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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Layard, Arthur: John Singer Sargent
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0040

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nicht doch falsch geurteilt hätten; sie mußten samem Umherwandern in jener Hochflut von
schließlich sehen, wie er nicht nur der in Gemälden zum erstenmal auf ein solches von
England wohl populärste Porträtmaler der Sargent stieß, und sich ihm der Gedanke auf-
Gegenwart wurde, sondern auch Aufnahme als drängte: „Dies ist der Mann!"
Mitglied in die geheiligte „Royal Academy" Dieses Gemälde war ein Bildnis einesjungen
fand. mit gelb gelocktem Haare, der in einem blauen

Zu den besten künstlerischen Erlebnissen Matrosenanzug auf einem Teppich in der Ecke
zählen die Augenblicke, in welchen sich das eines Zimmers stehend dargestellt war. Die
Werk eines Genies dem jugendlich empfang- Hänge-Kommission hatte ihm einen sehr er-
lichen Beschauer plötzlich offenbart. Dies höhten Platz angewiesen, und die Kritik igno-
erfuhr der Verfasser, als er vor langen Jahren rierte es oder machte es sonst schlecht; die
nach einer längeren Abwesenheit von Europa, Farbe sei unrein, dieTechnik entsetzlich und so
abgeschnitten von jeder Möglichkeit, das fort. Dies Porträt bildet jetzt als anerkanntes
Schaffen der jüngeren Generation zu beob- Meisterstück die vornehmste Zierde eines eng-
achten, in der Royal Academy nach müh- lischen Landhauses.

Nicht lange vordem hatte Sargent
erfahren, wie unversöhnlich die Kritik
einem wirklich individuellen Kunst-
werk gegenüber sein kann; sein be-
rühmtes Porträt derMadame Gautreau
(Abb. S. 34), das im Salon von 1884
ausgestellt war, war solchen Anfein-
dungen ausgesetzt, daß es fast von
Paris wieder nach London zurück-
gebracht werden mußte. Wie der
Verfasser, der seither oft das prächtige
Bild in Sargent's Atelier gesehen hat,
und dabei jedesmal von neuer Be-
wunderung durchdrungen wurde, so
würde heute jedermann die Schmach,
die dem Bilde angetan wurde, un-
begreiflich finden. Einigejahre später
berichtete Harpers Magazine: „Das
Porträt der Madame Gautreau ist ein
Werk von bleibender Schönheit; die
wilde und rohe Kritik, die es erfuhr,
beweist nur, ein wie gefährliches
Wagestück es für einen Künstler ist,
etwas Außergewöhnliches zu schaffen,
anstatt sich damit zufrieden zu geben,
beharrlich und für immer konven-
tionell zu bleiben."

Sargents Empfänglichkeit ist unge-
wöhnlich groß, und wie bei allen
bedeutenden Künstlern hat dieses
Aufnahmevermögen sich nicht in
bloßer Nachbildung erschöpft, son-
dern hat einen großen Stil, den direkten
Ausdruck seines eigenen bemerkens-
werten Temperaments gezeitigt. Man
muß nur sein Schaffen recht über-
sehen, und man wird verstehen, wie
er die Gewalt eines Goya, Velasquez
und Manet auf sich hat einwirken
lassen und doch immer er selbs' ge-
blieben ist.

Der englische Schriftsteller Robert
john s sargent sir Hamilton Louis Stevenson schreibt einmal von

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