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Dies ist nichts —

DLes ist nichts: das Drdnen und Bezwingen!
Rann ich euch gefüllte Relche bringen

und den Trank, der euer dürsten stillt?
Falsches Abbild ist das wahrste Bild,

ob Lchs auch ins Licht des Fensters stelle —
wer ist andern Freund und weggefelle?

Dies ist nichts, was wir einander jagen,
weniger als fernes Flügelschlagen,
weniger als mit gesenkten Lidern
stumm am Tisch zu fitzen, einzufchlafen . . .

wenn wir unfern Fragen laut erwidern,
sind wir fremder, als wir erst uns trafen.

Dies ist nichts: zu wirken mit den Andern —
dies ist alles: ganz allein zu wandern.

3ch Hab nur das Line, mir zu fein.

Rann ich nicht zu meinem wefen finden,

wird euch nichts an meine Wege binden,
und ich bin vor euch nur Schuld und Schein . . .

Karl Leopold Naper

Auffindung des Mojes

B. Hasler

Kam ein Bild...

Ram ein Bild zu mir im Windeswehn:

Fern am Himmel sah ich Mühlen gehn.

Dreier Mühlen Flügel Schlag um Schlag
rauschten auf und nieder durch den Sonnentag.

Rings in reifen Blüten stand die Au,

Räfer badeten im Morgentau.

Trunkne Falter tauchten selig satt
hoch ins kühle Blau und tief ins Blütenblatt.

Steile Riefern grünten treu ums Feld,
Rofenwölklein führten hold gesellt

ihren Reigen durch die Lande weit.

Bebend durch die Stille schlug das Herz der Zeit.

Und ich stand und fühlt' ln guter Ruh
dem geschäftig starken walten zu.

Dreier Mühlen Flügel fern allein
senkten Schlag um Schlag den schnellen Schatten ein.

wie der Schatten ging, wie er kam,
trieb er hohe Lust durch mich wundersam;

sah den alten Müller hin und wieder gehn,
sah drei Mühlen mahlen fern im Windeswehn.

Lugen Kalkjchmldt

Das höhe

Line Groteske

Dh — sehr beklemmend anzuschauen: durch die Stadt ging aus den
Dberleitungsdrähten der elektrischen Straßenbahn ein Mann Vielmehr er
schlenderte dahin, prüfte mehr aus Spielerei denn aus Vorsicht mit wip-
pender 8ußspitze den Draht und sprang flüchtig in die Hohe, wenn das
Rädchen der Rontaktstange eines Straßenbahnwagens unter seiner Sohle
durchrollte.

Ängstlich war er gar nicht. Er schritt wie von Rissen gefedert, was den
Neid aller härter Hinstolpernden erschuf und sämtliche Rinder verlockte, die
Sprungfedern väterlicher Divane und mütterlicher Matratzen in Schwung
zu bringen, bis sie mit klirrendem Sterbelaut zerbrachen.

Also hatten die Tapezierer nichts einzuwenden gegen den Mann auf der
Dberleitung. Aber die ordnende Seele, die um der Ordnung willen ordnet,
wollte diese Ausschweifungen unterbinden. „Rommen Sie herunter!" rief
die Drdnungsseele.

„Rommen Sie herauf!" rief der Mann auf der Leitung und hüpfte ein
wenig, denn das Rädchen einer Rontaktstange wirbelte funkensprühend
unter ihm durch. — Reben den Drdnungsseelen — gewissermaßen zwischen
ihnen und dem Unordentlichen auf dem'Draht — stand die große Menge,
die da tatenlos schaut, ewig und ewig; die am Rragen packen kann, wer
immer sie packen will. Und weil das letzte Stichwort hieß: Rommen Sie
herauf! bekam einer von diesen plötzlich rahmigen Glanz in die milchigen
8ischaugen und stieß runde Worte aus runder Öffnung: „Eigentlich hat er
recht!" Lr faßte Den und Zenen eifernd am Ärmel: „Schadet er etwas?
wem schadet er? was schadet er? 8ährt die Elektrische vielleicht nicht? —
Herr Dberkontrolleur, ist etwa der Stromverbrauch stärker? — Run also:
was wollen Sie, meine Herren?"

Der Redner wurde nickepd bestätigt von vielen. Aber der Hausbesiher-
verein war anderer Meinung. Selne wie noch nie zusammengeschlossenen
— seine geradezu in einander verfilzten Mitglieder sahen drohend vor sich:
galoppierende Entwertung ihres Eigentums. Der erste Stock werde zum

re Leben

von A. M. 8rep

Erdgeschoß, das Erdgeschoß werde zur Rellerwohnung für jeden, der dort
oben sein Leben lebe. Sei's auch nur Liner vorerst — man müsse auf der
Hut sein!

was aber die Drdnungsseele betraf, so wurde sie nicht entzündet vom
Rahmglanz des 8ischauges und nicht erschüttert vom Rotschrei des ver-
filzten Vereins, sondern sie beschloß nüchtern, zu handeln, warb durch Zei-
tungen Drahtseilkünstler, unterwies die jugendliche Schar im Abfassen von
Protokollen und Abfeuern von Maschinengewehren und gedachte so, des
Mannes auf der Dberleitung Herr zu werden.

Ehe man aber dazu kam, die fabelhaft disziplinierte Truppe auf sämt-
lichen Drähten der Stadt ausschwärmen zu lassen, bekam ausnahmsweise
ein geistiger Rämpe die Oberhand. Professor Lautenschlag — weiten Rreisen
nicht unbekannt — bohrte seinen Zeigefinger ln die Balggeschwulst an seiner
Stirn und sprach: „wie, wenn man dem Manne auf seinem Niveau mit
ruhiger Rede entgegenträte?" — Zhm wurde beigepflichtet, — mancher-
seits vielleicht aus Bosheit, wie die folgenden Ereignisse zeigten. Denn der
Professor schien vergessen zu haben, daß er, um auf das Niveau des Mannes
zu kommen, emporsteigen müsse. Er kletterte zwar hinauf — das focht ihn
wenig an —, aber er fiel gleich wieder herunter und wurde herzlich von
denen begrüßt, die vorerst unten geblieben waren und abgewartet hatten,
wie sich der „Geist" in der Ebene der Dberleitung ausnehmen werde.

Der Professor war zäh, und er glaubte, zum wohle des Ganzen gar nicht
zäh genug fein zu können. Rach seinem Sturz auf das Dach eines Tram-
bahnwagens und nach Bezahlung einer Strafe wegen zertrümmerter Glüh-
lampen ging er an die Ronstruktion schwerer pendelartiger 8ußgew!chte,
die ihm das Laufen auf dem Draht ohne Gefahr des Herunterkippens ver-
bürgen sollten.

Mittlerweile ging der Mann auf der Dberleitung manierlich spazieren
und konnte nur den Ausfluß einer gewissen bescheidenen Reugier nicht völlig
hemmen, die ihn ab und zu verleitete, in die 8enster der vornehmen ersten

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Register
Karl Leopold Mayer: Dies ist nichts -
Eugen Kalkschmidt: Kam ein Bild...
Alexander Moritz Frey: Das höhere Leben
Bernhard Hasler: Auffindung des Moses
 
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