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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Bötticher, Georg: Entsprechen unsere Tapetenmuster den Anforderungen, die man an Wandmuster stellen soll?, [1]
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Nachklänge der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0013
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Nr. 1.

Seite 5.

„Fachblatt für ^snnen-Dekoration".

^ wie es der genannte französische Fabrikant (wenn auch in bestrickender
Weise) bereits gethan —: M ö b el-, K lei d er -, S ti ck- und Spitzen-
Muster, kurz Muster, die ganz und gar nicht an die Wand
paßten, nur ihrer prickelnden Behandlung wegen auf die Tapete
zu übertragen.

Zwar suchtet, einzelne verständige deutsche Fabrikanten mit muster-
giltigen Fabrikaten diesem Unfug zu steuern, und in der That gelang es
einer Firma, welche in der glücklichen Lage war: keine Massenartikel
labriziren zu müssen, — zeitweilig den Geschmack der Händler und des
Publikums auf stilvolle, echte Wandmuster zurückzuführen. Aber die
Bewegung verlief, wie eine Modelaune, bald wieder im Saude. Die
kleineren Fabriken beeilten sich, das alte System: Orginelles um jeden
Preis wieder aufzuuehmen; Geschmacklosigkeit und Unkenntniß der De-
korationsprinzipien bei Zeichnern, Fabrikanten und Händlern thaten ein
Uebriges, die größeren Fabrikanten wurden allmählich durch die Konkur-
renz der kleineren zur Rücksichtnahme auf den Geschmack des unverständigen
Massenpublikums veranlaßt und über den Strom verständiger Anschauungen,
den einige intelligente Männer auf das Gebiet geleitet, schloß sich wieder
das Meer von Geschmacklosigkeiten und Stilwidrigkeiten.

Das ist seitdem so geblieben. Zwar hat sich bei manchen unserer
Fabrikanten die hochmüthige Meinung heraus gebildet: die von ihnen
heutzutage fabrizirten Muster seien den früheren naturalistischen himmel-
weit überlegen. Aber diese Meinung ist eine höchst irrige. Von einer
großen Anzahl unserer modernen Tapeten muß sogar gesagt werden,
daß sie den niedrigen Standpunkt der naturalistischen Tapete (die immer-
hin in rein künstlerischer Hinsicht Tüchtiges aufzuweisen hatte) noch nicht
einmal erreichen: so wenig erfüllen sie in ihren Mustern die Funktionen
richtiger Wandbekleidungen. (Fortsetzung folgt.)

NachKLänge der Wämser Weltausstellung.

ll«^iederum haben wir eine Weltausstellung gehabt; — wiederum
hat man den Schluß einer solchen gefeiert; — aber so glänzend:
daß Jeder, der Zeuge der großartigen Schlußfeierlichkeiteu in Paris
war, die überwältigendsten Eindrücke gewonnen haben und nothgedrungen
zu der Einsicht gekommen sein muß, daß nicht nur auf Schlachtfeldern
Ruhm zu erobern ist, sondern daß auch Friedenswerke einen nicht minder
erhabenen Lohn gewähren, namentlich wenn sie, wie in diesem Falle, worüber
alle Stimmen einig sind, die kühnsten Erwartungen übertroffe» haben.

Ja, wir wiederholen es, ein gar wundersam stolz und erhabener
Schauer mag den Sieger durchrieseln, wenn er zu seinen Füßen den
stolzen Feind gedemüthigt und vernichtet liegen sieht; — ein heiliges
Grausen, als unmittelbares Werkzeug der höchsten Macht gedient zu
haben, mag er empfinden; — aber hehrer noch ist das Gefühl: dieselben
Völker, die in blutigem Streite einst entbrannt, nach gelobter Versöhnung
unter der Majestät des Friedens zum Wettstreit in Kunst und Wissen-
schaft, in Handel und Gewerbe vereint zu sehen. Dort treten sie ein-
ander als Menschen näher, lernen einander erst richtig kennen, — sicher
auch schätzen, geistige Bande werden über Felsen und Meere hinweg
geknüpft, Kunst und Kultur auch in die entferntesten Theile der Welt
getragen — und die Palme des Sieges senkt hehr sich über Können
und Wissen nieder, unbekümmert, ob andere Grenzen sie trennen. Hier
giebt es keine Grenzen! Ein ächtes Friedenswerk und eine ungemein
hohe kulturelle Bedeutung!

