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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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F., O.: Die Verwendung der Fliesentäfelung in der Wohnung
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Hann, P.: Das Kunstgewerbe auf der Kolumbus-Weltausstellung in Chicago
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0462
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Die Kunst im Hause,

Z6?

zumeist in die Wohnräume eiubezogen ist,
hat ihrer Verbreitung Vorschub geleistet
und die Verwendung undekorierter
Fliesen an diesen Stellen verhindert. Schon
äußerlich zeigt sich an den Häusern die
Vorliebe sür bemalte Fliesen in den recht-
eckigen Kasten, die für die Aufnahme der
Blumentöpfe bestimmt, vor wenigen Fenstern
nur fehlen. Dieser Brauch, der in London
zur Belebung der glatten und rußgeschwärzten
Hausfassaden wesentlich beiträgt, ist auf die
Miethäuser unserer Großstädte allerdings
kaum zu übertragen, für Einzelhäuser aber
immerhin verwertbar. Die praktische Be-
deutung des Fliesenbelages an den Wand-
flächen der Korridore, die zum Aufhängen
der Uberkleider bestimmt sind, ist ohne
weiteres ersichtlich,

Deni englischen Gebrauche wie der Ver-
gangenheit sind manche Anregungen für die
Verwendung der Fliesen in der Wohnungs-
ausstattung zu entnehmen: jedenfalls ist
dieser Wanddekoration noch eine größere
Beachtung zu wünschen, als ihr bisher
bei uns zuteil ward.

VsA Aunstgclncrüe aus der lrolumbuK-
McllauKstclluug in Lljicago.

von ss. Hann.

II.*)

ußer Deutschland gab nur noch Frankreich
seiner Gewerbe-Ausstellung einen Ein-
gangsbau, der zugleich imponierend und
künstlerisch befriedigend wirkt, das Ganze
zusammenfaßt und ihm ein einheitliches Ge-
präge verleiht.

Bei den Franzosen ist es ein großer
zeltartiger Raum, dessen Wände mit Len
Gobelins der Staatssabrik behängen sind,
während die Erzeugnisse von Sevres, in der
Mitte zu einer Gruppe zusammengestellt
und aus den Seiten verteilt, den Grund
aussüllen. Die Teppiche sind von ausge-
suchter Feinheit der Zeichnung und Farbe.
Was mir besonders an ihnen auffiel, waren
ihre Hellen, lebendigen Farben, ein ent-
schiedenes Abwenden von den abgedämpsten
Tönen, die man in Nachahmung der alten
Gobelins auf srühern Ausstellungen sah, be-
kundend. Auch die Rokoko-Möbel, die in
bekannter Vollkommenheit von Braquenie
in Paris ausgestellt wurden, zeigen diese
neu auflebende Farbenfröhlichkeit.

In Sevres scheint man sich neuestens
vollständig von dem Watteauschen, ja über-
haupt von dem Figurendekor abzuwenden,
eine künstlerisch strengere Richtung einzu-
halten. Häufig sind stilisierte Blumen und
Ornamente zu sehen, dann wieder Riesen-
vasen in einer durch alle Schattierungen
laufenden Farbe, nach dem Vorbild der be-
rühmten alt-chinesischen Peach-blow-Urnen.
Wie billig ist es nun die Privatindustrie,
die dem (wenigstens in Amerika) herrschen-
den Modegsschmack ihren Zoll darbringt,
Bawo L Dotter, die auch in Österreich
ihre Erzeugnisse aus Karlsbad und Stein-
Schönau ausstellen, bringen auf der fran-
zösischen Seite unter ihren Limoges-Artikeln
reizende Vasen mit Hochzeitsszenen aus der
Zeit Ludwigs XIV.

Die Bronzen Frankreichs sind wie ge-
wöhnlich der Hauptanziehungspunkt ihrer
Ausstellung, Übertroffen können diese herr-
lichen Kunstwerke, die diesmal fast durch-
wegs einen dunkel braungrünen Ton ohne

Anflug von Patina zeigen, in Technik und
Behandlung des Materials nicht werden.
Gemeinsam weisen sie den, auch den Skulp-
turen in der Kunsthalle anhaftenden Zug
nach dem Gewaltsamen, unruhig Bewegten
auf. Es ist etwas Treibendes, Gährendes
in allen bildnerischen Produkten der Re-
publik, und nur der in jahrhundertealter
Schulung erworbene Kunstgeschmack ver-
hindert sie, ins unschön Wilde, Groteske
auszuarten. Die feinsten Bronzen in
Entwurf und Ausführung, Kindergruppen,
allegorische Gestalten re. bringen ^nckre et
Oucel, Loupier üls, ll'diedaut Ireees.

Man ist es gewöhnt, daß Japan und
China in Weltausstellungen eine bedeutende
Rolle spielen. Letzteres konnte ich überhaupt
nicht ausfinden. Japan hat wie gewöhnlich
eine umfassende und interessante Übersicht
seines hochentwickelten Kunstgewerbes ge-
geben. Stickereien, Bronze, Porzellan und
Lackarbeiten in der bekannten peinlich säubern
Ausführung begegnen uns bei einer Wande-
rung durch Japan auf Schritt und Tritt,
Vollkommen eingerichtete Zimmer von einer
an Puppenstuben erinnernden Kleinheit und
Zierlichkeit, dann ein ganzes japanisches
Wohngebäude, das die Regierung des Mikado
im Parke erbaute und den Vereinigten
Staaten schenkte, geben Aufschluß über die
Lebensweise des hochbegabten Jnselvolkes,
Doch lehren sie kaum etwas Neues. Seit
Japan im Jahre 1873 gewappnet und ge-
rüstet auf den Plan des Völkerwettkampfes
sprang, hat es seine Stellung im Kunst-
gewerbe erobert und festgehalten. Nur will
mir scheinen, daß sich der Einfluß Europas,
die Rücksicht auf den Geschmack der zahlenden
Käufer zuweilen in nicht allzu vorteilhafter
Weise bemerkbar macht und eine Einbuße
an dem förmlich instinktiv richtigen Farben-
und Formgefühl zu Tage tritt, ohne dafür
die bewußte, erlernte Technik des europäi-
schen Kunsthandwerkes einzutauschen.

