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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0262
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254

III. Ergebnisse

möchte man dieses singulare Gefäß für älter halten als das minoische Rhyton, aber
dessen Beweiskraft ist die stärkere.

Nun lag aber in Grab II auch der kleine Goldbecher 220, CLXX, der derselben
Werkstatt entstammen wird wie 912, S. 161 Abb. 78 aus dem VI. Grabe. In diesem
finden wir die oben erwähnten Schnabelkannen, die einerseits zu den Temple Re-
positories führen, anderseits in der Form (aber keineswegs in der Technik!) mit
200 übereinstimmen. Der Gruppe 941. 943. 944. 954, CLXXIII gemeinsam sind
der grellrote, geglättete Ton, die saubere Linienführung der mattschwarzen und
weinroten, eigenartigen Muster (oben S. 163 ff.). Die kleinen Gefäße, vor allem 943
und 954, sind sehr fein, dünnwandig, auf der Scheibe hergestellt. Die eleganten
Formen dieser beiden weichen völlig von der altertümlichen Plumpheit der Schna-
belkanne und auch des Askos 944 ab1); sie erinnern auf den ersten Blick lebhaft an
minoische Becher. Zu 954 gibt es denn auch Gegenstücke2), nicht aber zu 9433);
wenigstens habe ich in den überreichen Beständen des Museums von Candia keine
gesehen. Diese merkwürdige Vasengruppe hat offenbar minoischen Einfluß er-
fahren, ist jedoch gewiß nicht auf Kreta hergestellt worden — ebensowenig
übrigens auf Kypros, an dessen rote Keramik sie in der Technik, aber nicht in den
Mustern, erinnert. Ihre Herkunft bleibt vorläufig völlig unbekannt; dagegen darf
man die Schnabelkannen 946. 947. 950—952 und die „Amphora" 948, CLXXIV,
der sich aus dem IV. Grabe 590/1, CLXXI gesellen, vielleicht einer der Kykladen
zuweisen, wenn auch nicht Thera oder Melos, deren nahe verwandte Gefäße aus
anderem Ton bestehen4). Vgl. aber unten S. 320.

Nach dem Vorangegangenen kann man schwanken, welche der erwähnten
Vasen des VI. Grabes der ersten, welche der zweiten Bestattung angehören (vgl.
oben S. 233). Keinesfalls aber wird ein größerer zeitlicher Zwischenraum die
beiden trennen. Das beweisen auch die wichtigen minoisch-mykenischen Gefäße
dieser Gruft, die nach meiner von den erwähnten Gewährsmännern geteilten Über-
zeugung nicht kretischer Herkunft, sondern Nachahmungen echt minoischer Vor-
bilder sind. Die kleine Amphora 956, CLXXV, ist nicht einmal eine gute Nach-
ahmung; kein echtes Exemplar dieser im MM. III beliebten Form hat auch nur an-
nähernd so plumpe Proportionen5). Man glaubt ein Stück aus den Anfängen minoi-
schen Einflusses zu sehen und wird darin durch die Verwendung von Rot und
Weiß im Ornament bestärkt: nur die frühesten SM. I Gefäße zeigen noch rote
Einzelheiten. Unsere Vase gehört demnach zu den ältesten der Schachtgräber und

*) Vgl. freilich zu diesem Excav. at Phylakopi 136 Abb. 109.

2) Vgl. z. B. Evans I 596 Taf. 7. II 371 Abb. 206d; Palaikastro Excav. 93 Abb. 77; R. Seager, Pachyammos Taf. 2.

3) Indessen ist auch hier im gesamten Rhythmus der Form minoischer Einfluß unverkennbar, ja sogar stärker
fühlbar als bei der minderwertigen Amphora 956, die doch eine Nachbildung minoischer Vorbilder ist.

*) Jedoch kommen auf Melos auch Schnabelkannen der gleichen Herkunft wie die unseren vor: Phylakopi,
Nat. Mus. Nr. 5780, unveröffentlicht. Zu den Tierdarstellungen unten S. 303. 305; Evans 1 559 Abb. 4 06 B stammt nicht
aus unserem Grabe.

5) Vgl. z. B. Evans I 557 Abb. 404 g. 596 Taf. 7. II 204 Abb. 176; Maraghiannis, Ant. cret. I 13. II 47.
 
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