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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Barth, Hans: Aus dem italienischen Kunstleben
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Die Neuerwerbungen der Kunsthalle zu Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0475
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376

Aus dem italienischen Aunstleben — Die Neuerwerbungen der Aunsthalle zu Hamburg

sich im auswärtigen Amte einen neuen Pump zu leisten,
um die Schlacht von Dogali bei dem besseren Lichte und
den billigeren Fiaschi der Via Margntta „definitiv" zu
vollenden. <2uc>ä est in votis.

Die Meucrwerbungen der Üunsthslle
zu Hamburg

ie Neuerwerbungen der Hamburger Kunsthalle schreiten rüstig
vorwärts, namentlich im Gebiete der Skulptur, in der
Sammlung von Plaketten und Medaillen. Es hat sich nicht
allein in unsren kunstsinnigen Kreisen ein so hohes Interesse
sür diese reizvollen Arbeiten entwickeit, daß hier alle Vereine,
die irgend zur Kunst Beziehung haben, zusammengetreten sind,
um die Mittel zu ihrer Erwerbung gemeinsam aufzubringen,
sondern auch die französischen Künstler selbst zeigen sich so ent-
gegenkommend, wie man es nur wünschen mag. So darf man
erwarten, daß alles, was in dieser Richtung geschaffen worden
ist, hier zusammengetragen werden wird. Unter den Künstlern,
deren Werke hier neu erworben sind, haben wir zunächst, in
Anschluß an unfern Artikel, Heft 17, die Arbeiten O. L. Rotys
hervorzuheben. Diesem Künstler, der noch in voller Schaffenskraft
steht nnd sich in Frankreich höchster Anerkennung erfreut, ganz ge-
recht zu werden, ist nicht leicht. Wir glauben feine Stellung am
deutlichsten zu charakterisieren, wenn wir ihn dem Lorcnzo Ghiberti
vergleichen. Wie dieser, ist er von dem Streben beseelt, das
Höchste in seiner Kunst zu leisten und wagt er dabei, bis an die
Grenzen dessen vorzugehen, was dem Plastiker gestattet ist. Wer
seine reizvolle Plakette „Die Hirtin" betrachtet, cmpsängt den
Eindruck, als wolle er mit dem berühmten Millet wetteifern.
Vorder-, Mittel- und Hintergrund sind so fein abgewogen, daß
man tief in die Landschaft hineinsieht, selbst die Klarheit der
Luft empfindet, die sie überspannt. Ganz ähnlich ist es mit der
schönen Plakette, die der Künstler in Beziehung auf seine Auf-
nahme in die Akademie geschaffen hat, »In ladore guies-
bezeichnet. Im Vordergründe eine weibliche Gestalt, die in
eigentümlicher aber höchst charakteristischer Weise den Kopf in die
Hände stützt, ganz in dem Lesen eines Buches vertieft. Getreide-
felder und Blumen umgeben sie : im Mittelgründe sieht mau auf
sanft abfallendem Hügel eine Baumgruppe, neben welcher der
Blick in die Ferne schweift. Die Ruhe in der Arbeit kann nicht
besser ausgedrückt werden. Ähnlich verhält es sich mit der Me-
daille des Alpenvereins, wo die Berghohen im Hintergründe, die
der Jüngling »Der aräua- ersteigen soll, erscheinen. Ebenso in
„Wissenschaft und Vaterland", dessen weite Fluren sich der streben-
den Jugend zu öffnen scheinen; überall tritt ein malerisches
Motiv ein, und mit solcher zarten Bestimmtheit, daß es immer
so unverkennbar sich giebt, wie es die feinfühligste Radierung nur
vermag. Unter den Einzelgestalten ragt „Die Malerei" durch
vollendete Schönheit hervor, die Formen so klar und fest ge-
zeichnet und doch niit zartem Schmelz behandelt. Von antiker
Schönheit ist eine weibliche Gestalt in Rückenansicht, an eine
Amphetrite erinnernd, die nach dem Bade sich iir ihre Gewänder
hüllt. Wie einem antiken Vasengemälde entsprungen ist die
Gruppe „Satyr und Nymphe"; sich an den Händen fassend,
scheinen sie sich im Tanze wirbelnd zu drehen. In den Bild-
nisse», von welchen eine große Anzahl vorliegt, tritt die Fähig-
keit Roths, sich immer seinem Gegenstände anzupassen, schlagend
hervor. Das Porträtbild seiner Eltern zeigt in Tracht und Form
zwei Leute von einfachster Lebensgewohnheit, und dieser ent-
sprechend ist die Platte, worauf die beiden einander gegenüber-
gestellt, auch in schlichter Weise behandelt. Auch das Bildnis
des Chemikers Chevreuil ist so behandelt, der Kopf des Mannes
spricht sein hohes Alter aufs schärfste aus, und trefflich paßt dazu
die Kehrseite, wo die Jugend Frankreichs, „dem ältesten Studenten"
ihre Huldigung darbringend, dargeftellt ist. Aber der Künstler
kann das Porträt auch anders anfassen; eine Reihe solcher ist
mit einem Raffinement gearbeitet, das in Erstaunen setzt, bei
größter Feinheit der Ausführung ist niemals die Natur aus dem
Auge verloren. Alan betrachte nur die Bildnisse des Kunst-
kritikers George Duplessis' und Eudoxe Marcilles, und wird es
zugestehen müssen. Reizend ist auch-die Behandlung der Kinder-
köpfe, die seiner eigenen Kinder und des kleinen Pierre Soffer;
naiv und höchst zierlich zugleich, weich bei schärfster Bestimmtheit

