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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 43.1938, (Nr. 1-52)

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Nr. 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.6780#0107
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weitcrgefahren. Ich wollte dich noch
einmal sehen, — bei dir sein. Aber ich
kam zu spat — dein Schiss lag schon im
Hafen. Da bin ich weinend sortgegan-
gen und habe in dunkler Nacht nach dir
gesucht-"

Hansen nahm die Spur auf; er suchte,
forschte — vergebens.

*

Erschüttert stand Hansen vor der Loten,
tltir sein Blick wanderte ruhelos um das
bleiche Gesicht und das blonde Haar, wer
war diese Frau, die er zwei Jahre mit
Oualen gesucht-

Eine Handtasche zu Füßen der Loten
barg Führerschein, ein kleines schwarzes
Merkbuch, Briefe und was eine Dame
alles so mit sich tragt.

Der Führerschein: Frau Herta Linde-
mann aus D.

Das Merkbuch: Hansen blätterte
allerpersönlichste Randbemerkungen im
Alltag.

Ein Brief — — —:

„Mein geliebtes Rind:

-und nun bist du frei, schuld-
los frei geworden, und der weg zu dem
geliebten Manne steht dir offen. Die
Mutter fühlt, wie du gelitten hast, diesem
Menschen ferne bleiben zu müssen, deine
Spur zu verwischen. Und H. ist noch

frei. Ob er fühlt, daß nun du ihn
suchsty Er ist ein begehrter Arzt; seine
Harne gilt in B. sehr viel. — Ich
erwarte dich sehnlichst; alle Lichter will
ich anbrennen, dich zu empfangen, llnd
dann will ich mit dir zu seinem Hause
geben, durch dessen Lor du schreiten
sollst zum Glück, zum großen Glücke
deines Lebens — — —"

Eine Stunde spater stand Hansen vor
einer Mutter, die auf ihr Rind wartete.
Glocken lauteten den Abend ein. Sie
klagten um die Lote.

Wir sahen Rosen glühen,
Wir sahen Myrthen blühen
Und Lorbeerhecken stehn,
Cypressen düster schwiegen
Und um Ruinen biegen
Glyzinen sich im Wehn.

Der blauen Meere Wallen
Es hat uns wohl gef edlen.
Wir haben s gern ge sehn.

Ein Reis vom Tannenbaume
Im deutschen Waldcsraumc
Ist tausendmal so schön!

Der ersehnte Drden

26ährend einer Gastspielreise kam der
berühmte Schauspieler Lewinski auch an
das kleine Hoftheater zu Altenburg, wo
er ausgezeichnet gefallen hatte und von:
Fürsten mündlich sehr belobt wurde. Ob-
wohl er schon über z Lage dort verweilte,
stellte sich jedoch der ersehnte Orden nicht
ein. Nachdem alles warten vergeblich war,
beschloß er auch ohne die erhoffte Aus-
zeichnung fortzufahren. Am weg zum
Bahnhof mußte er vor dem Schlosse vor-
überfahren auf dessen Balkon zufällig der
Fürst mit seinem Hofmarschall verweilte.
Als der Fürst die verdrossene Miene des
Mimen sah, fragte er seinen Adlatus, was
wohl der Lewinski habe. Dieser lächelte
verschmitzt und wies nach dem Rnopfloch.
„Ach so", lachte Serenissimus, „laufen
Sie geschwind hinein und holen Sie den
Orden!" Der Adjutant lief eilig in das
Zimmer und kam gerade noch zurecht als
der langsam fahrende wagen gerade beim
Balkon vorbeifuhr. Der Fürst nahm das
Papierpäckchen und warf es Lewinski mit
den Worten zu: „Zur Erinnerung an Ihr
Altenburger Gastspiel und auf Wieder-
sehn:" Der verwirrte Schauspieler öffnete
sofort das Päckchen und rief zurück:
„Durchlaucht, das sind ja zwei Orden!"
„Macht nichts, geben Sie den anderen dem
Rutscher;", winkte ihm der Fürst zu.

A 11‘ o n s G ]• a b e r . Wie n

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Index
Alfons Graber: Bildreproduktion ohne Bezeichnung
[nicht signierter Beitrag]: Dennoch!
[nicht signierter Beitrag]: Der ersehnte Orden
 
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