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„Die Reise des Ro Umberto nach England
ist ohne alle 'politische' Bedeutung." Mussolini.

Früher, wenn ein König reifte,

War das ein Stück Weltgeschichte,
Tiefbedeutsam! Man verspeiste
Gierig alle Fahrtberichte!

So kutschiert' er kreuz und quer,

Scharf bewacht von Detektiven,

Gut versichert, „eingeschrieben"

Durch Europa hin und her.

Ein Versand mit allen Listen
Wie die Porzellangutkisten,

Drüberher „Nicht stürzen!" stebt —:
Allerhöchstes Wertpaket!

Heut' sind Könige fast zu Ende.
Höchstens um sich anzupreisen
Kegenseitge „Restbestände",

Schickt man einen noch auf Reisen —
Nur zum Hinweis allenfalls
Auf den Ursprungsort des Landes
(Rein zu Zwecken des Versandes)

Hängt ein Zettel ihm am Hals,

Drauf wird mitgeteilt den Leuten:

„Hat durchaus nichts zu bedeuten!

Was da hin und wieder fährt —:
Warenmuster ohne Wert!

A. D. N.

*

H li m o r des Auslandes

Ein schwerreicher amerikanischer Besucher
der Britischen Reichsausstellung ist von ibr
bitter enttäuscht. Die Direktoren haben sich
nämlich energisch geweigert, ihm das Ding zu
verkaufen. ^

In jedem Zuge

In jedem Zuge sitzt ein Mann
(Wohin der Zug auch rattert),

Der nicht sein Mundwerk halten kann,

Der endlos, endlos schnattert!

Er quatscht von Büchern, von Musik,

Kein Schläfchen kann dich trösten,

Er quasielt über Politik
Den Mist, den allergrösiten!

Er legt von Gott und Teufel los
Mit furchtbar wicht'ger Miene,

So daß ein Zugzusammenstoß
Dir wie Erlösung schiene.

Für allen Unsinn dienst dem Wirbt
Du als der Blitzableiter;

Ob du ihm Antwort gibst, ob nicht,

Er quasielt weiter ... weiter ...

Ihr kennt den Kerl, das Rabenvieh,

Den schnöden Höllenbiffen;

Entgehn kann man dem Scheusal nie,

Nur eines möcht ich wisien,

Nur eins frag ich mit bangem Mund
Und Stimme, schaurig-trüber:

Warum sitzt dieser krumme Hund
Mir immer gegenüber? ...

Kärtchen

R Grieß

Mißtrauisch

„Nee, die Republik gefällt mir nich mehr,
es wird in ihr zuviel von der Arbeit geredet!"

*

Dementi

Es ist nicht richtig, daß kürzlich, wie der
„Temps" meldet, eine deutsche Fabrik einem
Berliner Sachverständigenkollegium ein Gas
zum Versuch angeboten hat, das nach den
auf dem berüchtigten Schießplatz bei Lüne-
burg ausgeführten Vorproben unter dem
Namen „Lüneburger Gas" bekannt und so
wirksam ist, daß es mit jedem in Frankreich
bisher erfundenen ohne weiteres in siegreiche
Konkurrenz treten kann.

Richtig ist, daß ein deutscher Fabrikarbeiter
einem Berliner sachverständigen Kollegen
einen Limburger Kaas zum Versuchen an-
geboten hat, der aber mit dem vom „Temps"
bisher erfundenen nicht ohne weiteres in sieg-
reiche Konkurrenz treten kann. Gelja

*

Geschäftsgang 1924

Was ist im Geschäft denn so furchtbares los,
Daß alle so jählings erschrecken?

Der Chef macht Augen wie Eier so groß,
Dem Prokurist bleibt beim Frühstück ein Kloß
Im heiseren Halse stecken!

Es stockt des Herrn Reisenden Witze-Erguß!
Verwirrt, als schmisse man Bomben,

Stehn starr die Verkäufer! Es fiel doch
kein Schuß?