Dieser letzteren war man in unsrer materiellen Zeit gar nicht
mehr geneigt, Rechnung zu tragen und in der That konnte Jeder, der
1888 in Barcelona war, und 1878 in Paris gewesen, bezw. diese beiden
Ausstellungen gesehen hatte, leicht zu der Ansicht kommen:

„die Welt sei ausstellungsmüde."

Aber in Paris in den letzten Monaten wurden wir wohl zu Jedermanns
Erstaunen gründlich eines Andern belehrt.

Auch die finanziellen Erfolge, — immerhin eine große Hauptsache
— sind, darin stimmen ja alle Berichte überein, geradezu überraschend
günstig gewesen.

Allein der Fremdenverkehr! Nach einem Aufsatz der Kölnischen
Zeitung vom November wurde die Summe, die Paris hierdurch zu-
geflossen sein soll, auf 800 Millionen Francs berechnet. Als Basis
waren durchschnittlich 300000 Fremde angenommen mit einer täglichen
Ausgabe von Frs. 15. — . Hinzugefügt aber war, daß man nach fran-
zösischen Angaben etwa 400 000 Fremde pro Tag annehmen müsse.
Und was die täglichen Ausgaben anlangt, so wird jeder, der sich
längere oder kürzere Zeit in Paris aufgehalten hat, selbst genau wissen,
wie weit man mit Frs. 15.— zu kommen vermag und besonders während
der Ausstellung zu kommen vermochte. Auf jeden Fall dürfte die
Summe von 800 Millionen also viel zu niedrig gegriffen sein. Genau
wird sie ja nie berechnet werden können. Sicher aber ist, daß eine
ungeheure Masse Geld nach Paris geflossen ist, denn bei den Kosten für
den Unterhalt ist es doch nicht geblieben. Welche Summen müssen vor
Allem die Bahnen eingenommen haben! Ferner ganz abgesehen von

sonstigen kleinen Gelegenheitsausgaben, welche Bestellungen mögen in
Paris gegeben, welche Verbindungen angeknüpft worden sein?

Besonders unangenehm, geradezu bedenklich aber ist diese Aussicht
für die deutsche Industrie; denn unter den Besuchern sollen ungemein
viel Ueberseer, namentlich Süd-Amerikaner, gewesen sein.

Ist es schon eine allgemeine Erfahrung, daß die deutsche Industrie
an dem Wettbewerb in überseeischen Ländern noch nicht annähernd so
erfolgreich Theil nimmt, wie es ihrer Leistungsfähigkeit zukommt und
die ungemein günstigen politischen Beziehungen zu diesen Ländern es
gestatten, so ist es nicht minder bekannt, daß ein guter Theil unserer
kaufmännisch und sprachlich tüchtigsten Kräfte im eignen Lande keine
Gelegenheit zur Entfaltung der Kenntnisse findet, und diese fremdem
Kapital zur Verfügung stellen muß, damit andere Nationen ben Vortheil
aus deutscher Tüchtigkeit ziehen. Betrübend ist es zu schauen, daß wir
ini eignen Lande wegen Mangels an genügenden Verbindungen dergleichen
Kräfte nicht verwenden können und daß bisher so wenig deutsches Geld
nach diesen Richtungen hin verwendet worden ist.

Man lese nur die Berichte von jenen Staaten: wie Engländer
und Franzosen unausgesetzt sprachlich und technisch gebildete Vertreter
nach jenen Ländern senden, um die Geschäfte an sich zu reißen, — was
für Regierungsaufträge allein dort zu erwarten sind (für Heer, Marine,
Eisenbahnen, Dampferlinieu usw.) — und was — als wesentlichster
Punkt für die von uns vertretenen Branchen — in jenen erdbcbenreichen
Ländern vor Allem an Wohnungen usw. gebaut wird, wozu Europa
das Meiste liefert.

Dann wird man ermessen, welchen Nachthcil eine Industrie, deren
Bedeutung erst bekannt werden soll, erleiden muß, wenn sie so außer-
ordentlich günstige Gelegenheiten, ihre Leistungsfähigkeit aller Welt vor
die Augen zu führen, versäumt, wie eine dermaßen besuchte Welt-Ausstellung.

