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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0183
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1. Tracht und Schmuck der Männer 175

genug: auch auf Kreta gibt es grimmig kalte Win-
tertage, zumal an der windgepeitschten Nordküste
und im Gebirge. Dagegen erklärt sich jener Gegen-
satz ungezwungen aus der von uns angenommenen
verschiedenen Herkunft der mykenischen und kre-
tischen Herrenschicht: diese stammt offenbar aus
südlichen Landstrichen, in jener erkennen wir
Nachkommen der frühesten uns bekannten, aus dem
Norden eingewanderten Griechen (unten Kap. 16).

Freilich muß betont werden, daß für die
Schachtgräber selbst jene Männertracht nur aus den
erwähnten Nadeln erschlossen wird. Wo dagegen
auf Kunstwerken aus diesen Grüften Männer dar-
gestellt sind, tragen sie entweder den gewöhnlichen
minoischen Schurz oder, viel häufiger, eine Art kur-
zer Hose, die auf Kreta selten, aber immerhin sicher
belegt ist1). Die Führer der Verteidiger auf dem
Silberrhyton mit der Stadtbelagerung (Nr. 481,
Taf. CXXII, hier Abb. 83—85) ~) tragen wohl kurze
Mäntel, aber sie dürften Barbaren sein und kommen
daher hier ebensowenig in Betracht, wie ihre nack- Abb 84

ten Truppen. Denn Nacktheit ist im minoisch-myke- Silberrhyton Nr. 481.

nischen Bereiche so gut wie unerhört, und wenn sie

auf unseren Grabstelen aufzutreten scheint, liegt das gewiß nur an den beschränk-
ten Ausdrucksmitteln dieser Reliefs, die nach ihrer rauhen Oberfläche auch nicht
etwa ehemals aufgemalte Gewandangaben getragen haben können.

Auf den oben erwähnten, sorgfältig ausgeführten Bildern ist über dem Schurz
ein dicker, oft profilierter Gürtel angegeben, den wir uns, nach den Fresken von
Knossos, wenigstens bei vornehmen Leuten aus Edelmetall gefertigt zu denken
haben. Die Fürsten des goldreichen Mykenai hätten es sicher auch nicht an sol-
chen fehlen lassen, wenn der Gürtel ein Bestandteil ihrer Tracht gewesen wäre.
Daß er in den Schachtgräbern nicht vorkommt, ist also ein neuer Fingerzeig für
festländische Chitone oder Mäntel, die des Gürtels entbehrten, wie die späteren
Fresken von Mykenai und Tiryns lehren (Rodenwaldt, a.a.O.). Jedoch darf nicht
verschwiegen werden, daß es sich bei alledem nicht um eine sichere Beweisfüh-
rung handeln kann, ehe wir Darstellungen solcher festländischen Tracht aus der
Zeit der Schacht"räber finden.

') Nr. 33, 35, 116, 241 Taf. XXIV, Abb. 14. 86f. S. 177. Nr. 394, Taf. XCIV, Abb. 27. Nr. 605 Taf. CXXIXff.
Vgl. Kurt Müller, Arch. Jahrb. XXX 1915, 263, 319; der von ihm als kurzer Ärmel gedeutete Gegenstand auf Nr. 605a
ist ein dreifach gerieftes Oberarmband; vgl. den trichtertragenden Jüngling, am besten jetzt bei Evans II 707 Taf.XII.

"') Nach den vom Verlage de Gruyter freundlichst geliehenen Druckstöcken zu Arch. Anz. 1929, 470 ff., Abb. 1_3.

Zeichnungen von E. Gillieron d. J. Vgl. jetzt Evans III 90 ff. Abb. 50 ff.

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