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Herbst

Eia Waldschratt hüpft verdrießlich in den Büschen
Und äugt nach Pilzen für das Abendbrot.
Herbstregen weht ihn an in raschen Hüschen
Und Hagelkörnchen prasseln drein wie Schrot.

Warm hält sein Fell, doch will’s ihn überschauern.
Der lustige ^Vald, wie ward er arm und kahl! —
Sem Sommerzeitvertreib hockt unter Bauern
Und nahm den fetten Metzger zum Gemahl.

Wie hold ihr Leib sich bog beim Beerenpflücken!
Hei! Arm und Knie mit einem Griff gepackt!

Sie klopft ihm lachend den geduckten Rücken,

Er streichelte die Beine, braun und nackt.

Und alles hin! Ins warme Nest geflogen!

Grausame Fastenzeit an Lieb und Brot!

Er kriecht ins Höhlenloch, krümmt sich zum Bogen,
Flucht, kneift die Augen ein und stellt sich tot

Margarete Kiefer-Steffe

Frau auch etwas dazu tun muß, damit der Mann glücklich fei! Sie ist ein.
fach da! Und wenn er vor lauter Glückseligkeit darüber nicht gleich den Ver-
stand verliert, ist er das größte Kamel des Jahrhunderts. Und ein Lump
obendrein!" Händeschwingend: „Sie hat ja das Recht darauf, daß er wenigstens
so tue. als ob er sich wie im Himmel fühlte — und tut er nicht so. dann —
hat er sie beleidigt! Mißhandelt, — geschändet, — vergewaltigt! Nur weil
er siel, unterstand, nicht glücklich zu sein!"

_ Sie pfeift nimmer. Aber jetzt beben die Flügel der etwas zu scharfen
Nase, flackern die etwas zu klaren klugen, baut sich um die Lippen, die das
letzte Wort rachgierig und streitbcreit auffangen, ein Zug von unsäglicher
Feindschaft! Und laut lacht sie auf. und es klingt genau so. als glitte die
Schneide eines blankgeschliffenen Messers über den Guß einer Kalkwand:

„ ... glücklich!"

Aber das entfacht ihn noch wilder! „Nicht wahr? So eine Unverschämt-
heit! Vom Glück eines Mannes zu reden . . ."

„Der nicht ein einzigesmal in clfeinhalb Jahren nach dem seiner Frau
frag!" Und jetzt bewegt sich auch ihre Brust, belebt sich die unstreitbnr schöne
Gestalt. „Die Sonne herabreißen für mich und die ganze Welt ausschmücken
mit der Pracht seiner Liebe, — das verhieß er! Oh, ich erinnere mich!"

7- zitternd und dampfend — „ununterbrochen strömende Worte, vor denen
ich geradezu den Mund aufriß, — und vom Augenblicke an, da ich Za gesagt
hatte, nicht mehr ein einziges! Und keine einzige Tat. und nichts mehr als
Stickluft! Wie Hab' ich den Tag verflucht, tausendmal . . ."

„Zch Hab mir den Kopf gehalten: so wahnsinnig hat man sein können!

So . . ."

„Du bist einer Frau nicht würdig! Deiner Kinder nicht würdig! Meine
Eltern Hab' ich vergessen, meine Geschwister vergessen, mein ganzes schönes
früheres Leben vergessen, jeden, auch den allcrwinzigstcn Wunsch geopfert..."

Hohnlachend schlägt er den Handschuh, daß es knallt, auf die Bank.

„Deine ganze große Natur ..."

„Sie war tausendmal besser als die Deinige, die nur nehmen und fordern
konnte ..."

„Wo nichts war!"

Nunmehr bis in die letzte Fiber gereizt: „Du warst ja selber so reich!

Konntest ja weinen vor einem Pfirsichbaum, in Rührung zerfließen vor einem
Bauernmädel, — der leibhaftige Cherub sein vor jedem andern Menschen als
mir! Und wenn cs eine Köchin war —"

„Weil jede Köchin .. ."

„Wie dann das große Herz, das bei seiner Frau so unglücklich war, in
Liebe" und Mitleid zerfloß! Und — alle gingen sic auf den Leim! So ein
herrlicher Mensch! Und so unglücklich! Und trotzdem — so rücksichtsvoll!

Mer, wenn m i r einmal was fehlte, wenn i ch mir die Augen ausweinte, i ch
von ihm etwas haben wollte, — ah, dafür hatte der Idealist keine Zeit! Er
arbeitete ja immer! Er mußte sich doch .innerlich entwickeln'! Alle anderen
waren ja Esel und Tagediebe! Und diese gemütlichen Mahlzeiten, wenn der
Spinat nicht richtig passiert oder das Fleisch zu hart'war! Und diese reizenden
gemeinsamen Spaziergänge, wenn er ununterbrochen erklärte, er könne die
Natur nur allein genießen! Und dann: diese Nerven! Ewig nur diese ewigen
Nerven! Heut' war es zu kalt für sie, morgen zu warm, heut' spürten sie
den Südwind, nwrgen . . ."

Aufspringend und in grenzenloser Wut: „Du hast sie mir ruiniert! Vom
ersten Augenblick an ..."

„Und wenn sie dann einmal zusammenbrachen, was jährlich mindestens
sechsmal ..." 0er Apfelbaum

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Karl Herrn. Müller (Törwang)
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Karl Hermann Müller: Der Apfelbaum
Margarete Kiefer-Steffe: Herbst
 
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