DIE SOMMER-AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SEZESSION 1906
Reihe von vorzüglichen Werken der Aus- Laub der finsteren Bäume rauschen. — Aehn-
stellung; es ist aber mit der getroffenen Aus- lieh „tiefbedeutend" ist nur noch vielleicht
wähl keineswegs gemeint, daß das übrige j. E. Blanche's Bild „Titelblatt für das Zwie-
minderwertig sei. F. v. Stuck z. B. ist mit gespräch der Tiere" (Abb. S. 460). Flüchtig
vier Werken vertreten, von denen wir hier betrachtet, ist es nichts als das Bild einer
das im vorigen Jahre entstandene, der Kunst- Dame, neben der zwei Hunde hocken. Aber
halle in Bremen angehörige „Bacchanal" re- der Kontrast der im Licht sitzenden, eleganten
produzieren. Das Werk ist eines seiner inhalt- Frau, und der wie in einen dunklen, emp-
reichsten, besonders was das rein künstlerische findungswarmen Märchennebel gehüllten Tiere
Moment anlangt. Der herbe Kontrast des sagt mehr. Daß die Hauptfigur, besonders
tollen Jubels dieses Dionysosfestes mit der was Haltung und Wiedergabe des Stofflichen
stillen, todkalten ernsten Nacht darüber be- anlangt, von größter Eleganz ist, so daß schon
deutet mehr, als was da gemalt ist: es ist ein diese eine Figur an sich ein reizendes Bild
großes ernstes Lied von der kleinen kurzen ausmacht, versteht sich bei Blanche von selbst.
Daseinsfreude des Menschen inmitten der alles Wäre das unglückliche Glas nicht über dem
wieder im Tode in sich verschlingenden Natur. Bilde, wer weiß, wie viele Reize man noch
Aber mehr noch reizt den Kenner die geniale daran entdeckte. Dasselbe gilt von J. Laverys
Art, wie Stuck hier den oben ausgesprochenen „Polyhymnia", unter welchem Namen ein
Gedanken auch malerisch-symbolistisch aus- prächtiges Frauenbildnis ausgestellt ist. Das
zudrücken verstanden hat; die dunkelblaue berühmte Glas gestattet hier auch nur weniges
Nacht hat bereits diese toll-lustigen Menschen zu sehen, zu genießen. Aber das wenige ist
mit ihrem Zeichen bezeichnet: auf ihnen, auf reizend.
Gewand und Fleisch spielt ihr blauer kalter A. v. Keller (Abb. S. 475) bringt uns sechs
Reflex. Media in vita! hört man's durch das kleinere Werke, die seine elegante, vornehme
HERMANN EICHFELD
Sommer-Ausstellung der Munchener Sezession 1906
458
WOLKEN UND BÄUME
Reihe von vorzüglichen Werken der Aus- Laub der finsteren Bäume rauschen. — Aehn-
stellung; es ist aber mit der getroffenen Aus- lieh „tiefbedeutend" ist nur noch vielleicht
wähl keineswegs gemeint, daß das übrige j. E. Blanche's Bild „Titelblatt für das Zwie-
minderwertig sei. F. v. Stuck z. B. ist mit gespräch der Tiere" (Abb. S. 460). Flüchtig
vier Werken vertreten, von denen wir hier betrachtet, ist es nichts als das Bild einer
das im vorigen Jahre entstandene, der Kunst- Dame, neben der zwei Hunde hocken. Aber
halle in Bremen angehörige „Bacchanal" re- der Kontrast der im Licht sitzenden, eleganten
produzieren. Das Werk ist eines seiner inhalt- Frau, und der wie in einen dunklen, emp-
reichsten, besonders was das rein künstlerische findungswarmen Märchennebel gehüllten Tiere
Moment anlangt. Der herbe Kontrast des sagt mehr. Daß die Hauptfigur, besonders
tollen Jubels dieses Dionysosfestes mit der was Haltung und Wiedergabe des Stofflichen
stillen, todkalten ernsten Nacht darüber be- anlangt, von größter Eleganz ist, so daß schon
deutet mehr, als was da gemalt ist: es ist ein diese eine Figur an sich ein reizendes Bild
großes ernstes Lied von der kleinen kurzen ausmacht, versteht sich bei Blanche von selbst.
Daseinsfreude des Menschen inmitten der alles Wäre das unglückliche Glas nicht über dem
wieder im Tode in sich verschlingenden Natur. Bilde, wer weiß, wie viele Reize man noch
Aber mehr noch reizt den Kenner die geniale daran entdeckte. Dasselbe gilt von J. Laverys
Art, wie Stuck hier den oben ausgesprochenen „Polyhymnia", unter welchem Namen ein
Gedanken auch malerisch-symbolistisch aus- prächtiges Frauenbildnis ausgestellt ist. Das
zudrücken verstanden hat; die dunkelblaue berühmte Glas gestattet hier auch nur weniges
Nacht hat bereits diese toll-lustigen Menschen zu sehen, zu genießen. Aber das wenige ist
mit ihrem Zeichen bezeichnet: auf ihnen, auf reizend.
Gewand und Fleisch spielt ihr blauer kalter A. v. Keller (Abb. S. 475) bringt uns sechs
Reflex. Media in vita! hört man's durch das kleinere Werke, die seine elegante, vornehme
HERMANN EICHFELD
Sommer-Ausstellung der Munchener Sezession 1906
458
WOLKEN UND BÄUME