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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 21.1905-1906

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Rosenhagen, Hans: Die grosse Berliner Kunstausstellung 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.12156#0486

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DIE GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1906 <2s=W-

graphen Georg Schöbel vergleicht, der nicht ohne sich mit diesem exquisiten Geschmack und dieser
Erfolg mit Bildern aus der Friedericianischen Ge- geistvollen Technik nicht an Szenen des Lebens wagt!
schichte um den Allerhöchsten Beifall wirbt, ist man Er würde Furore machen, während dieses Verweilen
herzlich gern geneigt, ihn gegenüber dieser Bilder- bei dem Zeitalter der Medicäer doch immer nur als
bogenkunst für eine erste Kraft zu erklären. Porträts ein anmutiges Spiel angesehen werden kann. Die
der kaiserlichen Familienmitglieder von Angeli, Ausstellung enthält vor allem wieder eine Reihe vor-
Konrad Kiesel, Sofie Koner u. a. vollenden das trefflicher Landschaften. Man darf vor diesen die Be-
Bild dieses Saales. Es ist nicht ganz leicht, aus den merkung nicht unterdrücken, daß die Künstler neuer-
übrigen Räumen das Beste herauszufinden. Es gibt dings den ganz tief liegenden Horizont bevorzugen,
eine Menge sehr anständiger Arbeiten, aber keine also gern wieder den Blick über weite Flächen dar-
eigentlichen Höhepunkte. Sehr amüsant ist wieder stellen. In diesem Sinne haben gute Leistungen bei-
Friedrich Stahl, dem der Erfolg seines vorjährigen gesteuert Hugo Koecke mit seiner »Havelüber-
schwemmung«, Ernst Gentzel mit seiner
>Märkischen Landschaft, Carl Langham-
mer einen »Sommertag«, Fritz Douzette
eine »Märkische Landschaft« und Kayser-
Eichberg einen »Frühlingsabend in einem
Rivieratal«. Andere schöne Landschaften
rühren von Mina Becker, Louis Lejeune
und Max Schlichting her. Ernst Kolbe's
Landschaften lassen erkennen, daß van Gogh
nicht nur in den Kreisen der Sezession Ein-
druck gemacht hat, und bei Leopold Jülich
spürt man gar den Einfluß Benno Beckers.
Sehr empfindlich ist die Mittelmäßigkeit bei
den Porträts. Gute Absichten darf man an
Fritz Pfuhles Bildnis eines halbwüchsigen
Mädchens in Weiß konstatieren, und wenn man
Trübners und Hirth du Frenes Schuchporträts
nicht kennte, ließe sich behaupten, daß das
Bildnis eines blassen dunklen jungen Mannes
von dem Wiener Karl Probst eine ebenso
eigenartige wie vorzügliche Leistung sei. Max
Fabian's Damenporträt in Schwarz und Rosa,
das schon einmal im Künstlerhause gezeigt
wurde, ist wenigstens malerisch interessant,
und Carl Gussow's älteres Bildnis einer
alten Dame sicherlich eine der besten Ar-
beiten, die man überhaupt von diesem Künst-
ler gesehen hat. Von Malern, auf die man zu
achten pflegt, wären mit besseren Leistungen
zu erwähnen: Erich Eltze mit der Studie
einer im Halbdunkel vor einem Bücherschrank
stehenden älteren Dame, auf deren Hand ein
stärkeres Licht fällt; Eugen Bracht mit Dar-
stellungen von Hüttenwerken, unter denen die
»Mittagspause im Höschstahlwerk zu Dort-
mund« wohl die künstlerisch beste ist; Otto
Sinding mit einem »Stürmischen Abend« in
den Lofoten; der Wiener Heinrich Tomec
mit einer sonntäglich blanken, friedvollen
»Landschaft« und sein Landsmann Robert
Russ mit einer von Figuren belebten Dar-
stellung »Aus der römischen Campagna«
Ferner gut vertreten sind Fanny v. Geiger-
Weishaupt durch einen »Mondaufgang«, der
bernhard pa n kok studie aus dem jahre 1892 Düsseldorfer H. Liesegang mit einem Spät-
Aussteiiung der Berliner Sezession herbst »Am Teich«, der Weimarer Carl

Arp durch eine »Winterlandschaft«, Wolff-
Zamzow mit dem aus München und von
>Dekamerone« offenbar Mut gemacht, in dieser aller- Schulte her bekannten »Frühlingstag« mit dem
tümelnden Art weiterzuschaffen. Er stellt wieder biedermeierischen Liebespaar und Aug. West-
einen »Improvisator« aus und ein »Andante« ge- phalen mit einem Bilde »An der Wiege«, das man
tauftes Bildchen mit einem Liebespaar in altflorentiner im ersten Moment für eine gute Schöpfung von
Tracht, das über eine abendliche Blumenwiese geht Otto H. Engel hält. Eine neue Erscheinung ist
und um das eine Schar von schwebenden Putten, un- Paul Seesemann, der in einem nicht durchweg
bemerkt von den beiden, einen üppigen Blumenkranz gelungenem Bilde »Im Museum« — eine Dame in
schlingt. Das entzückend gezeichnete und gemalte blauer Seidenbluse vor einem Mahagonischrank, zur
Werk hat einen ganz seltsamen kranken Reiz in Seite ein Tisch mit Buddhafiguren — entschieden
diesen nervösen, verträumten blassen Köpfen mit Sinn für Farbe und Ton verrät. Der Weimarer
den blutroten Lippen, in diesem rosafarbenen Kleid, Herm. Graf fällt mit einem feinen »Zitronenstill-
das so morbid im Ton ist, als wäre es wirklich im leben«, der Düsseldorfer Rud. Huthsteiner mit
Quattrocento gemalt. Schade, daß Friedrich Stahl einem Interieur ä la Pieter de Hooch auf, und auch

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