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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932

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Bombe, Walter: Anselm Feuerbach und Lucia Brunacci, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0352
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FEUERBACH UND LUCIA BRUNACCI

(Fortsetzung von Seite 317}

das Grab der Caecilia Metella zeigte. Er war auch
mit mir in Anzio am Meer; dort hat er mich zu-
erst als Medea gemalt. Ich war auch das Modell
für seine anderen Medeabilder, für die .Donna che
guarda lontano- (die Stuttgarter Iphigenie), für die
drei Göttinnen im Parisurteil und für alle., auch die
männlichen Figuren im Orpheus, im Gastmahl
und in der Amazonenschlacht. Anselmo hat keine
männlichen Modelle haben wollen : nur den kleinen
Remo hat er öfters für Kindergestalten benutzt. Es
war nicht leicht, ihn zufrieden zu stellen. Er ließ
mich oft die verschiedensten Stellungen versuchen.
Plötzlich rief er aus: .So bleib stehen, Lucia, so
ist es richtig!' Er war oft bedrückt, wenn er mit
seinen schönen Bildern keinen Erfolg hatte, konnte
auch leicht aufbrausen und heftig werden. Zu mir
aber war er immer gut, auch freigebig, selbst wenn
er wenig Geld hatte. Er hat mir viele Geschenke ge-
macht, hübsche Kleider gekauft, einen Longschal,
wie man ihn damals trug, und Goldschmuck, den
ich mehrmals zum Leihhaus tragen mußte, wenn
er gerade auf Reisen war. Bei der Rückkehr hat er
mir aber stets sofort das Geld gegeben, ihn wieder
einzulösen. Er gab mir auch viele gute Bücher
zu lesen.

Bevor Anselmo 1877 nachYA ien reiste, wo man ihn
zum Akademieprofessor ernannt hatte, gab er sein
großes Atelier auf, das ich bis dahin, wenn er auf
Reisen war, treulich gehütet hatte. Ich mußte seine
unverkauften Bilder und Studien, seinen Hausrat
und eine große Kiste mit Briefen in meine Woh-
nungnehmen. Y\ ir haben uns nie wieder gesehen.
Er schrieb mir regelmäßig alle vier Y\ochen, zu-
letzt aus Venedig. Als um Xeujahr 1880 die erwar-
tete [Nachricht von ihm ausblieb, war ich in großer
Unruhe. Am Dreikönigstage 1880 traf ich auf der
Straße ein altes Modell. Die Frau fragte mich er-
staunt: .Lucia, warum trägst du keine Trauerklei-
der'? — Y\ eißt du nicht, daß Anselmo tot ist?' —
Ich fiel vor Schreck um. Erst später habe ich er-
fahren, daß man ihn am 4-Januar im Albergo della
Luna in \enedig tot aufgefunden hatte. Nach An-
selmos Tode ist es mir sehr traurig ergangen. Ich
bekam zweimal Geld von seiner Mutter, der ich den
Nachlaß Anselmos übergab. Cesare verließ mich
böswillig. Remo ist krank. Jetzt will mich mein
Hauswirt aus dem kleinen Stübchen heraussetzen,
das ich seit 20 Jahren bewohne, weil ich ihm Miete
schuldig bin. Ich habe schon in meiner Verzweif-
lung Strychnin genommen---Walter Bombe

A.FEUERBACH. LUCIA BRUNACCI

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