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garcilaso de la vega

Kaiser, der ihm gelegentlich ein strenger Gebieter gewesen war, verriet
da, wie sehr er ihn ins Herz geschlossen hatte. Außer sich vor Schmerz
und Zorn, befahl er — ein achilleisches Totenopfer — die feindliche Be-
satzung an den Zinnen aufzuknüpfen. Garcilaso wurde nach Nizza gebracht;
er starb nach wenigen Tagen. Bei seinem Tode war auch der Marques
von Lombay, Francisco de Borja, zugegen; dieser Eindruck soll ihn auf
den Gedanken der Weltentsagung gebracht haben, den er zwei Jahre später,
erschüttert durch den Anblick der Leiche der Kaiserin Isabel von Portugal,
die er nach Granada überführen sollte, wirklich ausführte: er ist der dritte
General des Jesuitenordens. Die Leiche Garcilaso's wurde in S. Domenico
zu Nizza beigesetzt, und dann nach Toledo übergeführt. Er hinterließ
einen gleichnamigen Sohn, der zwanzig Jahre später bei der blutigen Er-
stürmung von Vulpiano durch Brissac fiel. Ein zweiter Sohn trat in
den Predigerorden, Fray Domingo de Guzman; die Tochter Sancha ver-
mählte sich mit einem Puertocarrero.

So war hier eine Zukunft vernichtet worden, von der es Garcilaso nur
vergönnt gewesen war, Verheißungen zu geben. Von dem so früh ihm
erölFneten Pfad zu den hohen Zielen des Ehrgeizes war er plötzlich in die
hohle Tiefe des Grabes geglitten, fern vom Vaterlande und den Seinen.
Auch die peinlichen Nebenumstände dieses Todes ließen ihn den Zeugen
wie einen grausig sinnlosen Zufall erscheinen. Obwohl der junge Mann
mitten im Sonnenschein der Jugend und des Glückes den vorausgeworfenen
kalten Schatten wohl gefühlt hat. Er und seine jugendlichen Thaten wären
längst vergessen ohne das Heftchen Verse, die sich im Nachlasse seines
Freundes Boscan fanden und von dessen Wittwe als viertes Buch der
Dichtungen ihres Mannes im Jahre 1543 zu Barcelona herausgegeben
wurden. Sein Ruhmestitel ist, daß er den petrarchischen Formen, oder, wie
die Spanier sagen, dem verso largo in der castilischen Sprache mit einer
alle Zeitgenossen verdunkelnden Eleganz Bürgerrecht verschafft hat. Vielen
mag es wunderlich erscheinen, daß der Name des kühnen Ritters, voll-
endeten Hofcavaliers und angehenden Diplomaten nur als Verfasser von
nachgeahmten Schäfergedichten und Liebesklagen unsterblich geworden ist.
Aber diese Contrasterscheinung ist nichts Lngewöhnliches; sie kommt
im Leben großer Kriegsmänner vor. Wir haben uns seit Goethe gewöhnt,
die Dichtung als Ausdruck des Menschen und seiner Erlebnisse zu be-
greifen; aber zuweilen war sie ein Asyl zur Rettung aus dem, was die
Geschichte als ihren Lebensinhalt erzählt. Das Auge, das auf dem Blute
der Schlachtfelder verweilt hat, war durstig nach der grünen Complementär-
farbe arkadischer Haine.

Niemand wird heute Garcilaso's Urteil beistimmen, daß «bis dahin
nichts in spanischer Sprache geschrieben sei, was nicht recht wohl zu ver-

las Campanas de Carlo v, por martin
Garcia Cerezeda, in den Bibliöfilos es-

panoles. Madrid 1874, II, 196. W. I. knapp
in der Vorrede zu seinem Boscan, XXII.
 
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