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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Rolfs, Wilhelm: Kunst und Kunsthandwerk
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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Kunstlitteratur u. vervielf. Kunst - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0472
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Kunst und Kunsthandwerk. von !v. Rolfs. — Personal- und Atelier-Nachrichten.

27b

die Skulpturen, welche griechische Tempel und christliche
Kirchen dienend schmückten, wie eine Musik Bachs, die
mit protestantischem Geiste und seinem wuchtigen Ernst
die steinernen Hallen durchbraust, wird es nicht geben.
Diese Kunst ist aber in dem Sinne, daß sie einem be-
stimmten Zwecke dient, daß der Zweck ihr Gerippe bildet,
auf welchem sie sich aufbaut, „nur" Kunsthandwerk. Und
die tausend und abertausend ganz und gar handwerks-
mäßigen „Gemälde", die man in unseren Wohnungen
aufhängt, je nachdem es die Wände, die Tapeten oder
die Möbel gestatten, sollten „hohe Kunst" sein?

Der Widersinn ist so einleuchtend, daß es wohl an
der Zeit wäre, mit zweierlei Dingen endgültig aufzu-
räumen :

Erstens mit dem „kunstgeschichtlichen" Begriff von
„Kunst" und „Kunsthandwerk".

Zweitens (was viel richtiger ist) mit dem Loslösen
des Kunstwerkes von seinem Zweck.

Häuser baue man in erster Linie nach ihrer Zweck-
mäßigkeit und dann erst ihrer Fassadenwirkung gemäß.
Bilder male man — alle ohne Unterschied — für einen
ganz bestimmten Zweck; Altarbilder für Kirchen, religiöse
für Klöster und Gebethäuser, Privatkapellen und andere
Räume, die der Religion geweiht sind; Jagdbilder für
die Jägerhütten und Landhäuser, appetitliche Stilleben
für Speisezimmer, Landschaften für unsere Wohnräume,
Historienbilder für unsere Museen und Rathaussäle, und
Genrebilder — wenn sie überhaupt notwendig sind —
für unsere Kinderstuben. Und ähnlich mit der Bildhauerei.

Hat denn Alexandros, des Menides Sohn, die gött-
liche Venus Victoria für das Pariser Louvre bestimmt?
Oder gehört Michelangelos Pieta etwa anderswo hin als
in den hl. Peter zu Rom? Ja noch mehr: Kann man
sich den „Parsival" mit derselben Weihe „gegeben" denken
in einem andern Hause, als für das er gedichtet wurde?

So eng wie der Zierat Benvenutos mit einem
Schwertgriff verknüpft sind: so organisch muß auch alle
Kunst, sei sie welcher Art und Ausdehnung auch immer,
mit ihrem Zweck verbunden sein. Nicht Kunst und
Kunsthandwerk, sondern Kunst und Nichtkunst ist zu unter-
scheiden.

Dann erst werden sich auch die Gesetze wieder fester
fügen und wird sich eine Kunstlehre schaffen lassen, die
bei den heutigen Begriffen ins Uferlose geraten sind —
Begriffe von Kunst, wie sie Ausstellungen und Galerien
großgezogen haben, nicht wie sie sich aus ihrem Wesen
und Leben heraus entwickeln, aus ihrer Ausgabe: das
Ewige zu schaffen in der Endlichkeit.

Die Weihe des Endlichen, des für uns Menschen
Bestimmten, zum Dauernden, zum Ewigen, ist aller Kunst
Aufgabe und Endziel. Und dieses Ziel erreichten nicht
bloß die Maler von Tafelbildern und die Verfertiger
von Büsten: auch der Goldschmied, der Lederarbeiter,
der Schmiedemeister. Und alle Künstler seien im besten
Sinne des Wortes: Handwerker, wie man denn wünschen
möchte, daß alle Handwerker — Künstler wären.

Bei der lValdsran. von Karl 6artmann.

Karlsruhe. Das Kunstleben der badischen Residenz
steht unter dem Zeichen der Sommerschwüle und des Akademie-
schlusses, und das im Winter überfüllte Ausstellungslokal des
hiesigen Kunstvereins ist jetzt nur spärlich von Besuchern und
noch weniger von etwa ausgestellten Werken in Anspruch ge-
nommen. Einige gute Sachen waren aber immerhin in den
letzten Wochen noch zu sehen, deren wir hier in Kürze Erwähnung
thun wollen. Unter den fast immer zahlreich ausgestellten Blumen-
stücken, die der hiesigen Malerinnenschule zumeist ihr Dasein ver-
danken, trug unzweifelhaft ein dreiteiliger, meisterhaft gemalter
Ofenschirm mit Anemonen, Pensees und weißem Flieder von
Frau Professor Hormuth-Kallmorgen, der namentlich
in koloristischer Hinsicht excellierte, die Siegespalme davon. Auch
die humoristischen, drastisch karikierenden, flotten Federzeichnungen
Karl Heiligs — des allgemein beliebten Borstandes unseres
Künstlervereins — gern geschaute Originale wohlbekannter
Meggendorferscher Publikationen, zeigten von des Künstlers
schönem und gesundem Talente. Die beiden Schvnleber-Schüler
F. Hoch und R. Hellwag traten diesmal mit sowohl räumlich
als auch besonders künstlerisch ganz bedeutenden Werken auf.
Die „Sardinenfischer auf hoher See" des ersteren und der „Strudel
an der Küste von Ragusa" des letzteren waren von großartiger,
fein beobachteter, wirkungsvollster Naturwahrheit. Auch der
„Karlsruher Schloßgarten im Winter" von dem rühmlichst be-
kannten Meister P. v. Ravenstein, der „Winterabend" von
W. Schrödterund das „Haberfeld" von Wiest, einem begabten,
jungen, der Richtung Hans v. Volkmanns folgenden Künstler,
waren ganz tüchtige Bilder, besonders das ersterwähnte. Das-
selbe läßt sich auch mit gleichem Fug und Recht von der flotten
„Cirkusskizze" mit dem munteren Ponypaar des wohlrenommierten
Tiermalers Kerschensteiner behaupten. Den Hauptanziehungs-
punkt der Kunstvereinsausstellung der letzten Wochen — zumal
für die kunstsinnige beau-monäe — bildeten zwei Porträts hiesiger
junger Damen der Aristokratie, die Prosessor Kaspar Ritters
 
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