Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
an weiß nicht, wo sie sich befindet,
wüßte man das, verließen viele ihr
und kamen nie mehr dahin zurück.
Die Unterwelt ist bevölkert von Apachen,
Spionen, Meisterverbrechern, die Kon-
tinente Ln Bewegung setzen, Vampiren
lind Meisterdetektiven in Meisterverklei-
dung. Der Apache ist sehr jung, raucht
viel Zigaretten und tragt mit Vorliebe
ein schwarzseidenes Hemd. Er ist leicht
erregbaren Charakters. wegen der ge-
ringsten Rleinigkeit stößt er einem Mit-
menschen ein Messer in das Herz. Aber
wer täte das nicht gern; Besonders im
Dunkeln; Darin unterscheidet sich der
Apache nicht wesentlich von anderen Leu-
ten. Bei Tag ist er meist Gehilfe in einer
Fahrradreparaturwerkstatte. Bei Nacht
kann er nicht zu Hause bleiben.

hinsichtlich seiner Braut ist er sehr-
liberal, was altere zahlungsfähigere Jahr-
gänge betrifft, aber hinsichtlich jüngerer
Männer ist er von wilder Eifersucht.
Seine Bräute leben in steter Angst vor
ihm. Diese Bräute sind große Blut-
saugerinnen und führen entsprechende
Namen, gleichwohl sie im Geburtsregister
mit Maria Müller vermerkt sind. Eigent-
lich sind sie ungefährlich. Je älter sie wer-
den, umso mehr verfallen sie dem Laster
des Trunkes. Für ein Flasche Rognak
verraten sie die ganze Unterwelt. Aber
welche täte das nicht; Sie scheint eine
ganz gefühllose Alte zu sein. Nur wenn
man sie an ihre verlorene Tochter erin-
nert, vergießt sie Tränen.

Der Spion, das ist der Rätsellöser der
Unterwelt. Er sitzt meist still vor sich hin
in einer Ecke, sieht aus, als ob er nichts
täte, sein Hirn arbeitet aber fieberhaft
an einer kriminellen Lösung. Er tut so,
als ob er schwer betrunken wäre, ist's aber
nicht ein bißchen. Zuweilen kriegt er was
raus. Zuweilen was auf den Ropf, näm-
lich dann, wenn man ihn als Spion
erkennt. Aber seinem starken Hirn schadet
das nichts.

Des weiteren besitzt die Unterwelt
einen Helden. Man erkennt -ihn leicht an
)einer Verkleidung: es ist der Meister-
detektiv. Ein betrunkener Matrose, dem
Gott und die Welt egal ist, das zum Bei-
spiel ist der Held. Oder ein steinalter
Mann mit einem weißen Bart herunter,
bas ist der Held. Er kann jeden Augen-

blick wieder sein feuriges Auge haben und
den Bart abnehmen und da ist er. Er ist
geradezu lächerlich stark. Biegt die stärk-
sten Eisenstangen. Entledigt sich der
kompliziertesten Fesseln.

Seine Aufgabe in der Unterwelt ist,
nach der Heldin auszuschauen, sie zu
schützen und sie zu retten. Diese Heldin
ist an ihrer außerordentlichen Unschuld
erkennbar. Sie weiß nichts, Nicht ein-
mal, daß die Summe der zwei Seiten
eines Dreiecks größer ist als die dritte
Seite. Schwer zu sagen, was sie in der
Geschichte tut. Meist geht sie von zu

Hause harmlos weg und in die Geschichte
hinein und da ist sie dann drin. Und die
Geschichte geht dann so aus: Der Spion
in der stillen Ecke, bei dem alle kriminellen
Fäden zusammenlaufen, hat den Meister-
verbrecher entdeckt. Der Meisterdetektiv
kommt in diesem Augenblick dazu mit den
Handschellen. Er hat geradezu noch Zeit
gehabt, die Heldin von einem Lose zu
retten, das schecklicher ist als der Tod.
Das Apachenmädchen wird von ihrer
Mutter, der alten Trunkenboldin, wieder-
erkannt. Das gibt ihr einen so starken
Schock im Gefühl, daß das Mädchen die
Unterwelt verläßt und in der Oberwelt
einen Schönheitssalon eröffnet. Der Held
verzichtet zugunsten des Spions auf die
Heldin, die dieser schüchtern und von fern
geliebt hat, wie sie ihn. Der Meister-
detektiv verzichtet, denn sein heim ist die
Unterwelt, sein Leben sind weitere Aben-
teuer.

Badende FranzDolI
Register
Franz Doll: Badende
Rudolf T. Spitz: In der Unterwelt
 
Annotationen