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Schumann, Paul; Klinger, Max; Kunstsalon Keller & Reiner
Max Klingers Beethoven — Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.70308#0005
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Es war im Jahre 1887, als Max Klinger
zum erstenmale den Gedanken faßte, seiner
tiefen Verehrung für Beethoven Ausdruck
zu geben durch ein Standbild, dessen
Gestaltung vor seinem inneren Auge all-
mählich festere und festere Formen ge-
wonnen hatte. In einem farbigen Modell,
das noch heute in seinem Atelier steht,
gab er zunächst an, wie er sich das Werk
denke. Dieser erste Gedanke ist maßgebend
geblieben für das Werk in seiner endgültigen
Gestalt, nur ist er durchgereift und empor-
geläutert zu einer Vollendung, die keinerlei
Rest übrig ließ. Zahlreiche andere Kunstwerke hat Klinger in der Zeit seit
1887 vollendet und in die Welt hinausgesandt: die Brahms-Phantasie, die
Kreuzigung Christi, den Christus im Olymp, die Salome, die Kassandra,
die Amphitrite, die Badende, die Lisztbüste u. v. a., aber über allen
diesen Arbeiten hat er nie seinen Beethoven außer Acht gelassen, immer
von neuem hat er ihn vorgenommen und mit zäher Energie Stück um
Stück dazugefügt, bis er endlich in der Osterwoche des Jahres 1902
das Werk für vollendet erklären und der Öffentlichkeit übergeben konnte.
Wie er selbst an jenem Tage in tiefer Ergriffenheit davor gestanden hat,
als er das Werk, an dem seine ganze Seele hängt, fertig vor sich stehen
sah, so haben in den wenigen Wochen, die seitdem verflossen sind, schon
Tausende in Klingers Atelier zu Leipzig vor diesem einzigen Werke in
tiefer Ehrfurcht und Bewunderung gestanden und einen Eindruck empfangen,
wie dem künstlerisch empfindenden Menschen nur ganz wenige im Leben
beschieden sind.
Fürwahr, es ist eine gewaltige künstlerische That, die mitzuerleben
wir das Glück haben. Beethoven ist uns neu erstanden, er ist lebendig
vor uns geworden. Alles, was die bildende Kunst im Anschluß an seinen
 
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