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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Die Thoma-Ausstellung in Frankfurt - Vermischte Nachrichten - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0130
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~^s=g> DIE THOMA-AUSSTELLUNG IN FRANKFURT -CSs^

j^- FRANKFURT a. M. Mit dem Oktober haben
wir das gewohnte Bild in unseren Kunstsälen wieder
erhalten. Es herrscht nach den stilleren Sommer-
monaten wieder die volle Betriebsamkeit, wie sie
dem ungewöhnlich starken Umsatz entspricht, der
auf dem Frankfurter Bildermarkt im Laufe der letzten
Jahre zu konstatieren gewesen ist. Dieses Handels-
geschäft umfasst hauptsächlich moderne Arbeiten,
und es liegt in der Natur der Sache, dass dabei die
leicht verkäufliche Ware ohne andere Rücksichten
im Vordergrunde steht. Doch hält sich bei alledem
auch das künstlerische Niveau auf beachtenswerter
Höhe, es zeigen das auch jetzt wieder die verschie-
denen Ausstellungen, mit denen die Wintersaison
eingesetzt hat. Eine interessante Auswahl ein-
heimischer und auswärtiger Meister haben die Ge-
brüder Bangel in zwei neuerbauten geräumigen Sälen
zur Aufstellung gebracht, M. Goldschmidt & Co. haben
von Adrien demont-Parisund Ludwig Dettmann-
Berlin Separat-Ausstellungen veranstaltet, eine eben-
solche Hermes & Co. von Franz CouRTENS-Brüssel
und diese enthält besonders frische und sympathische
Sachen. Das Hauptereignis bildet aber eine Thoma-
Ausstellung, die zum 60. Geburtstag des von Frankfurt
scheidenden Meisters am 2. Oktober eröffnet wurde
und die bestimmt ist, eine Art von Rückblick auf
sein gesamtes Lebenswerk zu geben. Sie enthält
nur Bilder aus Frankfurter Privatbesitz, das wenigste
davon ist im Handel, im ganzen hundertundfünfzig
Ölgemälde und Aquarelle, die in drei Serien nach-
einander zur Aufstellung gelangen mussten, da der
Schneider'sehe Salon, der dafür bestimmt war, so
wenig wie irgend ein anderer im stände gewesen
wäre, alles auf einmal aufzunehmen. Es hiesse
Eulen nach Athen tragen, wollten wir die sattsam
bekannten künstlerischen Eigenschaften Thomas, die
schliesslich aller Orten in diesen letzten Jahren in
irgend einer Form gezeigt worden sind, hier aufs
neue präkonisieren. Aber es verdient hervorgehoben
zu werden, dass diese Ausstellung einen ganz in-
dividuellen Reiz dadurch erhielt, dass sie die Elite
von Thomas Werken, die hier in Frankfurt im Laufe
von zweiundzwanzig Jahren entstanden sind, und die
die heutige Stellung des Künstlers im wesentlichen
begründet haben, in einer Vollständigkeit vor Augen
führte, wie man es wohl nicht so bald wieder er-
leben wird. Auch einige ältere Bilder waren dabei,
Studien und ein Selbstporträt aus den sechziger
Jahren, noch ganz in der pastosen, farbigen Technik
gemalt, die damals Victor Müller seinem Mün-
chener Freundeskreise und wohl auch Thoma ver-
mittelt hatte. Es ist einmal gesagt worden, um
Thoma zu repräsentieren, dazu bedürfe es einer
ganzen Wand voll Bilder, eines oder einige genügten
nicht. Das ist auch ganz richtig, so Vieles und so
Verschiedenartiges hat er gemalt und fast mit jedem
Bild wieder etwas Neues. Wer hat schon einmal
eine Marine von Thoma gesehen? Viele gewiss
nicht. Hier war eine ausgestellt, ein Motiv von der
englischen Küste, und zwar ein ausgezeichnetes
Bild, so lebendig beobachtet und mit solcher Sicher-
heit vorgetragen, als hätte dieser Künstler über-
haupt nie etwas anderes gemacht. Und dann die
seltenen, gerade so nur einmal, nur von ihm ge-
sehenen Motive der Färbung und der Stimmung, in
seinen bekannteren heimatlichen Landschaften! Da
hängt das Bild einer Bergwiese, von Buchenwald
umgeben, bei sinkender Nacht, kaum erkennt man
vorne die Figur eines einsamen Wanderers, der im
Dunkel seinen Weg sucht. Es sind auch sonst und
lange vor unserer Zeit Nachtstücke gemalt worden,
aber sie wurden doch nur unter der Bedingung
acceptiert, dass es eine Mondscheinlandschaft oder

