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„Alles dicht?"

„Alles dicht!"

„Hiev opp! Raus aus dem Froschteich!"
Und der Hai war an Bord. Wälzte und
schrammte den Schauplatz zu größter Ver-
wirrung.

Oie Ufte Operation, das Schwanzabhauen
mit der Schifftaxt, nahm der Segelmeister selbst
vor. Keine leichte Sache, er durfte weder der
Flosse noch der furchtbaren Batterie der Zähne
zu nahe kommen.

Erst als das dampfende Blut die Luft ver-
pestete, der Hai sich nicht mehr rührte, rutschte
der Koch vom Besanmast. Fiel trotz des fehlen-
den Beines persönlich den verstümmelten Feind
an. Vermöbelte ihn mit dem Küchenmesser.
Schlitzte mit geschicktem Schnitt den Bauch auf
— und die Sache war vorbei.

Aber Pütt gab sich noch nicht zufrieden,
legte den Magen bloß.

Alles drängte näher.

Einen Gegenstand nach dein andern zog er
aus der dunklen Höhle, wo sie bunt durchein-
anderlagen. Körbe, Strohbündel und Stücke

m o n a\ iL im

VON HANS LERCH

„Rein, nein, man findet nur
einen Ausdruck: empörend!" sagte
Frau Oberschlamminspektor Aal
und machte eine entrüstete Schlan-
genbewegung.

„So etwas müßte die Polizei
verbieten!" pflichtete ihr der etwas
kurzatmige Schilfrat Karausche
bei. —

„Ich schüttle nur den Kopf",
eief die dicke Frau Oberteichboden-
inspiziantin Schlammbeißer. „Der
Herr Ju ng fi sch v eri v e r t u n gsko m -
misfar Hecht hat eS mir gestern
erst wieder bestätigt... die jungen
Rbädchen von heute benehmen
sich einfach skandalös ..."

„Run, nun", brummte der
Schilfrat Karausche, „dieser Herr
Hecht soll ja ganz still sein, er-
zeigt recht großen Appetit nach
jungein Fleisch."

„Gleichgültig", unterbrach ihn
die Frau Oberschlamminspektor
Aal, die einen Jungfisch als Kost
auch nicht verschmähte, „das liegt
nun einmal so in den Hechten
darin. Doch wozu haben wir denn
unfern Teich von den Schädlingen
befreit, die Gelbrandkäfer auSge-
rottet, wenn inan so etlvaS noch
sieht. Paßt eS etiva in die neue
Zeit, ivenn eins von diesen Fräu-
leins Ellritze neulich bei hellichter
Sonne so hoch über den Wasser-
spiegel springt, daß nian bis zu
den Bauchftossen sehen kann ..."

von Tauwerk, die man vor Stunden und auch
Vortags über Bord geworfen hatte. „So'n ver-
fress neS Subjekt! bind dann, dann begann der
Küchenheld vom Skagerrak haltlos zu greinen,
aus Schwäche, aus körperlicher und feelischer
Rvt — er hatte sein Bein gefunden. Zerfetzt,
zermalmt, zersplittert! Stücklveise holte er die
ehremverte Kriegsprothese hervor.

Heulte ivie ein Kind. Unendliches Ent-
zücken.

„Wird alles wieder, Pütt!" tröstete der
Skipper. „Man gut, daß sich damals schon
der Brite das richtige holte!"

Aber — ade, gut Essen und Trinken! Mit-
tags litt die ganze Mannschaft an Verdauungs-
störungen. Ein Besenstiel erwies sich zu schwach,
denn Hein Pütt blieb Pütt — ein Tisch mußte
dran glauben. Der Segelmeister leimte daö
Bein zurecht.

„Der Eatan soll sich den Zahnstocher holen!"
Abends gabS Griespudding mit Himbeersaft.
Vom Skipper bis zum jüngsten Bums waren
alle bereit, mit ihrem Koch in die Hölle zu
fahren.

„Ach, ach, das ist noch gar
nichts", rief der Schilfrat Ka-
rausche eifrig, „Ich Hab gestern
sogar dort hinten im großen
Tausendblattwald beobachtet, wie
Fräulein Dora Schleierschwanz
— jawohl, die jüngste von den
Schleierschwanzens, die sonst doch
iirnner so hochnäsig und unnab-
bar tun, sich nicht entblödete,
vor dem aus dem Bach zuge-
schwommenen jungen Laichauf-
seher Forelle mit der ganzen
Schwanzflosse zu kokettieren . ..
mit der ganzen Schwanzflosse! —
bitte... Ein Skandal, wie er zu
meiner Zeit einfach — wenn auch
nicht unmöglich — so doch gerade-
zu unvorstellbar gewesen wäre...
Wozu trägt dann so ein junges
Ding ein schönes langes Kleid ...
Ist doch nur Spiegelfechterei, um
ihren Körper um so besser zu
zeigen ... Einfach schamlos..."

„Das ist noch gar nichts", ent-
rüstete sich die Frau Oberteich-
bi.x)eninspektor Schlammbeißer.
„Mich ließ in der letzten Rächt
der Helle Mondschein nicht recht
zur Ruhe kommen. Kurz, ich
schwamm aus meinem Schlamm-
winkel nur ein paar kleine Flossen-
schläge weit ins Freie ... Was
sehe ich? Selbst diese einfachen
Dinger wie die Töchter der Fa-
inilie Plötze steigen ganz nahe an
die Wasseroberfläche und machen
Sprünge, die sich einfach diese
Leute nicht leisten sollten .. . Übri-
gens Verwandtschaft von Ihnen,
Herr Schilfrat Karausche..."

Muddersprak

Von Müller-Grahlert

Kannst noch so vel lirn,

Studiern un hantiern,

Dine Muddersprak blivt doch dat Best.

bin heit dine Muddersprak Plattdütsch, min Kind,

Js Plattdütsch dat Best, lvat du hest.

Büst noch so hoch stellt,

Hest Gaut un hest Geld

bln Ordens un Titels so vel, —

Doch hest du vergeten din Muddersprak, Kind,
Büst ne arm un erbärmliche Seel.

De Tied geiht vörbi,
bln allens üm di,

Dat wendt sich un wesselt aS Wind, —
bln blotS dine Muddersprak ganz allein,

Dei wannelt sich niemals, min Kind.

Warst olt uck un grieS,

Ehre leiwliche Wies

Blivt ümmer un ewig sich gliek;

bln snurrig, je grieser un öller du büst,

Je seuter iS ehre Musik.

Ach, alls up de Welt
Dergeiht un verfällt, —

Dine Muddersprak blivt doch dat Best.

blnd heit dine Muddersprak Plattdütsch, min Kind,

IS Plattdütsch dat Best, wat du hest.

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Register
Martha Müller-Grählert: Muddersprak
Rubey: Illustration zum Text "Dem Koch sein Bein"
Hanns Lerch: Moralin
 
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