haben recht! Man muß nicht am fal-
sd>en Ende sparen. Ob id) sechzig oder fünfmal
sechzig Mille angelegt hätte, wäre egal gebliebe^i,
da sie ja doch gestohlen waren ... Ich will mir s
merken und nächstesmal großzügiger sein..."

Jetzt ist Chwostow allerdings abgetreten (wor-
den). Rußland ist eben dod> noch in der
Kultur weiter zurück. a, i>. n.

^ R. Rost

Serbische Erleuchtung

„Haben wirr jetzt nurr ein Ariegszicl: sollen
uns in die Hände fallen Ssasonow, <§rcp
und poincars und dazu drei spanische
Rohrrl"

Niedriger hängen

ist US dem Felde erhalten wir dicseiz
Notschrei: Ein französischer Armeebefehl verbietet,
den in der Schlacht gefangenen Deutschen, so helden-
mütig sie auch gekämpft, irgend welche Kleidung,
Bedeckung, Nahrung und Getränke (nicht einmal
Wasser!) zu gewähren.

Für ihre Pferde und Hunde
Halten sic Wasser bereit,

Wenn diese mit lechzendem Munde
Zurückkehren vom Streit.

Wir aber, deutsdie Soldaten,

Die tapfer kämpfend, wie sie,

In Feindeshände geraten,

Steh'n, sdieints, unter dem Bich!

Damit der waffenlose
Wehrlose „Barbar"

Erkenne sofort die große
„Kultur" lmd „Gloire"!

O liebe Iugeitd, könnte
Man hängen an jeden Strand)

All diese „Kulturdokumente" —

— Und ihre Verfasser auch!

A. Br. (im Felde).

Lucker als Bannware

Die Engländer haben von einer nordischen
Reederei eine Bürgsdiaft verlangt, daß (franzö-
sisdie) Büdier, die sie befördern sollte, nid>t an
eine englandfeindliche Macht ausgeführt würden.
Sehr richtig! Denn Deutschland, um das es sich
ja nur handelt, ist nahe am Verhungern und
lebt schon seit einigen Monaten nur mehr von
Büchern. Die Engländer wissen das ganz genau
und haben zum Beweise zahlreiche deutsche Zei-
tungsausschnitte, in denen von den Büchern als
der geistigen „Nahrung" der Nation die Rede
ist. Auch Papier - „Schnitzel", Zeitungs-
„Schmarren", „Press"-Sack, Literatur-Käse
u. dgl. sind täglich wiederkehrende Gerichte der
Deutschen und man ist wohl unterrichtet, daß es
in ihren Kreisen zahlreiche „Bücherfresser"
gibt, ja, daß fast alle Dame» der Gesellschaft täg-
Iid> „einen Roman verschlingen". Es gibt
sogar Vereine in Deutsd)land, die fid) bemühen,
den unteren Ständen „statt der billigen 10-Pfennig-
Heftchen" eine „bessere Kost" zuzusühren und
und) Art der Polksbäckereien eigene „Volks-
büchereien" für das lese-„hungrige" Publikum zu
eröffnen. Es kann also gar keinem Zweifel unter-
liegen, daß Bücher als „Nahrungsmittel" Kontre-
bande darstellen und bei der großen Blockade
nid)t durdigelaffen werden. Französisdie Bücher
sd)on gar, da sie meistens and) noch „pikant"
oder „papriziert" und also den „Genuß-
mitteln" zuzuredinen sind.

l*,ifk

*

Mrnirhologisches

Gott sei Dank: Teddy Roosevelt hat
einen neuen Vogel!! Sein früherer war
durd) die ständige Inanspruchnahme auch gar zu
strapaziert. Für seine Präsidentschafts-Kandidatur
mußte er unbedingt einen neuen auftreiben. Auf
einer Iagdexpedition im hintersten Guatemala ist
es ihm nun gelungen. Die Berichte der ameri-
kanischen Zeitungen über die fremde Spezies
stimmen nicht recht überein. Rad) den einen soll
er so groß wie seines Entdeckers Gehirn sein,
was auf eine Kolibriart deutete; nach anderen
soll er seinen Schnabel noch weiter aufreißen
können als Roosevelt selbst, was auf eine Kreu-
zung zwischen Nilpferd und Pelikan schließen läßt.
Was für ein Vogel es aber auch sei, wir gönnen
ihn Teddy herzlich, wie wir ihn selbst unseren
lieben amerikanischen Freunden gönnen.

Blizzard
Register
A. D. N.: Der Stümper
Blizzard: Ornithologisches
A. De Nora: Der große Rat
Puck: Bücher als Bannware
Br. A.: Niedriger hängen
Monsun: Achtung! Gift!
Richard Rost: Serbische Erleuchtung
Richard Rost: Väterchens Freud und Leid
 
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