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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0261
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9. Die Tongefäße

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Schachtgräber im wesentlichen erst nach dem Ablauf des Mittelhelladischen an-
zusetzen sind, wenn auch einzelne ihrer Vasen sich eben noch mit jener Zeit be-
rühren mögen. Dazu rechne ich nicht die einheimischen, mattbemalten wie 158,
CLXVI. 198, CLXVIII. 222, CLXX oder die von Minyschem unmittelbar abhängi-
gen wie 949. 955, CLXXIV f. (denn wir können nicht genau sagen, wie spät solche
Gefäße noch gemacht wurden), eher die Schnabelkannen 946 ff. und die von die-
sen untrennbare „Amphora" 948, CLXXIV; denn ähnliche, wenn auch keineswegs
genau entsprechende Gefäße sind in den Temple Repositories von Knossos gefun-
den worden und dadurch in MM. III datiert (Evans I 550 ff. Abb. 404 f.; vgl. BSA.
IX 50 Abb. 26).

Anderseits können wir auch eine untere Grenze festlegen. Es fehlt in den
Schachtgräbern alles Reif- oder gar Jungmykenische1), es fehlen sogar Formen wie
die Bügelkanne oder der geradwandige Becher, die auf Kreta im XVI. Jahrhun-
dert zwar schon vorkommen, aber noch selten sind. Überhaupt tritt, mit Ausnahme
der geschlossenen Gruppe 190—197, CLXVII, die Firnisware nur vereinzelt auf,
als hätte sie sich noch nicht recht eingebürgert. So ergeben sich enge zeitliche Gren-
zen für die Keramik unserer Grüfte, und damit für diese selbst.

Freilich bedingen mehrere Bestattungen innerhalb derselben Gruft eine ge-
wisse Zeitspanne, die wir indessen auch nicht annähernd genau abschätzen können,
wo es sich, wie bei 200, CLXXIV. 858, CLXXII. 941 ff., CLXXIII, um seltene
Sondergattungen handelt. Sichere Anhaltspunkte gewähren uns vor allem echt
minoische Gefäße und deren Nachahmungen. Von diesen wird daher auszugehen
sein2).

Es besteht vollkommene Einstimmigkeit darüber, daß das Rhyton 221, CLXX
echt minoisch, aller Wahrscheinlichkeit nach ostkretisch ist. Genaue Gegenstücke
finden sich z. B. in Gurnia, Palaikastro u. a.3). Evans setzt sie jetzt in den Anfang
des Neuen Reiches, um 1570 v. Chr. an (SM. Ia). Da unser Rhyton aus Grab II
stammt, das nur einen Toten barg, sind dadurch auch dessen übrige Tongefäße
datiert: der ebenfalls kretische Fayencetopf 223, CLXX, zu dem ich allerdings im
Museum von Candia nichts wirklich Entsprechendes finden konnte1), der matt-
bemalte, normal argolische Krug 222, CLXX und die merkwürdige, kugelige
Schnabelkanne 200, CLXXIV, die sich von denen des VI. Grabes ebenso durch
ihren ziegelroten, groben Ton unterscheidet, wie durch das überaus sauber und ge-
nau gezeichnete doppelte Spiralband auf der Schulter (dazu unten S. 279). An sich

') Die Idole 204/5, CL gehören offenbar nicht zu den Beigaben von Grab I, sondern stammen aus dem später
hineingerutschten Schutte. Das Fehlen von Idolen ist gerade bezeichnend sowohl für die Schachtgräber wie für die
älteren Kuppel- und Kammergräber.

2) Ich habe das Glück gehabt, teils vor Jahren, teils jüngst diese Fragen vor den Originalen mit den genauesten
Kennern des Minoischen, Sir Arthur Evans und D. Maekenzie, wie des Mykenischen, C. Biegen, K. Müller, A.J.B. Wace,
eingehend zu erörtern.

a) Boyd-Hawes, Gournia Taf. VII 38 f.; Maraghiannis, Ant. cret. I 39.

4) Recht ähnlich ist der steinerne Topf bei Evans II 75 Abb. 34.

Karo, Schachtgräber
 
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