Doch außer Japan drängen sich in
Chicago auch noch fast alle andern orien-
talischen Völker zum Wettkampf herbei. Be-
sonders Indien ist mit schönen Töpferwaren,
Gold- und Silbergerät und Kunstmöbel ver-
treten. Aussehen erregt ein indisches Zimmer
aus herrlich geschnitztem Teakholz, das aller- ^
dings von einem Europäer, Herrn Lock-
wood de forest, in seinen Werkstätten in
Ahmedabad verfertigt wurde, doch schickten
Rhumgara in Bombay phantastisch geformte
Sandelholzmöbel, Elfenbein- und Horn-
schnitzereien, und dieRegierung desMaharajah
von Mysore Malereien auf Elfenbein, ein-
gelegte und geschnitzte Tische und Stühle
aus Teak- und Ebenholz, geschmiedete und
gravierte Metallarbeiten, Fächer und Sticke-
reien, die einen hohen Grad von Kunstge-
schmack verraten. Aus Siam kamen email-
lierte und vergoldete Geräte, perlmutter-
eingelegte Kästchen, goldene, edelsteinbesetzte
Betelbüchsen, geschnitzte Schachfiguren von
großer Handfertigkeit, Ceylon ist mit Töpfer-
waren, Schmuck und Elfenbeingegenständen
vertreten.

Die Vereinigten Staaten müssen sich
in der Rolle des Hausherrn nicht beschämt
fühlen. Ihre Industrie und besonders das
Kunstgewerbe, soweit es die Ausschmückung
des Hauses in sein Bereich zieht, zeigt einen
überraschenden Aufschwung. Mir wird die
Gesamtwirkung der Ausstellung dadurch be-
einträchtigt, daß sie sich über einen zu großen
Flächenraum ausbreitet, nicht so einheitlich
und übersichtlich geordnet ist wie die deutsche

und französische. Hat man zum Beispiel
den wirklich bewundernswürdigen Pavillons
der Silberschmiede Tiffany, Gorhani und
Whiting einen Besuch abgestattet und bei
dem Erstem die kunstvollen in Silber und
Gold getriebenen Tafelaufsätze, die herrlichen
Siegesbecher für die amerikanischen Jacht-
wettfahrten, den Kasten mit Schmuck, zu
welchem teilweise die französischen Kron-
juwelen ihre Steine lieferten, bewundert,
hat man sich bei den Gorhams an der Ver-
bindung von Krystall und Silber erfreut
und bei den Whitings gesehen, zu welcher
Vollendung Tafelgeschirr gelangen kann,
dann heißt es eine weite Reise von der
Mitte des „größten Gebäudes der Welt"
bis ans äußerste Nordende zu machen, be-

Die Skadk Leipzig.

Fliese von villero? L Boch.

vor man bei den Krystallen anlangt, die
Strauß L Söhne auS New - Uork aus-
stellen. Erst seit kurzer Zeit wird hier der
tiefe Glasschliff betrieben. Doch liegt es
im Charakter des Amerikaners, sich gleich
an die größte Aufgabe zu wagen. In dieser
Ausstellung erregt ein Kandelaber für
elektrisches Licht wegen seiner Größe (nach
der Behauptung der Aussteller ist es das
größte Stück, das je in Krystallglas ge-
arbeitet wurde) Aufsehen, Es ist zwölf Fuß
hoch mit dreißig Armen. Auch die Libby
Glaß Comp, stellt schönes geschliffenes Glas
aus. Doch will man das amerikanische
Kunstgewerbe würdigen lernen, dann thut
man gut daran, den Ungeheuern Industrie-
Palast zu verlassen und im Transportations-
gebäude die zwei Musterzüge der Pullman
und Wagner kalace Lar Lompagnies zu
durchschreiten. Es ist ein ebenso übersichtliches
wie erfreuliches Bild amerikanischer Kunst-
fertigkeit, das sich hier vor einem entwickelt. Die
geschmackvollen Brokatmöbel mit ihren Posa-
menterien und reichen Bezügen bald in
kleine lauschige Boudoirs zusammengestellt,
bald in den Drawingroomcars zu Salons
vereinigt, die Behandlung der kostbaren
Hölzer an den Bibliothekstasten, Buffets
und Bettladen der Schlafwagen, das fein
ornamentierte Silber- und Glaszeug auf
den Speisewagentischen, die dem Steine an-
gemessene Verarbeitung der großen Platten
mexikanischen Onixes in den Damentoilette-
räumen und Badestuben — es ist alles
mit einem raffinierten Luxus, aber auch mit
einem durchaus nicht gering zu schätzenden
Geschmack und künstlerischem Verständnis,
sowie mit einer das Material vollständig
beherrschenden Technik gearbeitet.

Verantwortlicher Redakteur dieser Abteilung:

Otto Schulze in Köln.

*) I. siehe Heft 21.
 
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