der Form. Und wie die Hauptsachen giebt derKünüler auch das
Nebenwerk, Widmungen und Inschriften, stets mit erlesenem
Geschmack und voll Geist. Fügen wir nun noch hinzu, daß er
kein Stück seiner Arbeiten aus den Händen giebt, ohne selbst die
letzte Hand daran gelegt zu haben, so begreift man, in welcher
Vollendung sie erscheinen. Der Medailleur Andrieux gehörte
der älteren Schule an und fand am Hofe Napoleon I. sein
Arbeitsfeld. Wie hochaugesehen er auch damals war, und
so wenig man leugnen kann, daß er sich für seine Porträt-
bilder einen eigenen Stil geschaffen, wie weit stehen doch seine
Arbeiten hinter denen der Neuzeit zurück. Was den jetzigen
Biloniffen einen so hohen Wert verleiht, die scharfe Charakte-
ristik, wie sehr fehlt sie hier; Napoleon zeigt dieselben glatten
weichen Formen wie seine Gemahlin; ein pseudo-idealer Gesichts-
punkt, der nur nach Schönheit und Weichheit der Linien
trachtet, herrscht hier durchgehends, und volle Lebenswahr-
heit ist nicht zu finden. Am schlagendsten tritt der Unterschied
in bildlichen Darstellungen mit vielen Figuren hervor, wie
verschwommen zeigt sich alles z. B. in der „Erstürmung der
Bastille"; wie klar und fest in den Linien wissen dagegen die
jetzigen Stempelschneider die Figuren zu halten und die Per-
spektive genau zu beobachten, so daß wahrhafte Bilder entstehen.
Der erste unter den neu hinzugekommenen, Maximilien
Bourgeois, ist allerdings in dieser Richtung nicht hervor-
ragend. Seine den „Artibus Patriae" gewidmete Tafel zeigt in
den Vertretern der drei bildenden Künste steife Figuren; dagegen
sind seine Bildnisse voll Leben und Charakter: so ein Frauenkopf
im modernen Kostüm, seine Professoren Lenient von der Sor-
bonne und La Visse vom Konservatonum; keiner wird darüber
zweifelhaft sein können, wer der Gelehrte, wer der Musiker ist.
Von Lechevrel ist nur eine, aber höchst interessante Plakette
vorhanden, schon darum so interessant, weil sie zeigt, wie ge-
schätzt die Kunst der Stempelschneider jetzt in Frankreich ist. Sie
stellt dar, wie die Kunst, eine prächtige, vom Rücken gesehene
Frauengestalt, die Namen der jetzigen Medailleure, die Dubois,
Chapu, Chaplain, Roty u. s. w. in eine eherne Tafel schneidet,
die an einem mächtigen Lorbeerbaum hängt. Es wird schließlich
der Name Legeorgc nicht darunter fehlen. Der jung verstorbene
Künstler gehörte, wie die hier ausgelegten Medaillen beweisen,
zu den begabtesten. Wir heben nur die Denkmünze heraus, die
den im Kriege gefallenen Künstlern gewidmet wurde. Während
auf der Vorderteile derselben das zu Ehren Reguaults errichtete
Denkmal mit der Büste des berühmten Malers dargestellt ist,
zu welcher eine klagende Frauengestalt hinaufweist, sehen wir
auf der Rückseite, wie das trauernde Frankreich die Palme des
Ruhmes über einen Krieger breitet, der sich auf dem Altar des
Vaterlandes geopfert. Alle Gestalten sind lebenswahr und schön
durchgeführt. Wie viele Gelegenheiten in Frankreich diesen Künstlern
geboten werden, ihre Kunst zu bethätigen, wird uns durch drei
andere Medaillen bewiesen, die Legeorge im Aufträge von Ver-
einen sür die „Taubenpost", für „Landwirtschaft" und für die
„Kiistenbeleuchtnng" gearbeitet hat, alle drei mit feinsinnigem
Verständnis der Aufgabe echt künstlerisch durchgeführt. Auch die
Arbeiten eines anderen jungen Künstlers, F. Vernom, der
noch in voller Thätigkeit sieht, sind höchst beachtenswert. Zwei
grötzere Bildnisse, das eine ein römisches Mädchen, das andere
den Maler H. Tanger darstellend, sind so schön, wie charakteristisch
behandelt. Ebenso das Porträt des Dr. Charlot, das diesem
von der anatomischen Gesellschaft als ihrem Präsidenten gewidmet
worden ist. Unter den figürlichen Denkmünzen zeigt die der
„Industrie", unter ihren Werken sitzend, eine weibliche Gestalt,
welche in Bewegung und Haltung gleich ausdrucksvoll und an-
mutig ist, während die der Gesellschaft der Carabiniere, der „Jsle
de France" gestiftete, sich durch charakteristische Ausfassung in
Form und Haltung auszeichnet. Seine Tierbildcr, wie „Stier"
und „Schaf", sind von großer Naturwahrheit. Bon A. Paty's
Medaillen heben wir nur diejenige hervor, welche dem bekannten
vr. Pasteur gewidmet worden ist. Während die Vorderseite das
Porträt des Arztes bietet, ist auf der Rückseite, für den Erfinder
einer Heilmethode zur Bekämpfung der Hundswut höchst be-
zeichnend, Herkules, die Hydia bezwingend, in energischer Be-
wegung unter den geiferndenTierköpfcn dargeftellt. Bon V. Peter
besitzt die Sammlung z. Z. erst zwei Bildnisse, das einer Nonne
und das des Amodee Bertault; beides lebensvolle Bildnisse von
korrektester Durchsührung. Von höchstem Wert sind die Arbeiten
der beiden berühmten Bildhauer Emanuel Fremiet und
I. B. Carpeaux. Der elftere, durch seine Tierbilder auch in
Deutschland geschätzt, hat von seinem „der verwundete Jagdhund",
einem Standbilde, das die französische Regierung erworben hat,
 
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