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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 38.1933, (Nr. 1-52)

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OER EINBRUCH

„Ich bedauere Sie sehr", sagte Frau Thea
Gubbe aus der Kaffeeterrasse etwas laut zu
ihrer Freundin, Frau Sabine, die gerade er-
regt van dem großen Einbruchsdiebftahl in
ihrer Wohnung berichtet hatte, „wirklich, Ihr
Verlust tut mir sehr leid, aber ganz ohne
Schuld sind Sie nicht! Heutzutage sind die
Einbrecher so raffiniert! KeinS der üblichen,
noch so gut gewählten Verstecke ist vor ihnen
sicher! Sie sagen, an der Oberseite des Wäsche-
schranksacheS hatten Sie die Perlenkette be-
festigt? — Klar, daß sie da gefunden wurde!
Den Trick kennen die Burschen ganz genau.
Nein —", sie lächelte überlegen, „da will ich
Ihnen mein System verraten. Denken Sie
doch an unsere einsame Osnabrücker Straße!
länd das Haus liegt obendrein noch ganz
isoliert im Garten, PoehlmannS unten sind
häufig fort, oft ist tagsüber kein Mensch im
Hause, wie zum Beispiel heute. Da muß man
sich ganz andere Plätze überlegen! — Wissen
Sie, wo ich meinen Schmuck verberge, wenn
ich weggehe und ihn zufällig nicht im Safe
habe? — In der Küche! Im Zwiebelkörb-
chen über der Anrichte oder im Salzfaß!
Meinen schönsten Ring habe ich heute einfach
in den Putzeimer gelegt! Da sucht ihn be-
stimmt kein..."

Sie verstummte jäh, da sie plötzlich den
dunklen Blick eines Herrn vom Nebentisch
getroffen hatte, der elegant, beinahe etwas zu
elegant, gekleidet war und nun gleichgültig,
beinahe etwas zu gleichgültig, zur Seite blickte.
In Erinnerung an das soeben Gehörte und
an manches Gelesene fühlte sich Thea Gubbe
auf einmal vor diesem Gegenüber ungemüt-
lich. Sie zahlte und verabschiedete sich brüsk.
Beim Durchschreiten der Drehtür sah sie mit
halbem Rückwärtsblick, daß der Fremde eiligst
durch den Vorgarten zur Straße schritt. Sie
bekam einen unvernünftigen Schrecken, schalt
sich aber im gleichen Moment überspannt und
hatte im Laufe des Nachmittags über vielen
Besorgungen die unangenehme Empfindung
bald vergessen.

Erst als sie gegen Abend in das einsame
HauS der Osnabrücker Straße zurückkehrte
und das Schloß ihrer Korridortür nur einmal
versperrt fand, erinnerte sie sich unter heftigem
Herzklopfen jenes dunklen Blickes — beim
Fortgehen hatte sie den Schlüssel zweimal
herumgedreht, daö wußte sie genau! Aufgeregt
lief sie zur Küche, und nun fuhr ihr der
Schreck in die Knie: Vor dem weit geöffneten
Besenschrank stand der Putzeimer, und das
Tuch hing unordentlich heraus! Mittags aber
hatte sie ihn in die äußerste Schrankecke ge-
stellt, das Tuch sorgfältig darüber gebreitet,
denn darunter lag ein aufklappbarer, recht
abgenutzt aussehender Kinderball, dem niemand
ansah, daß er Frau GubbeS kostbarsten Besitz
harg, jenen mehrkarätigen Ring, für den im
Vorjahr der Juwelier Schröder über zwei-
tausend Mark geben wollte!

Mit schleppenden Schritten trat sie näher,

Von Heinrich Rumpff

ihre Augen weiteten sich: der Ball war weg!
Der Ball mit dem Ring war weg! Einen
Moment wurde alles schwarz um sie herum.

Sie wankte ins Herrenzimmer. Man mußte
das Überfallkommando anrufen! Die Tür war
nur angelehnt, starr hielt sie vor einer selt-
samen Anordnung. Stühle waren verrückt, die
Decke des Rauchtisches fehlte, eine fast ge-
leerte Kognakflasche stand darauf, zwei be-
nutzte Gläser, kalter Zigarrenrauch schwebte
im Raum — als sie ihn verlassen hatte, war
alles in schönster Ordnung gewesen. Keinen
Zweifel gab es mehr. Einbruch! Sie waren
bestohlen worden! Jener Fremde mit dem un-
heimlich stechenden Blick hatte das Gespräch
erlauscht, ihre leichtsinnigen Angaben harten
ihm den genauen Weg gewiesen, sogar ge-
trunken und geraucht hatte der Kerl mit seinem
Komplicen, und die Decke wahrscheinlich zum
Einwickeln der geraubten Gegenstände benutzt!
Viel zu ängstlich, sich nach weiteren Verlusten
umzusehen, tastete sie sich zum Telephon.
Plötzlich setzte ihr Herzschlag aus — —
Vielleicht war der Verbrecher noch in der
Wohnung?!

Wie magnetisch angezogen, wandte sie sich
um, sah: Die Tür zum Schlafzimmer klaffte
auf, bewegte sich — von einem Luftzug aus
der Diele getroffen — oder???

bind da sah Frau Gubbe dicht neben der

Tür, vom Vorhang noch halb bedeckt, die
Spitzen von Männerschuhen!!

Frau Gubbe brach ohnmächtig zusammen.

Als Herr Gubbe wenig später nach Hause
kam, fand er seine Frau zwar nicht mehr be-
sinnungslos, doch gelähmt vor Angst hinter
dem Schreibtisch hocken. Sie legte den Finger
auf den Mund und wies beschwörend ins
Schlafzimmer. Der erschreckte Mann begriff
zunächst nichts. „Schlafzimmer", hauchte Frau
Gubbe, „gleich neben der Tür... um Gottes
willen, Vorsicht!"

Gubbe war beherzter Natur, energisch be-
trat er den Raum.

„Neben der Tür", sagte er, „stehen meine
Schuhe! Ich war vorhin mit Dr. Behling
hier oben und hatte das Pech, die halbe
Flasche Kognak zu verschütten! Tischdecke und
Schuhe patschnaß! Ich habe zwar gleich das
Putztuch aus dem Besenschrank geholt, aber
die Decke muß zum Reinigen, und andere
Schuhe mußte ich auch... möchtest du mir
nicht erklären, waö du da auf dem Boden ...?"

„lllnd den Kinderball?" unterbrach sie ihn
zitternd.

Gubbe lachte. „Den Hab ich dahin gebracht,
wohin er gehört — ins Kinderzimmer! Zum
Wegschmeißen erschien er mir doch noch zu
schade!"

Nie wieder hat Thea Gubbe ihrem Mann
so aus vollem Herzen recht gegeben.

Ru bey

„Eine wunderbare, gesunde Luft haben Sie hier. Man kann sich gar nicht vorstellen,
daß hier jemand stirbt“

„Na, auf hundert Autos kann man schon fünf Tote rechnen.“

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Register
Heinrich Rumpff: Der Einbruch
Rubey: Zeichnung ohne Titel
 
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