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Keller, Harald [Hrsg.]
Der Engelspfeiler im Straßburger Münster — Der Kunstbrief, Band 10: Berlin: Verlag Gebr. Mann, 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.61248#0042
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heilig, heilig der Herr, der Gott der Scharen!“ zurufen,
so daß von dem ungeheuren Ruf die Grundfesten des
Heiligtums erbeben (Jesaias 6,1-4) ... Im Neuen Testa-
ment mildert sich die Furchtbarkeit - manchmal möchte
man fast sagen Wildheit — der Engelwesen. Wenn aber
der Erzengel Gabriel vor Zacharias an der Seite des
Räucheraltars erscheint (Lukas 1,11-13) oder bei Maria
eintritt (1,26-38); wenn ein Engel vor den Hirten auf
dem Felde steht und des „Herrn Herrlichkeit sie um-
leuchet“ (2,9); wenn er am Ostermorgen mit blitz-
flammendem Angesicht das Grab öffnet und den Frauen
erscheint (Matthäus28,2-5), dann lautet sein erstes Wort
immer: „Fürchte dich nicht!“ Der Mensch kann den An-
blick des hohen Boten nicht ertragen, und erst dessen
Wort gibt ihm die Kraft ... Ganz ins Übergewaltige stei-
gen wieder die Engelsgestalten der Apokalypse. Sie sind
von Maßen, die sie zu Weltwesen machen. Vor das ver-
siegelte Buch tritt „ein gewaltiger Engel, der mit mäch-
tiger Stimme verkündet“ (5,2). Vier andere an den Enden
der Erde bändigen die Winde (7,1). Sieben stehen vor
Gott mit goldenen Posaunen, und deren Stoß bringt un-
endliche Schrecken auf die Welt (8, 2 ff.). Einer tritt mit
goldenem Weihrauchgefäß vor den Altar, füllt es mit
Eeuer und schleudert es auf die Erde (8,5). Bis zu dem
gewaltigsten, der „vom Himmel kommt, angetan mit einer
Wolke, den Regenbogen um das Haupt, das Angesicht
wie die Sonne, seine Füße wie Feuersäulen, den rechten
Fuß auf das Meer, den linken auf das Land setzt“ und mit
mächtiger Stimme ruft, so wie der Löwe brüllt (10, 1-3).
Die Engel sind Wesen, deren Daseinsmaß und Wirk-
raum über die des Menschen hinausgehen. Sobald sie bei
diesem eintreten, gefährden sie ihn durch die Macht ihres
Seins. An sich können sie in Menschengestalt nicht aus-
gedrückt werden — wenn aber schon, dann in der „des
Mannes“. Nicht nur ihrer Kraft wegen, sondern auch,
weil sie der „öffentlichen“ Sphäre des Daseins zugeordnet

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