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Buchengrün im Isartale

^Vilh. Ludw. Lehmann (Schweiz)

llnb die Freu des Schulmeisters kam die
steile Dorfftraße heraufgerannt mit offenem Mund
und fliegenden Nüstern, warf sich vor Gaston zur
Erde, umklammerte seine Beine und schluchzte
ol>ne Aufhören. Das war Legitimation genug
für den Leutnant und die Soldaten. Man führte
die Lehrerseheleute zum Ortskommandanten, wo
der Verpflegungsoffizier ein gutes Wort für feinen
sechs Monate gefangen gewesenen Hausherrn ein-
legte. Der Ortskommandant mar gerührt rnrd
gewährte Straffreiheit. Der preußische Leutnant
bekam den ersten und letzten Kuß von Frau Yvonne
ln Gegenwart ihres Mannes. Gaston Silvain
aber ließ sich zum erstenmal nach sechs Monaten
Haare und Bart wieder schneiden und zog seilten
saubersten Rock an.

Einen Monat später gab er deutschen Offizieren
in Bapaume französischen Unterricht, was ihm
dank feiner deutschen Kenntnisse Geld und Ehren
einbrachte.

*

Lohn der IMühsal

Hast du keinen Schatz im Acker,

Grabe dennoch, grabe wacker;

Bald hast du dein Grab gegraben,

Wirst die ganze Erde haben.

H ans Kyfer

Heimat

Das ist inein heimatlicher Fichtenwald,

Die Berglust meiner Kindheit, rein und kalt.

So weht die Lust in keinem andern Tal.

Want, tvar'g, als ick) sie trank zum letztenmal?

Wieviele Wandersomtner sind verglüht?
Wieviele Wanderwünsche sind verblüht?

Unwirklich wird das bunte Zwischenspiel.

Ich atme tief, als sei ich hier am Ziel.

Dort in der Lichtung, märchenwunderlich.

Sonnt sich annStrauch der schöne Stlbersirich.

Ich scheucht' ihn einst mit meinem Netze fort,
Nun sitzt er wieder an dem gleichen Drt.

Henk' darfst du, schöner Falter, lange ruhn.

Vor jenem Knaben bist du sicher nun.

Heut' bannt mich deiner Purpursiüget Schlag,
Daß ich kein Auge von dir weitden mag

Ich rühr' rnich nicht. Reglos sind Farn und Kraut
Und Ftchkeiigrüu, vom Mittag überblaut.

Nur fernher tönt, fern aus der Knabeiizeit,

Der gurrende Taubeukoti der Einsamkeit.

Fritz Gräntz

4

Narkose

Die Maske kommt. Ties atmen, ruhig zählen. —
Die Tropfen fallen schwer auf mein Gesicht —
Ein Instrument klirrt auf. Die Schwester spricht.
Langsam entweichen Schmerzen, —

die mich quälen.

Es geht hinauf im Flug — wo mag ich sein?
Der Flieder duftet so voll süßer Schwere —
Bist du bei mir? Die Hand greis! fern in’s Leere —
Es ist so still — und ich bin ganz allein.

Mein Herz tut weh — so weh? Musik erklingt —
Ich weiß es — Deine Stimme ist's, die singt,
Die ewig mir Berlvr'neS wiederbringt,

Ans ihren Flügeln kann ich selig schtvebeti.

Ich ging zu dir? Nie darf es Umkehr geben-

Ich falle tief? Ich tvache?— Schmerz heißt Leben.

H e I e ii c Rothbuct

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Index
Helene Rothbart: Narkose
Wilhelm Ludwig Lehmann: Buchengrün im Isartale
Fritz Gräntz: Heimat
Hans Kyser: Lohn der Mühsal
 
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