Das Tippfräulein klappert mitten im Kuß
Mit sämtlichen Zähnen und Plomben.

Der Ausläufer fast die Balance verliert,
Und ist doch von riesiger Stärke!

Der Lehrling, der eben, weil Tugend ihn ziert,
Mit Leim den Kontorftuhl der Chefin be-
schmiert,

Hält ein im löblichen Werke!

Was ist nur geschehen? Wie heißt die Gefahr?
Ihr fragt es mich zitternd, beklommen.

Es ist — wie mach' ich eS schonend Euch
klar? —

Es ist — weiß Gott, es ist wirklich wahr! —
Ein lebendiger Kunde gekommen ...

Karlchen

Meine Lieblingsplatte

von eme aide Frankfordcr

Wann meers vor'm Grammophon aach graust,
Aa Platt hat mich bestoche:

Des is der Monoloch vom Faust,

Vom Moissi laut gesproche.

Der Stimmfall weckt derr Dote uss,

Unn wann se noch so schlafe:

Der jodelt derr enabb, enuff
Dorch sämbtliche Oktave!

Der Sinn, der scheint m Newesach,

Dem sieße Rattefänger.

Bald sprecht'r laut, bald sprecht'r schwach,
Gott, war der Faust e Sänger!

Bald klingt's als wie e Hinkel gluckt
Unn bald seufzt s im Falsettche —

Ich glaab, eS hat emal verschluckt
Der Faust e Klarinettche!

Unn doch, eS iS e Hochgenuß,

De Moissi ze belausche!

Unn spräch er aach de greeßte Stuß,

Die Stimm dhät mich berausche!

Wann ich'n Heer, Ihr licwe Herrn,

Bin ich ganz aus'm Häusi:

Ich Heer de Faust so forchbar gern,
Vertont von Alex Moissi!

*

Verkehrshindernisse

Bei Calais ist ein vierzig Fuß langer
Walfisch gesichtet worden. Es sieht aus, gls
ob die diesjährigen Kanalschwimmer Auto-
huppen mitführen müßten. —

*

Zur Goetheforschung

Das war im Jahre 1786. Da ging Goe-
the in Karlsbad zum Deutschen Konsulat und
bat um ein Paßvisum nach Italien. „Ja, das
geht nicht so einSzwei!" erklärte ihm der
pflichtgetreue Beamte. „Zunächst müssen Sie
mal 500 Mark für das Visum zahlen. Und
dann muß ich mich erst mit dem Weimarer
Finanzamt in Verbindung setzen, ob Ihre
Steuerangelegenheiten in Ordnung sind! Fra-
gen Sie mal in vier Wochen wieder nach!"

Wie gesagt, das war im Jahre 1786.
Heute schreiben wir 1924, aber Goethe hat
das Paßvisum immer noch nicht. Behörden
überstürzen sich nicht gerne. Goethe ist übcr-
baupt nie in Italien gewesen. Es ging ein-
fach nicht. Alles was wir in seinen Schriften
über die italienische Reise lesen, ist Schwin-
del!

Übrigens hat ja auch Schiller seinen Tell
geschrieben, ohne jemals in der Schweiz ge-
wesen zu sein. Wahrscheinlich gleichfalls wegen
Paßschwierigkeiten. Helios

*

Splitter

Die vergeblichste Mahnung ist immer:
Nehmen Sie doch Vernunft an. 30fef Spiegle

422
Register
Josef Spiegler: Splitter
Karlchen: Geschäftsgang 1924
Rudolf Grieß: Mißtrauisch
A. D. N.: Re-mittenden
[nicht signierter Beitrag]: Humor des Auslandes
Gelja: Dementi
Der alde Frankforder: Meine Lieblingsplatte
[nicht signierter Beitrag]: Verkehrshindernisse
Helios: Zur Goetheforschung
Karlchen: In jedem Zuge
 
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