KULTURGESCHICHTLICHE GRUNDLAGEN
DER DEUTSCHEN MALEREI
VON ETWA 1780 BIS ETWA 1840 (ODER VON CARSTENS BIS MENZEL)
Von Berthold Haendcke
V*) (Schluß)
Cornelius' Künstlertum als religiöser Maler gessen wir nicht, daß man überall die bewegen-
ruhte in deutscher Art. In ebenderselben den Ideen erkennen wollte, daß Bilder solchen
Weise wie die religiösen Malereien mit philo- Inhaltes die Stunde forderte und demzufolge sie
sophischen, historischen und Alltagswünschen geschaffen werden mußten. Daß die Maler sich
— und Wollen verkettet waren, so auch die auf den Karton und eine nebensächlich behan-
Schilderungen profan-historischen Inhaltes, delte Farbengebung beschränkten, beweist in
Fichtes Reden an die deutsche Nation stützen anderer Hinsicht wie bemerkt ein naives gutes
die weltbürgerlichen Ideen durch eine philo- Verständnis für im engeren Sinne künstleri-
sophische Verfechtung der Nationalität, indem sehe Fragen. Gerade weil das dichtende Wort
er ausführte, daß eine Gliederung der Mensch- und die formbildende Kunst sich nicht selten in
heit in besondere, durch den Läuf der Jahr- Kompetenzstreitigkeiten befanden, war eine
tausende beharrende Einheiten notwendig sei, mehr andeutende technische Behandlung ange-
um das Streben der Individuen in feste Zu- messen. Die Werke dieser Meister entstamm-
sammenhänge zu bringen und ihm die Ge- ten vorab jenem besonderen romantischen Emp-
wißheit der Dauer zu verleihen. Ohne eine finden, das wir weniger als Formgefühl einer
solche Gewißheit aber gibt es keine Kraft, eigentlichen Malerei, denn als Weltgefühl be-
des Wirkens. So gewiß der Mensch mit seinem zeichnen müssen.
innersten Wesen über das irdische Dasein Lehrte nicht auch der maßgebendste Philosoph
hinausragt, dieses selbst wird nur bedeutend dieser Tage, Hegel, daß es gelte, im Kunst-
durch das Vaterland, das unserem Wirken werk die „leitende Idee" zu suchen? Die
auch hier eine Ewigkeit sichert. Vergessen starke Subjektivität, die damals an allen Ecken
wir übrigens weiter nicht, daß die deutschen und Enden sich die Bahn erzwang, lebte, wie
Künstler nach den berüchtigten Karlsbader wir schon betonten, anderseits auch in den
Beschlüssen vielfach unter der Maske der Künstlern, ihrmußtederpoetisierendeCharakter
profanen Geschichtsdarstellung zeitgenössische der Zeichnung zu Hilfe kommen. Denn die
Hoffnungen und Wünsche vortrugen. Auch realistische Malerei, bemerkt einmal Max
die Maler, nicht nur die Dichter. Klinger, vermag der Form, der Farbe, des
Man nennt gerne und mit vorwurfvoller Ton- Raumes nicht zu entraten, aber die von dem
färbung die Maler dieser Tage literarisch limi- unmittelbaren Naturvergleiche befreite Zeich-
tiert, und zweifelsohne haben sich die pro- nung kann uns im schnellen Wechsel ein Stück
fanen Historienmaler mehr oder weniger enge Leben mit allen uns zugänglichen Eindrücken
an wörtliche Ueberlieferung, an die Dichter schenken. Diese mögen sich episch ausbreiten,
angeschlossen. Es steht auch ohne Widerrede dramatisch sich verschärfen, mit trockener
fest, daß jedes Kunstwerk im Künstler Leben Ironie uns anblicken: nur Schatten, ergreifen
und Form gewonnen haben muß, ehe er es sie selbst das Ungeheuerliche, ohne anzu-
darstellen kann, auch ist nicht zu leugnen, stoßen. Es lag auch den Malern im ersten
daß es niemandem vergönnt ist, über Jahr- Viertel des 19. Jahrhunderts unstreitig nahe,
hunderte hinweg Geschehnisse, Gefühle wie in Bilderfolgen Begebenheiten zu schildern;
in der Art sich zueigen zu machen, wie sie denn drängt das Wesen des deutschen Volkes
einstmals waren. Deshalb mußten die Ge- überhaupt zum Poetisieren, so damals mehr
schichtsbilder der Schnorr von Carolsfeld, als je zuvor. Das „literarische Zeitalter" war
Wilhelm Kaulbach usw. einer gewissen inneren soeben erst versunken, die Dichterfürsten
künstlerischen Wahrheit entbehren. Dieses lebten noch in schenkender Größe und ein
Mangels konnte man sich seinerzeit aber um Beethoven ließ seine Leier erklingen!
^ so weniger bewußt werden, als ja die Romantik Im Jahre 1781 hatte J. G. Forster einen Auf-
bis auf Niebuhr in der Geschichtsforschung satz „Einen Blick in die Natur" erscheinen
des kleinmenschlichen Tuns nicht gedachte lassen, der seiner inneren Bedeutung nach als
und die schädliche Wirkung der Reflexion also Vorläufer der „Kosmos-Vorlesungen" Alexan-
einigermaßen gebrochen war. Ueberdies ver- der von Humboldts gekennzeichnet werden kann.
