Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 43.1938, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6780#0077
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
F o x t r o 11

Heinrich K 1 c y

„Aber? Sie fanden es etwas formlos,
daß ich Sie einfach bat, hierher zu kom-
men? Gnädige Frau, gibt es eine ent-
zückendere Ruliffe für das Glück als die
adriablaue und myrtgrüne dieser Meeres-
stadt?" Er küßt ihre Hand. „Ihre Haare
sind noch viel schöner und Ihre Züge noch
viel aparter als auf dem Bilde."

Sie sitzt neben ihm im Auto, das sie
zum kleinen Stadthafen führt. Dort liegt
fein Motorboot. Sie fahren zur Insel
Lacroma, der schwermütigsten Insel der
Adria.

„warum haben Sie mir per du tele-
grafiert?", fragt Lotte-Lore, wahrend das
Motorboot dem hohen, düstern Inselberg
zurauscht.

„Sagt man jemand, den man liebt, sie?"

Lotte-Lore lächelt übers Meer hin.
„Dur", flüstert er. „Sag auch du!"

Bedenken bedrängen sie: Es ist doch nur
ein Abenteuer — was denkt er eigentlich
von mir — das Ganze ist zu originell,
um seriös zu fein.

Als hatte er ihre Gedanken erraten,
sagt er: „Muß man sich erst monatelang
kennen und gründlich miteinander gelang-
weilt haben, um einander zu lieben? Ich
glaube an die Liebe auf den ersten Blick.
Die Liebe, die erst auf den zweiten oder
dritten Blick kommt, ist ein hinkendes
Glück."

Lotte-Lore muß lachen. Er beugt sich
zu ihr und küßt den lachenden Mund, der
nicht widerstrebt. —

Es ist ein Traum, umfaumt von
blauem Fimmel, blauem Meer. Bei ihr
vielleicht auch von blauen Illusionen.

„Du bist ein Rind, Lotte-Lore, kleine
Witwe, ein großes Rind! Bis Ragufa
hast du ja nicht gewußt, was Leben, was
Glück heißt. Zeig deine Rinderstirn!" Er
streicht ihr das braune geringelte Haar
fort und küßt andächtig diese ungefurchte
junge Samtstirn. „Du hast noch immer
Angst, daß ich ein Verbrecher bin, Spion,
Defraudant, Rauschgiftschmuggler, was
weiß ich. Setze dich einmal hin und
schreibe expreß an große Auskunfteien in
Wien, Paris, London. Du wirst hören,
daß ich ziemlich viel Geld habe, an sieben
oder acht Industrien beteiligt bin, dreimal
geschieden, zweimal verlobt war. Daß ich
nicht glücklich war, steht nicht in den Aus-
künften. Jetzt bin ich glücklich, willst du
noch mehr wissen? warum ich mich drei-
mal scheiden ließ? Zwei waren untreu, die
dritte war treu, aber langweilig. Und
die zwei Braute hatten ähnliche Fehler.
Aber du bist süß."

„wirst du das in ein paar Monaten
auch noch behaupten?"

„Du lauerst ja, kleine Lotte-Lore! wer
denkt an die nächste Zeit? wenn du willst,
kann ich dich aber auch heiraten."

„Die Art, in der du diesen Antrag vor-
bringst, hat fatale Ähnlichkeit mit einer
Beleidigung. Du hast ein Abenteuer ge-
sucht, mein Lieber!"

„Aber Liebling!"

Aber Liebling! ist ein Argument ohne
Hände und Füße, das alle Männer in
schwierigen seelischen Situationen Frauen
gegenüber mit wechselndem Erfolg an-
wenden. Ein gut gezielter Ruß vertritt
manchmal dieses unzulängliche Argument.
Beide haben die vorübergehende Wirkung
einer Lokalanästhesie.

An diesem Abend wartet Lotte-Lore in
der Hotelhalle auf Heinrich. Er kommt
nicht. Sie wird ungeduldig, läßt in seinem
Zimmer Nachfragen. Er ist nicht oben. Sic
fährt in ihr eigenes Zimmer hinauf. Dort
liegt ein Brief:

„Liebling, ich danke Dir. Und nun muß
ich fort. Gestatte eine kleine Aufklärung:
Ich sah Dein Bild in der Zeitschrift, ver-
liebte mich und dachte, vielleicht wird sie
meine Frau. Ich beschloß, Deine Tugend-
haftigkeit auszuprobieren. Ich bin alt-
modisch, daran ist nichts zu ändern,
hättest Du meinen Antrag, nach Ragufa
zu kommen, nicht angenommen, wärest Du
also unerbittlich gewesen, ich wäre nach
Wien gekommen und hätte bald in aller
Form um Dich angehalten. Du bist
aber nach Ragusa gekommen, hast Dich
ziemlich bedenkenlos ins Abenteuer ge-
stürzt. Ich danke Dir dafür, Liebling,
denn es war schön, es war das innigste
Erlebnis, das ich hatte. Doch — hättest
Du es nicht getan, ich hätte mich fürs
Leben an Dich gebunden. Verzeih.

Leb wohl. Heinrich."

73
Register
Heinrich Kley: Foxtrott
 
Annotationen