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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0206
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198 III. Ergebnisse

altertümlicher Zug, der in den Schachtgräbern nur an dem „Dolchstab" Nr. 928
wiederkehrt, aus Kreta dagegen nicht bezeugt ist. Evans hat treffend den nordi-
schen Charakter solcher Nagelköpfe betont (II 173, unten S. 318). Nr. 217 hat
keine Griffzunge; bei 927 ist sie erhalten, desgleichen der einfache, aber für die
haltende Hand sehr praktisch gestaltete, wiederum an Petsofä gemahnende, elfen-
beinerne Griff mit einem kleinen Griffnagel, während von der Verkleidung des
Hefts keine Spur übrig ist. — Typus a tritt in den Schachtgräbern zum ersten und
letzten Male auf, er verschwindet in späteren Zeiten völlig.

b) Nr. 928, Taf. XCV. Diese große, einst wie eine Hellebarde in einen Schaft
eingesetzte Klinge steht im ägäischen Bereich bisher völlig vereinzelt da, während
sich zahlreiche Parallelen in Ungarn und im Westen, von Spanien und Oberitalien
bis nach Irland und Skandinavien hinauf, feststellen lassen. Nachdem Hubert
Schmidt zuerst auf die Bedeutung dieses „Dolchstabes" hingewiesen hatte (Prähist.
Zeitschrift IV 1912, 35), ist Evans in größerem Zusammenhange darauf eingegan-
gen (II 170 ff.; Shaft Graves 40 f.). Die ältesten iberischen und ungarischen Bei-
spiele haben noch keine Mittelrippen und bloß drei Heftnägel, während auf den
Felszeichnungen des Col di Tenda bisweilen deren fünf, wie an unserem Exem-
plar, erscheinen. Dieses ist für die Datierung der westlichen Funde von größtem
Wert und zugleich mit den Bernsteinperlen der Schachtgräber das sicherste Zeug-
nis für frühe Handelsbeziehungen des griechischen Festlandes mit Nord- und West-
europa; bis nach Kreta scheint indessen dieser Handel nicht gedrungen zu sein; den
minoischen Herren gefielen wohl solche Barbarenprodukte nicht (s. unten S. 318).

c) Nr. 294, Taf. LXXXVII, LXXXVIII. Nr. 397, Taf. XC. Taf. XCVIII, ohne
Nr. Nr. 737, Abb. 57 (oben S. 140). Die lange, schmale, spitz blattförmige, flache
Klinge mit ihren fast geraden Schneiden und dem einfach gerundeten oberen Ab-
schluß, der drei goldplattierte Nägel, aber keine Griffzunge trägt, stellt sich als
organische Fortbildung und Vollendung des Typus b von Hagia Triada (oben
Abb. 89) dar. Nr. 737 trägt sogar einen etwas altertümlicheren Charakter: unge-
wöhnlich weit gestellte kleine Heftnägel, lorbeerblattähnliche Linienführung der
Schneiden. Die beiden auf Taf. XC und XCVIII abgebildeten Stücke sind kostbare
Waffen gewesen, wie die Reste der elfenbeinernen, mit feinen Goldstiften und
-Stegen gemusterten Heftverkleidung beweisen. Nr. 294 vollends ist ein wahrhaft
königliches Prunkstück, das im minoisch-mykenischen Kreise einzig dasteht. Die
Klinge trägt ganz flache, breite Mittelrippen, das Heft ist in Gestalt zweier stark
stilisierter Adlerprotomen gebildet, deren Schnäbel die Klinge haltend gedacht
sind, der Griff mit Sternblüten geschmückt. Die feine, kunstvolle Technik mit
ihren Einlagen aus Lapislazuli und Bergkristall (Einzelbeschreibung oben S. 82)
ist im ägäischen Bereiche sonst nicht belegt, findet aber um so reichere Parallelen

die durch Löcher in Klinge, Griffzunge und Heft gesteckt und an beiden Enden breit gehämmert wurden. Die goldenen
(viel seltener silbernen) Nagelköpfe bestehen fast immer aus glatten, ziemlich starken, runden Plättchen, die festge-
schmiedet zu sein scheinen. Vgl. Taf. XCIX.
 
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