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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Fuchs, Georg: Hugo von Tschudi
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0367
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B Kunstbibliothek
staatliche Museen
f u Berlin

-b-S^> HUGO VON TSCHUDI

der Verlust einer Beamtung? — Er ist ja nicht durch Können, Verstehen und Genießen in sich schloß,
das Amt ^groß- geworden, sondern im Gegenteil: Das fiel umsomehr auf, als gleichzeitig die gewal-
das Amt durch ihn. Er bleibt, der er war; und wenn tige organisatorische Wirksamkeit Bodes die Samm-
er einen anderen amtlichen Wirkungskreis will, so lungen alter Kunst in Berlin auf die höchste Höhe
wird er ihn sich nur zu wählen brauchen. In Mün- brachte. Zum Exempel: In Berlin lebte dortmals
chen hält man ja längst Umschau nach einem bedeu- ein gewisser Menzel. Er galt für einen großen
tenden Organisator, der das allbereits als unauf- Zeichner und für einen der bedeutendsten Maler
schieblich erkannte Werk der Regeneration unserer seines Zeitalters: warum, das wußte man nicht so
Kunstsammlungen großzügig durchzuführen ver- recht. Denn was ihn in der Oeffentlichkeit reprä-
möchte. Und wenn die Münchner auch nicht in sentierte, große höfische Stücke, erweckte nicht
allem mit Tschudi übereinstimmen, wenn er uns mehr als pflichtschuldigste Hochachtung vor un-
auch manchen Franzosen etwas zu überschätzen und zweifelhafter Tüchtigkeit und beispiellosem Fleiße.
manchen der Unseren ein wenig zu unterschätzen Nur aus Illustrationen und spurweise auftretenden
scheint: wir würden doch kaum einem anderen große- intimeren Stücken schlössen Kenner, daß dieser
res Vertrauen entgegenbringen als gerade Tschudi, Menzel >im Zivilverhältnis' ein Genie sei. Da
dessen Wiege im deutschen Süden gestanden hat. ließ Tschudi eines Tages die Nationalgalerie aus-
Er ist ein künstlerisch empfindender Mensch, und räumen und stellte vor aller Welt das Gesamt-
das fällt schwerer ins Gewicht, als Geschmacks- werk dieses p. p. Menzel auf: im selben Augenblick
Differenzen in der Bewertung des einzelnen; ge- besaß Berlin, besaß Preußen, besaß Deutschland
rade über solche sekundäre Geschmacks-Differenzen einen bedingungslos von aller Welt anerkannten
setzt sich der Künstler eher hinweg als jeder andere. großen Meister, der die malerische Weltkultur —
Sie bestehen auch zwischen Künstler und Künstler, ihm durch Constable vermittelt — in sich verarbeitet
sie sind zweifellos ein notwendiges Ergebnis der im und aus ihr Ergebnisse gewonnen hatte, die selbst
Künstler sich manifestierenden höchstpersönlichen bei den bevorzugten Franzosen erst Jahrzehnte später
Eigenart. reiften. Was Tschudi für Menzel und Berlin er-

Darum wird jeder Künstler — ob zu München rungen, das erkämpfte er für alle deutschen Künst-
oder anderswo daheim — seine besonderen Einwen- 1er des 19. Jahrhunderts und für ganz Deutschland,
düngen gegen die Bestände der Nationalgalerie ha- als er die von kunstfremden Leinwänden gesäuberte
ben, jeder wird etwas vermissen — sei's auch bloß Nationalgalerie der >Jahrhundert - Ausstellung« zur
ein Bild von sich selbst — aber jeder einzelne wird Verfügung stellte. Nun erst besaß Deutschland die
der Sammlung als Ganzem Bewunde-
rung zollen. Im Ganzen spricht sich
eine starke Persönlichkeit aus, ein
schöpferischer Geist, der mitschwingt
im Entwicklungsstrom der künstleri-
schen Kräfte seiner Zeit — der nicht
bloß vernünftelnd registriert. Ein sol-
cher Geist ist nicht zu ersetzen. Es
mag's ein anderer auf seine Weise viel-
leicht ebensogut erreichen — wenn er
von Grund aus auf seine Manier auf-
bauen kann. Das aber ist hier nicht
mehr möglich. Tschudis Werk kann
nur Tschudi zu Ende denken. Und
diese persönliche, spezifisch künstleri-
sche Art, eine Sammlung auszubauen,
sie ist es, die Tschudi den bildenden
Künstlern so nahe verbündet.

Nein, Tschudi würde die Kosten
nicht zu zahlen haben. Die »Herein-
gefallenen« wären unter allen Umstän-
den die Nationalgalerie selbst, Berlin
und der preußische Staat. Tschudi
übernahm die Nationalgalerie bei sei-
nem Amtsantritte als ein kurioses Sam-
melsurium: schlecht gemalte patrioti-
sche Festreden und Leitartikel wechsel-
ten mit ebenso schlecht gemalten po-
pulären Unterhaltungsbildchen, Mori-
taten und anderen hochsensationellen
Schaustellungen; dazwischen führten
einige Kunstwerke ein kümmerliches
Dasein in gedrückten Umständen. So
lange es so aussah in der National-
galerie, wurde Berlin als Kunststadt
nicht ernst genommen — trotz einer
Reihe bedeutender, ja führender Künst-
ler, die dort schufen, trotz eines regen
Ausstellungslebens und eines flott haus-
sierenden Kunsthandels. Es fehlte eine
Stätte, wo sich ein konzentrierter Ueber- johnhoppner louisa manners

blick Über all das gewinnen ließ, was Im Besit: des Herrn Asher Wertheimer, London

Berlin an künstlerischem Vermögen, Nach einer Aufnahme der Photographischen Gesellschaft, Berlin

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