H •) Schluß von s. 202 Achim von Arnim veröffentlichte 1800 den
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DER DEUTSCHEN MALEREI
VON ETWA 1780 BIS ETWA 1840 (ODER VON CARSTENS BIS MENZEL)
Von Berthold Haendcke
V*) (Schluß)
Cornelius' Künstlertum als religiöser Maler gessen wir nicht, daß man überall die bewegen-
ruhte in deutscher Art. In ebenderselben den Ideen erkennen wollte, daß Bilder solchen
Weise wie die religiösen Malereien mit philo- Inhaltes die Stunde forderte und demzufolge sie
sophischen, historischen und Alltagswünschen geschaffen werden mußten. Daß die Maler sich
— und Wollen verkettet waren, so auch die auf den Karton und eine nebensächlich behan-
Schilderungen profan-historischen Inhaltes, delte Farbengebung beschränkten, beweist in
Fichtes Reden an die deutsche Nation stützen anderer Hinsicht wie bemerkt ein naives gutes
die weltbürgerlichen Ideen durch eine philo- Verständnis für im engeren Sinne künstleri-
sophische Verfechtung der Nationalität, indem sehe Fragen. Gerade weil das dichtende Wort
er ausführte, daß eine Gliederung der Mensch- und die formbildende Kunst sich nicht selten in
heit in besondere, durch den Läuf der Jahr- Kompetenzstreitigkeiten befanden, war eine
tausende beharrende Einheiten notwendig sei, mehr andeutende technische Behandlung ange-
um das Streben der Individuen in feste Zu- messen. Die Werke dieser Meister entstamm-
sammenhänge zu bringen und ihm die Ge- ten vorab jenem besonderen romantischen Emp-
wißheit der Dauer zu verleihen. Ohne eine finden, das wir weniger als Formgefühl einer
solche Gewißheit aber gibt es keine Kraft, eigentlichen Malerei, denn als Weltgefühl be-
des Wirkens. So gewiß der Mensch mit seinem zeichnen müssen.
innersten Wesen über das irdische Dasein Lehrte nicht auch der maßgebendste Philosoph
hinausragt, dieses selbst wird nur bedeutend dieser Tage, Hegel, daß es gelte, im Kunst-
durch das Vaterland, das unserem Wirken werk die „leitende Idee" zu suchen? Die
auch hier eine Ewigkeit sichert. Vergessen starke Subjektivität, die damals an allen Ecken
wir übrigens weiter nicht, daß die deutschen und Enden sich die Bahn erzwang, lebte, wie
Künstler nach den berüchtigten Karlsbader wir schon betonten, anderseits auch in den
Beschlüssen vielfach unter der Maske der Künstlern, ihrmußtederpoetisierendeCharakter
profanen Geschichtsdarstellung zeitgenössische der Zeichnung zu Hilfe kommen. Denn die
Hoffnungen und Wünsche vortrugen. Auch realistische Malerei, bemerkt einmal Max
die Maler, nicht nur die Dichter. Klinger, vermag der Form, der Farbe, des
Man nennt gerne und mit vorwurfvoller Ton- Raumes nicht zu entraten, aber die von dem
färbung die Maler dieser Tage literarisch limi- unmittelbaren Naturvergleiche befreite Zeich-
tiert, und zweifelsohne haben sich die pro- nung kann uns im schnellen Wechsel ein Stück
fanen Historienmaler mehr oder weniger enge Leben mit allen uns zugänglichen Eindrücken
an wörtliche Ueberlieferung, an die Dichter schenken. Diese mögen sich episch ausbreiten,
angeschlossen. Es steht auch ohne Widerrede dramatisch sich verschärfen, mit trockener
fest, daß jedes Kunstwerk im Künstler Leben Ironie uns anblicken: nur Schatten, ergreifen
und Form gewonnen haben muß, ehe er es sie selbst das Ungeheuerliche, ohne anzu-
darstellen kann, auch ist nicht zu leugnen, stoßen. Es lag auch den Malern im ersten
daß es niemandem vergönnt ist, über Jahr- Viertel des 19. Jahrhunderts unstreitig nahe,
hunderte hinweg Geschehnisse, Gefühle wie in Bilderfolgen Begebenheiten zu schildern;
in der Art sich zueigen zu machen, wie sie denn drängt das Wesen des deutschen Volkes
einstmals waren. Deshalb mußten die Ge- überhaupt zum Poetisieren, so damals mehr
schichtsbilder der Schnorr von Carolsfeld, als je zuvor. Das „literarische Zeitalter" war
Wilhelm Kaulbach usw. einer gewissen inneren soeben erst versunken, die Dichterfürsten
künstlerischen Wahrheit entbehren. Dieses lebten noch in schenkender Größe und ein
Mangels konnte man sich seinerzeit aber um Beethoven ließ seine Leier erklingen!
^ so weniger bewußt werden, als ja die Romantik Im Jahre 1781 hatte J. G. Forster einen Auf-
bis auf Niebuhr in der Geschichtsforschung satz „Einen Blick in die Natur" erscheinen
des kleinmenschlichen Tuns nicht gedachte lassen, der seiner inneren Bedeutung nach als
und die schädliche Wirkung der Reflexion also Vorläufer der „Kosmos-Vorlesungen" Alexan-
einigermaßen gebrochen war. Ueberdies ver- der von Humboldts gekennzeichnet werden kann.
H •) Schluß von s. 202 Achim von Arnim veröffentlichte 1800 den
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