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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Fuchs, Georg: Hugo von Tschudi
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0368

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<^S=g> HUGO VON TSCHUDI <ö^-

großen und echten Bildner, die es hervorgebracht, vorgekrochen waren. Rayski, K. D. Friedrich, Menzel,
nun erst ging deren Schaffen ein in den wirkenden vor allem aber Feuerbach, Marees, Leibi, Trübner,
Vorstellungsgehalt unseres kulturellen Bewußtseins. und ihr Kreis und ganz besonders einige bisher
— Von da ab warTschudis Bestreben einzig darauf ge- viel zu wenig gewürdigte Münchner sind erst durch
richtet, die Nationalgalerie zu einem bleibenden Doku- die Jahrhundert-Ausstellung Tschudis zur verdienten
mente dieser, auch für das Nationalbewußtsein der ge- Geltung gelangt: von Kobell und Spitzweg bis zu
bildeten Schichten des deutschen Volkes hochwichti- Harburger,Oberländer, Piglhein, Uhde, Keller, Haber-
gen Tatsachen auszugestalten. Er hat dies heute er- mann und zu den Treff lichsten der jungen Generation,
reicht, er hat es eben dadurch erreicht, daß er neben Weiterhin: er hat vorbildlich und bahnbrechend ge-
eine fastlückenlose Vorführung derwahren deutschen wirkt für eine wirklich fruchtbare, der deutschen
Kunst seit 1800, die mit dieser deutschen Entwick- Kunst und dem deutschen Geschmacke förderlichen
lung korrespondierende ausländische*) Kunstentfal- Vertretung des Auslandes in unseren Galerien. Man
tung in markanten Stücken zur Anschauung brachte. ist jetzt darauf aus, erstklassige Werke der spani-
So versteht man die eine durch die andere. So be- sehen, französischen, englischen Meister heranzu-
sitzen wir durch Tschudi dies: die Vorstellung und ziehen, auf die es ankommt, während vorher nur
das Bewußtsein einer organischen Kunst-Tradition allzu oft die Mode, der momentane Ausstellungs-
in Deutschland, die in steter Wechselbeziehung steht erfolg und die Verbindungen der Händler ausschlag-
mit den anderen europäischen Kunsttraditionen. Wir gebend waren. Berlin dankt ihm überdies noch einen
verdanken ihm sodann die volle Erkenntnis einiger ungeahnten Aufschwung seines Kunsthandels — auch
der stolzesten Meister unseres Stammes, die allzu der Qualität nach — und die Erziehung eines privaten
lange schmachvoll mißachtet wurden zugunsten von Mäzenatentums, wie es früher nur für alte Kunst zu
Tages-Berühmtheiten, welche aus einer durch und haben war, das, von ihm beraten, auch den öffent-
durch revolutionären, traditionslosen Afterkunst her- liehen Sammlunen große Zuwendungen macht.

__ Berlin könnte sich über seinen Verlust trösten

*) Man hat Tschudi vorgeworfen, daß er deutsches Geld zu mit dem Gedanken: er wird einen Nachfolger finden,

oft für französische Kunst verausgabe, statt deutsche Künstler der das alles weiter pflegt. Nach Lage der Dinge
durch Ankäufe zu fördern. Dieser Vorwurf beruht auf irrigen Vor- wird Tschudi einen solchen Nachfolger aber gar

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die dadurch gebotene Möglichkeit, jederzeit erstrangige Schöpfungen tend mit dem Siege einer Interessenten-Kotene, welche
von Goya, Gericault, Daumier, Rousseau, Millet, Daubigny, Corot, sjch die zwischen Tschudi und dem Kaiser bestehende

Courbet, Manet, Monet etc. studieren zu können, für die deutsche Mpinitnocvprsrhtprlpnhpit 7itnnt7 711 maphpn u-nfttp
Künstlerschaft unendlich nutzbringender als ein paar Tausend, die MeinungSverSCniedenneit zunutz ZU maenen UUlSte.

in die Tasche des einzelnen fließen. Diese Interessenten werden ihren Sieg ausbeuten.

Ein Galeriedirektor, der würdig wäre,
das Erbe eines Tschudi zu verwalten,
wird sich niemals den Interessen einer
Koterie willfährlich zeigen. Die Sieger
werden ihre Rechnung nur bei einem
Direktor finden, der gefügig ist, der bei
seinen Ankäufen die Wünsche derer be-
rücksichtigt, denen er seine Stellung
verdankt.

So ist es denn nur allzu wahrschein-
lich, daß das große Werk und Wirken
Tschudis in Berlin verwaist und wohl
auch in manchen Teilen zerfallen wird.
Die durch und durch destruktiven Ele-
mente, welche — dem Blick des Mo-
narchen natürlich nicht erkennbar —
sich in so unerhörter Weise wider den
heiligen Geist unseres nationalen Stol-
zes und der Kultur versündigen, werden
aber nicht triumphieren! Welchem
deutschen Manne stieg nicht die Scham-
röte in die Wangen, so oft er sich der
Tatsache erinnert, daß der deutsche
Kaiser von der der deutschen Kunst
geweihten 1 Deutschen Jahrhundert-
Ausstellungc, die dem deutschen Volke
erst seine Kunst gab, fast gänzlich
ferngehalten werden konnte — er
hat sie nur einmal flüchtig besucht!
Kein ernster Mann in Deutschland
glaubt, daß dieses dem wahren, inner-
sten Wesen des kraftvollen, durch und
durch deutsch fühlenden Herrschers
entspricht. Darum ist es vielleicht
doch ganz gut, daß wir jetzt den »Fall
Tschudi« haben. Er wird Klarheit
schaffen! georg fuchs

HENRY RAEBURN LADY MAITLAND

Im Besitz des Herrn Pierpont Morgan, London -

Nach einer Aufnahme der Photographisclien Gesellschaft. Berlin

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