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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 23.1907-1908

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Die Wilhelm Busch-Ausstellung in München
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Von Ausstellungen - Neue Kunstliteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12504#0443
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-sr4^> VON AUSSTELLUNGEN

DIE WILHELM BUSCH-
AUSSTELLUNG IN MÜNCHEN

7u den größten künstlerischen Ueberraschungen,
die seit langem geboten wurden, gehört unstreitig
die Wilhelm Busch-Ausstellung in der Galerie.
Heinemann. Durch sie wurde, um es mit weni-
gen Worten zu sagen, der Maler Wilhelm Busch
erst für die Welt entdeckt. Ueberhaupt erst ent-
deckt. Auch seine Intimsten wußten nichts Be-
stimmtes über den Umfang seines malerischen
Schaffens und selbst seine Angehörigen haben die
Schätze, die hier ausgebreitet liegen, nie in einer
Weise beisammen gesehen, die einen Begriff von
Büschs hoher Bedeutung gab. Nichts war gerahmt,
alles in Ecken und Kasten und Mappen aufgestapelt
und vor allem: Busch selbst schien auf alle diese
Werke keinen Wert zu legen. Die Gemälde wollte
er eigentlich verbrannt wissen und gestattete den
Seinigen nur nach und nach, sich die besten Stücke
zum Andenken auszuwählen. — Vieles ging wirklich
in den Flammen zugrunde. Und nun wurden die
Bilder zusammengesucht und hübsch gerahmt und
eine Auswahl von 140 Nummern — es ist viel mehr
vorhanden — erzählt nun der froh erstaunten Nach-
welt bei Heinemann, daß dieser Meister, den seine
Mitwelt nur als fröhlichen und übermütigen Karika-
turisten kannte, ein intensiv schaffender, leidenschaft-
lich nach Ausdruck ringender, technisch hochent-
wickelter Maler gewesen ist. In etlichen 120 Rahmen
mit über 400 Blättern ist dazu eine wahrhaft ver-
blüffende Fülle von Handzeichnungen ausgestellt,
die ebenfalls auf des Meisters künstlerisches Ver-
mögen wie seine Entwicklung ein ganz neues Licht
werfen. Busch war ein Meister der Graphik von
einer Sicherheit und Kraft des Ausdrucks, von einer
graziösen Leichtigkeit des Strichs, wie es nur ganz
wenige gibt. Mit welcher intensiven Studienarbeit
er sich aber diese souveräne Beherrschung der zeich-
nerischen Mittel angeeignet hat, auf die auch die
Meisterschaft des Karikaturisten Busch begründet ist,
das können wir hier deutlich erkennen. Es scheint nichts
gegeben zu haben, was ihm nicht des sorgfältigsten
Studiums wert schien. Er hat nicht nur Figuren- und
Aktstudien von größter Gründlichkeit gefertigt, son-
dern auch das Knochengerüst des menschlichen
Körpers bis ins kleinste Detail mit medizinischer
Genauigkeit studiert; ebenso verfuhr er beim Tier.
Er hat Landschaften nicht nur auf Stimmung und
Wirkung hin gezeichnet, sondern mit der größten
Innigkeit und Sauberkeit mit dem Bleistift durch-
geführt und die Einzelheiten der Bäume und Pflanzen
zum Teil mit einer Akkuratesse beobachtet, als gälte
es ein botanisches Lehrbuch zu illustrieren. Aber
dies geschah selbstverständlich immer mit dem reiz-
vollen und eleganten, echt Busch'schen Strich. Zahl-
reiche Blätter behandeln Charakterköpfe und Figuren,
oft mit so magistraler Vollkommenheit des Vortrags,
daß wohl jeder an Rembrandt denken muß. Dann
finden wir wieder eineMenge von launigen Entwürfen
und Intermezzi, köstliche Kleinigkeiten und bedeut-
same Einfälle, Skizzen zu bekannten und noch unbe-
kannten Bilderserien, liebenswürdige Gelegenheitsar-
beiten, zum Teil mit lustigen Reimen usw. Kurz, der
>ganze Busch« ist da beisammen. Die farbigen Werke,
Oel- und Temperabilder, entstammen den verschie-
densten Perioden. Ein Teil davon ist schon früh
in den siebziger Jahren, in München entstanden,
wo Busch ganz im Bann der alten Niederländer, der
Teniers und Brouwer war. Aus dieser Epoche war
manches bekannt und im Besitze von Münchener
Freunden des Malers. Jetzt, wo diese Werke zusam-

