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Adamy, Rudolf
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Oberhessen: Kreis Friedberg — Darmstadt, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.18723#0138
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FRIEDBERG

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offenen Doppelkranz aus behauenen Sandsteinen und durch diesen tief hinunter in
einen Brunnen sieht, zu dessen Wasserspiegel an den Flächen der vierseitigen
Ummauerung Treppen hinabführen. In das Innere dieses Brunnens steigt man
über mehrere Stufen durch eine Art Kellerhals hinab, der mit einer Wendung zur
Rechten vor eine Thüröffnung führt, die ein mit Birnstab und Kehle prohlirtes
Gewände mit einem sechszackigen Spitzbogen hat, dessen obere beide Zacken
jedoch dem Sturze nur aufgemeisselt sind. Durch dieses Portal kommen wir auf
das obernte Podest der Treppenanlage, von dem aus man auf 3 je von einer
Mauer zur andern auf das hier befindliche Podest führenden Steintreppen von je
11 Stufen hinabsteigt. Diese Treppen liegen vor den aus behauenen Steinen er-
bauten Mauern in Nischen, die mit einschenkligen Bogen überdeckt sind, welche
über den Podesten auf Säulen und Konsolen ruhen. Die sechste, unterste Treppe
steht bereits theitweise unter Wasser, bald weniger, bald mehr, je nachdem das
Wasser fällt oder steigt. Die Mauern zwischen den einzelnen Treppen haben
spitzbogige Nischen. Sowohl diese wie die Säulen und Konsolen lassen keinen
Zweifel darüber aufkommen, dass wir es hier mit einem Bauwerk zu thun haben,
welches noch dem Kreise der frühgothischen Kunst angehört. Denn die aus Sand-
stein hergestellten Rundsäulen haben zum grössten Theil mit Laubwerk verzierte
Kelchkapitäle und Platten, deren Profile sich aus der scharfen gothischen Schräge
und noch romanisch geschnittenen Hohlkehlen und Wülsten zusammensetzen (Fig. 60).
Die Basen bestehen aus dem umgekehrten Würfelkapitäle und zwei flachen Wülsten
(Tellerbasen). Die Errichtung dieses Bauwerkes dürfte in die Zeit der ersten Bauperiode
der Liebfrauen- oder Stadtkirche fallen. Urkundlich wird es zuerst 1330 erwähnt,
als Ulrich von Hanau »die Judenschule, Judenbad, alle Judenhäuser und Hobestede
zu Friedberg den Bürgemeistern, Scheffen und Rad und gemeiner Stadt zu Friedberg
um eine genannte Summe Geldes verkaufte.«*)
Die Bestimmung dieses annähernd 23,30m tiefen und 3,3 m im Lichten
breiten, im Grundriss quadratförmigen, brunnenartigen Bauwerkes ist nicht mehr
zweifelhaft: es diente als Frauenbad rituellen Zwecken, so wenig geeignet es
wegen der Kälte seines Wassers und seiner Luft hierzu erscheinen mag. Dieser
Umstand erklärt auch die künstlerische Ausstattung, welche man dem eigenthüm-
lichen Bauwerke zu geben für nöthig erachtete. An einigen Stellen finden sich
im Innern hebräische Inschriften.
Die Wiederherstellung und Erhaltung dieses interessanten Bauwerkes ist da-
durch gesichert, dass die jüdische Gemeinde in Friedberg es aus Privatbesitz,
in den es gelangt war, wieder erworben hat.

PROFANGEBÄUDE
Das liegt in der seit der Anwesenheit des deutschen Kaisers Wil-
helm in Friedberg 1874 sogenannten Kaiserstrasse, welche vom südlichen oder
vorderen Burgthore aus in gerader Linie und in auffallender Breite die Stadt von
 
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