eine Feuersbrunst sein musste. Hier ist es wirklich
Nacht, kaum dringt ein matter Schein des gestirnten
Himmels durch die vom Winde gejagten Wolken
hindurch, und dennoch — >cela s'imposec, es ist
ein Eindruck, der im tiefsten ergreift, etwas Feier-
liches in seiner Einfachheit und Wahrheit, wer will
behaupten, dass so etwas kein Bild sei, oder dass
man das nicht malen könne? Eine Frühlingsland-
schaft -an der Würm' zeigt eine bescheidene Birken-
gruppe am Ufer des Flusses. Sie atmet Frühlings-
luft und Sonnenschein, in zartem Blau und Grau
sind die Töne gehalten, stünde nicht Thoma's Name
darauf, man würde sagen, es ist von Monet oder
Sisley. Aber das ist keine erborgte Stimmung,
das Bild ist von 1876 datiert, lange ehe man bei
uns etwas von diesen beiden wusste, und es ist
nur das Ergebnis höchster Beobachtungstreue, das
hier einmal etwas Ähnliches statt an der Seine in
der Nähe der Isar entstehen Hess. Und so geht es
fort in bunter Folge und unerschöpflich, wie die
Natur selber ist: Landschaftliches vom Oberrhein,
aus dem Mainthal, von Sorrent und aus der Cam-
pagna, Figürliches in ländlichen Genrescenen, in
mythologischen und biblischen Vorwürfen und in
Bildnissen, unter den letzten ist auch die neueste
Schöpfung des Künstlers zu bemerken, sein Selbst-
porträt mit dem Hause, das er sich jüngst in Cron-
berg gebaut hat, im Hintergrunde. Nichts ist dem
Auge des Künstlers fremd geblieben, wenn man
auch vielleicht als abschliessenden Eindruck den
behalten mag, dass sich seine Begabung in der land-
schaftlichen Darstellung doch am reichsten ausgelebt
hat, sowohl in der robusten Stärke des Ausdrucks,
wie in der Zartheit des poetischen Empfindens, die
ihm beide in gleicher Weise zu Willen sind. Inter-
essant war es, in den nach chronologischer Folge
geordneten Ausstellungen den Wechsel seines Stils zu
beobachten und dessen fortschreitende Entwicklung
von dem tiefen und brillanten Kolorit und der rein
malerischen Behandlung der ersten Zeit bis zu den
kühlen Tönen der späteren Jahre, in denen sich
zugleich das zwar nicht immer korrekte, aber doch
sehr intensiv vorhandene Formgefühl des Künstlers
in einer zunehmenden Betonung des Konturs der
Zeichnung geltend macht. Alles in allem haben
wir den Arrangeuren der Ausstellung einen hervor-
ragenden Genuss zu verdanken gehabt; eine Künstler-
persönlichkeit von seltenem Wert ist uns aufs neue
in der Gesamtheit ihres Schaffens nahegerückt
worden, wenn uns auch zugleich aufs neue ins
Bewusstsein gerufen worden ist, was wir durch
Thomas Weggang verlieren. Allerdings wäre, um
ihn dauernd an Frankfurt zu binden, gegenüber den
ehrenvollen Bedingungen, unter denen er jetzt nach
seiner engeren Heimat zurückberufen worden ist,
jede Bemühung hier vergeblich gewesen. Möge
sein ferneres Wirken gleich erfolgreich sein, wie
das seiner Frankfurter Zeit! I12|l

= LEIPZIG. Der Kunstsalon Mittentzwey-
Windsch vereinigt zur Zeit drei grössere Kollektiv-
Ausstellungen: „Worpsweder", eine Sammlung
Pastelle von Helene Frauendorfer-MOhlthaler
und zum Dritten zehn stimmungsvolle Haideland-
schaften im Abendlichte von Franz Schreyer-
Dresden. Unter den sonst ausgestellten Kunstwerken
findet sich auch das von der Kgl. National-
Galerie in diesem Jahre erworbene Pastell >Meine
kleine Freundin« von Jul. wagner-Düsseldorf.
i = PLAUEN i.V. Im Oktober brachte der hiesige

1 Kunstverein eine Kollektiv-Ausstellung von Th. Cool
in Amsterdam; für Mitte Dezember dürfte eine
; Vorführung der Weimarer Künstler-Vereinigung
>Apelles< zu erwarten sein. [1331

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