Schon machen einzelne Branchen ein ganz hübsches Geschäft nach
überseeischen Ländern, noch lange aber nichts im Vergleich zu den gleichen
Branchen anderer Länder; nehmen wir aber nicht Theil au solchen
Wettstreiten, so werden wir ganz sicher nicht nur keine neuen Verbind-
ungen anknüpfen, sondern aus den gewonnenen wieder verdrängt werden.

Können mir uns der Einsicht verschließen, daß überseeische Besucher
z. B. an den alle Welt in Entzücken setzenden ausgestellt gewesenen
französischen Zimmereinrichtungen nicht auch Gefallen gefunden
haben sollen? Was ist nun, wenn nichts weiter ausgestellt ist, natürlicher,
als daß sie diese Eindrücke mit nach Hause nehmen und sich zu Hause
auch so einzurichten wünschen? Ganz sicher trägt dies ungemein viel
dazu bei, einen bestimmten Geschmack zu verbreiten. Zum Beweise mag
es gestattet sein darauf hinzuweisen, daß sogar in dem so streng konser-
vativen England der französische Geschmack immer mehr Verbreitung findet
und daß die dortigen Fabrikanten speciell der Jnnen-Dekorations-
Branchen darauf Rücksicht zu nehmen haben. Das Publikum verlangt
es, sonst kauft es die Sachen in Paris. Und woher kommt das?
Einfach daher, daß die Engländer viel mehr nach Paris bezw. Frank-
reich gehen, als nach anderen Ländern, und dort Gefallen finden an
dem, was sie täglich umgiebt. Müssen wir uns da nicht verwundert
fragen: Warum thut man nicht etwas, um die Reiseziele auch einmal
nach Deutschland zu lenken ? — noch dazu, wenn es Mittel dazu giebt,
die gleichzeitig den Volkswohlstand heben. Verwundern muß dies um-
somehr, als wir uns redlich abmühen, das Loos der Arbeiter zu ver-
bessern, und es doch durch nichts leichter könnten, als dadurch, daß
genügend Arbeit geschafft wird, besonders für die Industrie. Und haben
wir nicht zu allen Staaten die freundschaftlichsten Beziehungen, daß eine
Weltausstellung einen großartigen Erfolg haben müßte?

Wie seltsam daß diese Ansicht mit einem Male so allgemein auf-
tritt und von unseren ersten politischen Blättern, wie die Kölnische
Zeitung, besprochen worden ist.

In der That scheint es die höchste Zeit zu sein, in dieser Hinsicht
etwas zu thun und auch dafür einmal etwas Geld zu opfern; bringen
wir jährlich doch soviel für andere Zwecke auf. Denn was weiß und
hört man im Großen und Ganzen ini Auslande jetzt von uns?

Man weiß, daß wir gute Soldaten sind; — man fürchtet uns
als solche; — man beneidet uns — freilich mit vollstem Rechte —
um unfern Bismarck und um unseren Moltke; ihre Namen sind dort so
bekannt wie bei uns. — Im Uebrigen aber engagirt man höchstens
unsere jungen Leute, weil sie tüchtig sind und mehr Kenntnisse besitzen.
In unserm eignen Lande suchen uns im Verhältniß immer nur so
Wenige auf, daß wir wohl nach einer Gelegenheit zu suchen haben, den
Völkern der Erde endlich einmal zu zeigen, daß wir in unserm neu
erstandenen deutschen Reiche nicht nur Soldaten, sondern daß Kunst und
Gewerbe eine Industrie geschaffen haben, die im Vergleich zu anderen
dieselbe Stellung einuimmt, wie unser deutsches Reich in politischer und
in militärischer Hinsicht. Unsere Industrie kann jeden Vergleich bis auf
wenige Artikel aushalten. Aber es genügt nicht, daß nur wir davon
überzeugt sind, sondern wir müssen danach trachten, der ganzen Welt
diese Ueberzeugung beizubringen. Und die Vorbereitungen dazu zu
treffen, sollten wir keinen Augenblick zögern. Nach seinen Kräften sollte
Jeder dazu beitragen, damit uns Andere nicht zuvorkommen. Haben
wir etwas versäumt, so müssen wir es nachholen; haben wir Fehler
gemacht, so müssen wir sie einsehen und wieder gut zu machen suchen.
Vor Allem aber müssen wir das Billig und Schlecht zu beseitigen
 
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