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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Kunstliteratur u. vervielf. Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0205
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Kunstlitteratur und vervielfältigende Kunst.

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Rolstiststudie.

von Daniel Ehodowiecki.

richtige — aber keineswegs neue — Gedanken von so viel
Schwulst und Unflätigkeit umgeben, daß er zum großen Be-
dauern vieler ernsthafter Männer der Sache, für die er eintrat,
außerordentlich geschadet hat. Auch dieses sein neuestes Produkt
ist voll von — gelinde gesagt — Geschmacklosigkeiten. In
einem „Testament" überschriebenen Gedichte heißt es zum Schluß:

Dies aber bleibe mein letztes Gelübde:

Der Ofen erb' meine Manuskripte.

Es wäre gut gewesen, wenn der Verfasser schon bei Lebzeiten
seinen letzten Willen vollzogen hätte. Khahnachs Persönlichkeit

und seine Entwickelung,
die in diesen Blättern ge-
schildert werden sollen,
sind nicht interessanter als
die unzähliger anderer
Menschen, die sich ein
wenig über den Durch-
schnitt erheben. Der un-
gestüme Freiheitsdrang,
ungezügelt durch eine
wirkliche Kenntnis der
Dinge, das Sehnen nach
Glück, nach Liebe, nach
großen Thaten durchtobt
tausende von Jünglings-
herzen. Und Tausende
bringen diese Gefühle in
Verse. Nur das unter-
scheidet sie von Herrn
von Khaynach, daß sie
ihre Verse nicht drucken
lassen. Und auch das —
so hoffe ich zu Ehren der
deutschen Jugend — daß
sie solche Roheiten nicht
niederschreiben, wenn sie
ihnen auch einmal im trun-
kenen Mut von den Lippen
kommen. Wenn Herr von Khapnach einmal erfahren will, wie ein
hochstrebender Jüngling seinen Welt- und Menschenhaß, seine
kühnen Träume und himmelstnrmenden Pläne in künstlerischer
Form zum Ausdruck bringt, so rate ich ihm die „Räuber" des Herrn
von Schiller zu lesen. Vielleicht kommt ihm dann eine Stunde,
wo es ihm leid lhut, diese Bücher in die Welt geschickt zu haben,
eine Stunde, wo dem ungebändigten Schaffensdrang, der ihn
beseelt, sich jene scharfe, unerbittliche Selbstkritik zugesellt hat, ohne
die es keinen echten Künstler giebt. Und dann wird es ihm
sicherlich leid thun, diese Prosa, diese Verse und diese Zeichnungen
veröffentlicht zu haben. isisch

ll. kr. Daniel Chodowiecki von W. v. Oettingen.
(Berlin, Grote, geb. 18 M.) Unter den deutschen Künstlern des
vorigen Jahrhunderts erfreut sich Chodo-
wiecki als Menzels Vorgänger besonderer ,

Gunst in der Gegenwart. Ja, man heißt
ihn den frühesten Realisten, was er doch
nur sehr bedingt, und den ersten wahr-
haft deutschen Künstler jener Zeit, was er
gar nicht war als geborncr Pole. Oder
jedenfalls doch nur so, wie Watteau ein
Franzose. Nichtsdestoweniger ist er der,
welcher vom süßlichsten Idealismus des
Zopfes unstreitig zuerst wieder zur Natur
zurückkehrte und wird dadurch doch immer-
hin eine so interessante Erscheinung, daß
ein Buch, welches wie das vorliegende,
ihn, seine Zeit und Umgebung mit Ein-
sicht und Sachkenntnis schildert, eines
guten Empfanges fast sicher sein darf.

