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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Pecht, Friedrich: Bismarck und die deutsche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0238
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182

Bismarck und die deutsche Kunst, vom Herausgeber.

Zutrauen einflößenden Gestalt! „Denn hinter ihm, im
wesenlosen Scheine, lag was uns alle bändigt, das
Gemeine!" Wenn Thiers ihn einen »Lnrdnrs plsin
6s Asnis st 6'astncs« nannte, so spricht daraus der
Aerger über das Gefühl der Ueberlegenheit, das er
ihm gegenüber offenbar nicht los werden konnte. Denn
hier stund der kleine Franzose vor einer in jeder Be-
ziehung harmonischen und zugleich machtvollen Er-
scheinung. Der »iöarbars« ist aber sichtlich gerade
das spezifisch deutsche Wesen, was in seiner Verbindung
von innerlicher Vornehmheit mit äußerlicher Schlichtheit
so ganz verschieden z. B. von slavischer wie von roma-
nischer Art ist!

Hier aber fängt auch die ungeheure Bedeutung
Bismarcks für unsere Kunst an. Denn er hat sie um
eine für uns unschätzbare Heldengestalt bereichert, wie sie
seit einem Jahrhundert, d. h. seit Friedrich dem Großen,
keine mehr zu sehen bekommen. Ohne den Kultus
großer Männer kann aber keine Kunst lange blühen,
sie bedingen ihre Würde und Hoheit. Das Christen-
tum, ursprünglich die eigentliche Religion der Prole-
tarier, erfand dafür die Heiligen, wir aber, die wir an
diese nicht mehr so recht glauben, wir müssen wieder
zu den großen Männern, zu den Heroen zurückkehren.
Hier aber hat sich Lenbach ein außerordentliches Ver-
dienst erworben, da er durch seine zahlreichen Dar-
stellungen Bismarck erst zu einer so recht volkstüm-
lichen Figur machte. Wie Friedrich der Große erst
durch Menzel für die Kunst und damit für die

Die Dichtkunst. Lari Gehrts ckel.

Stichkaxxe in der ornament. Ausschmückung der Aunstballe zu Düsseldorf.


Nation gewonnen ward, die ihn sich gar nicht mehr
anders vorstellen kann, so gilt dasselbe für Lenbachs
Bismarckbilder. Keine Photographie vermag uns jemals
das zu geben, was diese Bilder so sympathisch macht:
denn es ist eben das spezifisch Nationale, das, was uns
den Helden von Varzin erst gemütlich näher bringt, der
auf den Lichtbildern wohl geistvoller, aber auch strenger
und ablehnender aussieht, was ja vor einem Photo-
graphen selbstverständlich ist, wie die größere Vertraulich-
keit gegenüber einem so genialen Manne wie Lenbach,
dessen Verwandtschaft des Naturells mit dem seinigen
den Kanzler offenbar wohlthätig berührte.

Sie ist aber auch bei dem Porträtmaler nötig,
wenigstens bei allen großen Männern wie Bismarck, die
ein gewöhnlicher Süßholzraspler von Porträtist gar nicht
versteht. Deswegen haben wir auch bis heute weder von
Goethe noch von Schiller ein halbwegs genügendes Bild-
nis, da die damaligen Maler ihnen regelmäßig die eigene
Sentimentalität oder Wichtigthuerei ins Gesicht hinein-
pinselten. Schiller hat dabei sogar noch mehr Unglück
gehabt als der majestätische Herr Geheimerat, von dem
Trippel wenigstens eine vortreffliche Büste herstellte.
Für die deutsche Nation ist es aber ein doppelter Gewinn,
daß Bismarck in Lenbach einen solchen durchaus ver-
wandten Darsteller fand, denn auch dieser selber ward
durch solche Aufgabe erst auf eine Höhe gehoben, die
er sonst schwerlich je erreicht hätte, die Nation gewann
also nicht nur des großen Kanzlers Bilder, sondern auch
einen großen Maler.
 
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