LUDWIG VON HAGN
EMPFANG BEI LEO XIII.
ßem Fleiße die Lektüre kulturhistorischer und
literarischer Schriften, namentlich über das Zeit-
alter Ludwigs XIV. Die Kunst der Watteau
und Boucher in ihrer farbenfrohen Grazie Wie-
dererstehen zu lassen ist damals wohl sein höch-
stes Ziel gewesen. Doch bedachte er gewiß
ebenfalls in jenen entscheidungsschwierigen
Übergangsjahren, ob ihm bei der Richtung, die
er von der allgemein beliebten dekorativen Hi-
storienmalerei groben Kalibers zu den maleri-
schen Reizen des französischen Dix-huitieme
zu nehmen gedachte, durch Betonung einer per-
sönlichen Realistik Erfolg beschieden sein werde,
wenn er dem Publikum Bilder novellistischen
Genres in großen Formaten vorstelle. Ludwig
von Hagn war an dem Wendepunkte seiner
künstlerischen Entwicklung angelangt. Er zollte
den Wünschen seiner Zeit nach dem Vorrang
des Stoffes Rechnung und übersah, daß er mit
diesem Kompromiß, den er eben durch seine
Einsicht in die Vorzüge der rein malerischen
Qualität minder bedenklich zu machen hoffte,
seine Eigenart beschränkte. Anstatt auf Menzel
zu blicken, der ihm als der geschaffene Lehrer
die letzten Schritte zur Vollendung einer In-
terieurdarstellungskunst nach malerischen Ge-
sichtspunkten gewiesen hätte, ließ sich Hagn
abermals zur Wanderschaft verleiten und ging
nach Paris, erst in zweiter Linie aus künstlerischen
Beweggründen. Ihm war es ein Bedürfnis, endlich
an Ort und Stelle die aus Büchern erworbenen
Kenntnisse der französischen Baukunst zu er-
weitern. Zu Berlin, München, Antwerpen und
abermals Berlin tritt immer noch nicht als die
letzte Station die französische Hauptstadt, wel-
che dieser allzu eifrige und ewig unzufriedene
Sucher nach zwei Jahren doch nicht als gefestigte
künstlerische Persönlichkeit verlassen sollte.
Als Hagn nach Paris kam, stand er bereits
im dreiunddreißigsten Lebensjahre. Er hatte
das Alter erreicht, in welchem nicht nur das
Herz „se bronce ou se brise“, sondern auch die
Willenskraft. Für seine Unschlüssigkeit, deren
Schwäche sich durch die starken Eindrücke der
ersten Wochen in Paris steigerte, war der Um-
gang mit talentvollen und sicheren Freunden,
Henneberg und Viktor Müller, besonders mit
Knaus nicht förderlich. Eine Reaktion trat ein,
verhinderte Hagn vor dem Eintritt in das Ate-
lier Coutures, hielt ihn bei aller Verehrung von
der letzten rückhaltlosen Zustimmung zu Dela-
croix zurück und führte ihn zu Delaroche und
EMPFANG BEI LEO XIII.
ßem Fleiße die Lektüre kulturhistorischer und
literarischer Schriften, namentlich über das Zeit-
alter Ludwigs XIV. Die Kunst der Watteau
und Boucher in ihrer farbenfrohen Grazie Wie-
dererstehen zu lassen ist damals wohl sein höch-
stes Ziel gewesen. Doch bedachte er gewiß
ebenfalls in jenen entscheidungsschwierigen
Übergangsjahren, ob ihm bei der Richtung, die
er von der allgemein beliebten dekorativen Hi-
storienmalerei groben Kalibers zu den maleri-
schen Reizen des französischen Dix-huitieme
zu nehmen gedachte, durch Betonung einer per-
sönlichen Realistik Erfolg beschieden sein werde,
wenn er dem Publikum Bilder novellistischen
Genres in großen Formaten vorstelle. Ludwig
von Hagn war an dem Wendepunkte seiner
künstlerischen Entwicklung angelangt. Er zollte
den Wünschen seiner Zeit nach dem Vorrang
des Stoffes Rechnung und übersah, daß er mit
diesem Kompromiß, den er eben durch seine
Einsicht in die Vorzüge der rein malerischen
Qualität minder bedenklich zu machen hoffte,
seine Eigenart beschränkte. Anstatt auf Menzel
zu blicken, der ihm als der geschaffene Lehrer
die letzten Schritte zur Vollendung einer In-
terieurdarstellungskunst nach malerischen Ge-
sichtspunkten gewiesen hätte, ließ sich Hagn
abermals zur Wanderschaft verleiten und ging
nach Paris, erst in zweiter Linie aus künstlerischen
Beweggründen. Ihm war es ein Bedürfnis, endlich
an Ort und Stelle die aus Büchern erworbenen
Kenntnisse der französischen Baukunst zu er-
weitern. Zu Berlin, München, Antwerpen und
abermals Berlin tritt immer noch nicht als die
letzte Station die französische Hauptstadt, wel-
che dieser allzu eifrige und ewig unzufriedene
Sucher nach zwei Jahren doch nicht als gefestigte
künstlerische Persönlichkeit verlassen sollte.
Als Hagn nach Paris kam, stand er bereits
im dreiunddreißigsten Lebensjahre. Er hatte
das Alter erreicht, in welchem nicht nur das
Herz „se bronce ou se brise“, sondern auch die
Willenskraft. Für seine Unschlüssigkeit, deren
Schwäche sich durch die starken Eindrücke der
ersten Wochen in Paris steigerte, war der Um-
gang mit talentvollen und sicheren Freunden,
Henneberg und Viktor Müller, besonders mit
Knaus nicht förderlich. Eine Reaktion trat ein,
verhinderte Hagn vor dem Eintritt in das Ate-
lier Coutures, hielt ihn bei aller Verehrung von
der letzten rückhaltlosen Zustimmung zu Dela-
croix zurück und führte ihn zu Delaroche und