Umsomehr wird das der Fall sein, wenn
es uns durch Vorführung einer großen
Auswahl charakteristischer Werke des Künst-
lers in den Stand setzt, uns selber ein
Urteil über die Art seines Talentes zu
bilden. Da wird man denn bald zu dem
Schluffe kommen, daß der früh nach Berlin
Gewanderte dort doch unterm Drucke seiner
Umgebung sehr lange ein ziemlich hart-
gesottener Philister geworden war, wo-
gegen selbst sein leichtes polnisches Blut

nicht mehr aufkam, so oft es auch dagegen reagierte. Denn mit
dem unsäglich ledernen Berliner Philisterium verband sich bald
auch noch die Strenge des Protestantismus in der französischen
Kolonie, der seine Frau mit ihrer zahlreichen Familie angehörte.
So war es denn, gegenüber diesem schwer zu behandelnden Stoff,
gar verständig vom Verfasser unseres Buches, uns in demselben
vor allem ein möglichst lebendiges Bild des Jahrhunderts zu geben,
in welchem Preußen durch das Genie seines großen Königs zu so un-
glaublichen Leistungen emporgehoben ward. Es ist das ein Vor-
gang, von dem man sonst freilich in unserer Schilderung nicht all-
zuviel merkt, da der seine ganze Jugend mit Porzellanmalerei und
kleinen Porträten zu verderben genötigte Künstler bei seinen Ver-
suchen zu eigenen gemalten Kompositionen lange über bloße Nach-
ahmungen Watteaus und anderer nicht hinauskam. Endlich aber,
und zwar erst im vierzigsten Jahre, glückte ihm doch ein großer Wurf
— das Bild vom „Abschied des Jean Calas von seiner Familie",
dessen bald darauf gefertigte Radierung den bisher ganz unbekannten
Porzellanmaler im Handumdrehen in ganz Deutschland berühmt
machte. Und doch zeigt es in seiner Behandlung noch überall
die Anlehnung an Grenze und dessen Rührseligkeit. Aber unser
Künstler ist auch gleichzeitig weit über denselben hinausgewachsen.
Das heute noch fesselnde Bild war damals ein Ereignis, obwohl oder
weil es den Berliner Philister in keiner Weise verleugnete. Der blieb
unser Meister denn auch zeitlebens, obwohl der jetzt ein berühmter
Radierer gewordene Künstler nunmehr auf diesem neuen Wege fort-
ging und uns durch seine oft ein wenig gar zu fabrikmäßige Thätig-
keit bald unzählige Blätter schenkte. Eigentlich wertvoll ist doch
nur die in ihnen enthaltene Schilderung seiner Zeit und Um-
gebung und alles Porträtartige, wie denn z. B. sein Stich Moses
Mendelsohns uns den Mann lebendiger und glaubwürdiger
macht, als es Lessing je gelang. Auch das berühmte, den ster-
benden Zieten vor seinem König sitzend, zeigende Blatt, beweist
das, denn es schildert uns die Helden des siebenjährigen Krieges
mit einer entsetzlich nüchternen Wahrhaftigkeit, die es unvergäng-
lich in unser Gedächtnis eingräbt, wie noch vieles andere, was
dieser Vorläufer Menzels gemacht, ivie weit er auch sonst hinter
ihm zurückbleibt. Weil es uns das so deutlich macht, deshalb
kann man denn auch unser Buch eine wirkliche Bereicherung der
Kunstlitteratur nennen. lkislh

U. I>r. Fritz Bl eh, „Kunst und Kritik". Wenn man
die Nolle betrachtet, welche die Kunstkritik seit anderthalb Jahr-
hunderten bei uns spielt, welche ungeheure Sprünge sie seit
Winckelmann und Lessing gemacht hat, so gerät man in die
Gefahr, sie und ihren Einfluß auf das Publikum wie besonders
auf die Künstler für überflüssig oder direkt schädlich zu halten.
Besonders wenn man erst an sich selber erfahren hat, wie schwer
es ist, wirkliche solide Kunstkenntnis zu erwerben und im Lärm
des Tages unbefangen zu bleiben. Der hier erwähnte, erst in der
„Socialreform" erschienene, dann separat gedruckte Aussatz sagt
darüber manches Treffende aus des Verfassers eigener reichen
Erfahrung und mag darum auch andern empfohlen werden.

Der Abschied von der Familie. Ans Daniel Lhodowieckis Danziger Reise.

OUustrationsxrobe aus tv. v. Meningen, Daniel Chodowiecki. Bespr. nebenstehend.)
 
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