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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Miethe, Adolf: Der Amateur-Photograph
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0167
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Portraits im io immer

Biele Amateure haben den Wunsch mit
Hilse ihrer Kamera ihre Bekannten abzukon-
terfeien. Im Allgemeinen aber ist diese Auf-
gabe keine sehr dankbare, da einerseits die
so entstandenen Portraits in der Beleuchtung
viel zu wünschen übrig lassen, andrerseits
ihnen das von den Werken der F-achPhoto-
graphen her bekannte Schönheitsmittel der
Retouche fehlt. Wenn sich dennoch viele von
der Kunst des Portraitierens nicht abschrecken
lassen, so liegt das hauptsächlich in dem Reiz,
welchen gerade diese Bethätignng ihrer Kunst
auf Amateurgcmüter ausübt Das; übrigens
auch ohne Atelier und bei Beschränkung der
Retouche auf ein Minimum Gutes, ja künst-
lerisch Bollcndctes vom Amateur geleistet
werden kann, ist wiederholt bewiesen worden,
und cs ist nicht selten, das; gerade Künstler
diese Portraits den Leistungen zünftiger Pho-
tographie vorziehen. Wir wollen versuchen
im Folgenden dein Amateur eine kurze An-
weisung zu geben, wie er gute Portraitauf-
nahincn im Zimmer Herstellen kann. Vorbe-
dingung ist ein lichtstarkes Objektiv, also am
besten ein Portraitaplanat oder ein soge-
nanntes Portraitobjekliv, welches man sür
verhältnisnüisstg geringen Preis alt erwerben
kann. Außerdem braucht man noch einen
weißen Reslexschirm, welchen man anS einem
großen Bogen Kartonpapier improvisieren
kann, und einen Hintergrund von genügender
Größe aus grauem, ganz glatt ausgespanntem
Papier. Letzterer kann bei einigem Geschick
dadurch entbehrlich gemacht werden, daß man
das Modell vor einen recht ruhigen, natür-
lichen Hintergrund (Makartbouguct, Teppich-
draperie, glatte Tapete) aufstellt. Die Auf-




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--"2 Pt".

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nähme selbst kann in jedem einigermaßen
Hellen Zimmer ausgeführt werden, am besten
jedoch in geräumigen zweifenstrigen oder Eck-
zimmern. Ein Hauptaugenmerk ist auf eine
gute Beleuchtung zu richten, derart, das; das
Gesicht des Modells eine deutliche Licht- und
Schattenseite unterscheiden läßt, aber auch so,
daß die Schattenseite der Lichtseite gegenüber
nicht allzu schwach beleuchtet ist. Letzteres
erreicht man durch geschickte Anwendung des
Beleuchtnngsschirmes, welcher der Schattenseite
des Modells so weit genähert werden muß,
daß dieselbe genügend ausgehellt wird. Als
weitere Regeln sind folgende zu bemerken: die
Fenster müssen in ihrer untern Hälfte leicht
verhängt werden, damit man mehr seitliches
Oberlicht gewinnt. Dann darf die Kamera
nie so ausgestellt werden, daß ein Fenster
mit auf das Bild kommt, und schließlich muß

Interieur. Aufnahme von I. O. Treue in Berlin.



man stets mindestens 2—3 Meter vom Kopf
des Modells mit dem Objektiv entfernt bleiben,
um nicht sehr unangenehme Verzeichnungen
zu erhalten. Zwei Beispiele des Arrangements
geben die beigesiigten Zeichnungen, Fig. 1
für ein Bild nahezu vn kras, Fig. 2 für
ein Profilbild. Weitere Modifikationen wird
jeder geschickte Amateur selbst finden ; die bei-
gegebenen Vorlagen stellen nur zwei der ein-
fachsten Fälle dar. Über die Exposilionszelt
kann nichts Allgemeines gesagt, sie muß viel-
mehr durch Erfahrung ermittelt werden. Im
Allgemeinen muß bei contrastreicherer Be-
leuchtung länger belichtet werden, als bei wei-
cherer. Zur Entwicklung ist ein zartarbeitender
Heiworrufer mit hohem Alkaligehalt und ohne
Zusatz von Bromkalium am geeignetsten. Ein
leichter Schleier ist eher erträglich als glasige
Schatten. Alle diese Aufnahmen bedürfen
einer gewissen Retouche, welche im Anfang
sich nur ans die Ausgleichung von Teintun-
regelmäßigkeiten beschränken sollte, eventuell
kann durch Rückwandsretouche der Effekt der
Beleuchtung verstärkt oder vermindert werden.
Die Schichtretouche geschieht einfach mit einem
fein gespitzten, weichen Bleistift, indem inan
das getrocknete Negativ ganz dünn mit soge-
nannten; Maltolein cinreibt. Es nimmt
daun die mit leichter Hand ausgeführten
Bleistiftstriche gut an. Ist bei großen Köpfen
eine ausgiebigere Retouche nötig, so wird
das Negativ in bekannter Weise lackiert und
nach dem Trocknen die blanke Lackschicht an
den der Retouche bedürftigen Teilen mit feinen;
Bimstenchulver matt gerieben. Kopiert werden
derartig hcrgestellte Bilder am schönsten auf
Platinpapier, wobei sich sehr feine Effekte
erzielen lassen.

vr. Adolf Mietbe, Potsdam, Müklenbäuser I.
Nedalrtionsschluß 26. Dezember. — Ansgabe 9. Januar.

Inhalt des achten Bestes: Hcrman

Helferich. Wilhelm Leib! — Karl von V i n-
centi. Tie Ausstellung im Künstlerhause (Wien)
— H. Helfer ich. Ein französisches) Provinzial-
Museum (Fortsetzung) — Kunst und Ateliernotst
zen rc.— I-euiKcton: S. v o n A d e l u n g. Maria
Stuart — Der Amateur-H?fiotograp6: vr. Adolf
. Mi et he. Portraits im'Zimmer — Aikdervei
tagen : WilhelmLeibl. Im Atelier — Der-
selbe. Dorspolitiker — Derselbe. In der
Kirche. — Derselbe. Die neue Zeitung.

Für die Redaktion verantwortlich: Fritz Schwartz — Druck der Bruckmannschen Buchdruckerei in München
 
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