mengetragen und zur Geltung gebracht sind, erkennt
man erst, wie nahe Busch oft seinen großen Vor-
bildern kam; auch dem Frans Hals z. B. in vielen
flott hingeschriebenen Figurenstudien! Dann hat
Busch wohl jahrelang wenig oder nichts gemalt;
erst als er als Zeichner sein letztes Wort gesprochen
hatte, nahm er die Palette wieder auf und aus diesen
Spätjahren stammen dann die überraschend farbigen
und in ihrem kühnen Vortrag so verblüffenden Tafeln
der Sammlung, welche die meiste Bewunderung er-
regen. Es scheint, daß Busch, so treu er seiner Liebe
zu dem Alten blieb, doch darnach rang, immer freier
von ihrem malerischen Kanon zu werden und seine
späten Bilder sind denn auch eminent persönlich.
Man sieht an jedem Stück, mit welcher Lust und Liebe
er sich am Malen ergötzt hat, das er nur für sich, als
Selbstzweck trieb.Und das gibt den Bildern ihren außer-
ordentlichen Reiz! Fo.

VON AUSSTELLUNGEN

KARLSRUHE. Kunstverein. Ueber die meister-
hafte Porträtkollektion von Prof. Wilh. Trüb-
ner, die brillante Werke von älterer, von Leibi
beeinflußter Zeit an bis zu den neuesten Schöpfungen
des Künstlers vereint, ist nicht viel Neues zu sagen.
Hohe künstlerische Qualitäten weist die englische
Landschafts- und Marinekollektion von Prof. Hell-
wag auf, der es immer mehr versteht, durch einen
kraftvollen, tiefempfundenen, von feinstem Koloris-
mus getragenen impressionistischen Stil sich allge-
meine Geltung zu verschaffen. Die neueren Ar-
beiten von Prof. Fritz Kallmorgen dagegen
zeigen uns, seit er Karlsruhe verlassen und nach
Berlin übergesiedelt, gegenüber seinen früheren
Arbeiten leider häufig eine auffallende flaue Härte
und Stimmungslosigkeit. Sehr interessant und eigen-
artig sind die mehr illustrativ gedachten Schöp-
fungen des bekannten Worpsweders Heinrich Vo-
geler, die einen eigenen Reiz in Farbe, Form
und Zeichnung enthalten. Auch die Kollektionen
von A. Engelhard, dem Trübner-Schüler H. Frey-
tag und dem Thomaschüler A. Gebhard, na-
mentlich die letztere insbesondere, sind sehr be-
achtenswerte Leistungen der jungen Karlsruher
Schule. Stark von Zügel beeinflußt zeigt sich der
frühere hiesige F. Keller-Schüler Peter Bayer, der
einem derben, kraft- und farbevollen Pleinairismus
huldigt. Auf das schrankenlose Gebiet gemalter
Philosophie begibt sich der koloristisch und orna-
mental nicht unbegabte phantasievolle A. Wolf,
der in kaleidoskopartiger Auffassung mittels An-
leihen an die Welt der Tiefsee-Aquarien die schwie-
rigsten philosophischen Probleme künstlerisch nicht
ohne Geschick zu lösen versucht.

l/"ÖLN. Die Moderne Kunsthandlung Brakl in
München hat wieder eine gewählte Kollektion in
den hiesigen Kunstverein geschickt, ausschließlich
gediegene und gesichtete Werke von Mitgliedern der
Secession und der Scholle. Habermann ist mit
drei Gemälden vertreten, der >Ruhenden Mänade-,
einer >Dame mit Boa« und dem wunderbar male-
rischen, zartfarbigen Porträt einer Malerin. Unter
den fünf Werken R. M. Eichlers wäre »Der Schäfer«
als das stärkste zu nennen; nächstdem die »Apfel-
kammert, die hier gleich ihren Käufer gefunden.
Fritz Erler hat die für seine Kunst sehr bezeich-
nende -.Sklavin'- da und das großdekorative burleske
Bild eines Negers als Pierrot. Erler-Samaden
einige stimmungsvolle Landschaften ( Abendläuten«,
>UmWeihnachten«, >BegräbnisinSamadeh«). Einsder

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