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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Moderne Möbel, [1]
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Fischbach, Fr.: Ueber Teppiche, [1]
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Bötticher, Georg: Entsprechen unsere Tapetenmuster den Anforderungen, die man an Wandmuster stellen soll?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0012

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Seite 4.

Nr. 1,

„Fachblatt für Innen-Dekoration".

Möbelfabrikant sich entweder einen tüchtigen Zeichner hält, oder, wenn
dies zu kostspielig wäre, sich an tüchtige Zeichner wendet, die ihm mit
Rath und That an die Hand gehen.

Wir glaubten vorstehenden Aufsatz, welchen wir der Budapester
„Industrie-Zeitung" entnehmen, wegen seines anregenden Inhaltes und
wegen der Richtigkeit der in demselben niedergelegten Gedanken unseren
Lesern vorführen zu sollen; wir halten uns aber ebenso für verpflichtet,
darauf hinzuweisen, daß bei uns in Deutschland in dem letzten
Jahrzehnt bedeutungsvolle Schritte in der Richtung gethan sind, auch
die auf dem bescheidenen Durchschnittsmaaß stehenden Stücke unserer
Hausausstattung an den Fortschritten und Verbesserungen theitnehmen
zu lassen, welche der kunstgewerbliche Aufschwung im Gefolge gehabt hat.
Besonders charakteristisch hierfür sind die Bestrebungen einer Anzahl von
Kunstgewerbevereinen, auf dem Wege öffentlicher Konkurrenzen die Lösung
der schwierigen Frage zu erzielen: das Heim des kleinen Bürgers
mit stilistisch tadellosen, dein Auge gefälligen Möbeln aus-
zustatten. Den Anfang damit machte der Hamburger Gewerbe-
Verein im Jahre 1882, der für die Hamburger Schreiner die
Aufgabe stellte, ein sogenanntes „bestes Zimmer" für Mk. 770, ein
Wohnzimmer für Mk. 700 und ein Schlafzimmer für Mk. 495 herzu-
stellen. Erfreulicher noch als die starke Betheiligung der Geschäfte,
welche 20 fertige Zimmer zu den vorgeschriebenen niedrigen Preisen zur
Wahl stellten, war die Antheilnahme des Hamburger Publikums an
diesem Unternehmen. Die Ausstellung der Konkurrenz-Gegenstände wurde
von 13000 Personen besucht und insgesammt, die Nachbestellungen ein-
gerechnet, 47 Zimmer im Gesammtwerth von Mk. 82,000 bestellt.

(Schluß folgt).

Lieber Teppiche.

Von Fr. Fischbach.

DRine „eingehende" Abhandlung über Teppiche schreiben, heißt soviel als
einen dickleibigen Folianten in Angriff nehmen. Würde dieser
nicht sehr reich illustrirt, so wäre die große Arbeit größtentheils umsonst,
denn die Anschauung der Formen und Farben muß erleichtert werden.
Man darf das geistige Schauen nicht zu stark in Anspruch nehmen.
Worte sind oft unzulänglich und genügen nur halbwegs denen, welche
als Fachmänner aus kleinen Andeutungen verstehen, welche Teppiche
gemeint sind.

Der Zweck dieser Zeilen ist daher lediglich der, das allgemeine
Interesse für die Teppichdekoration zu wecken, um später, der Tendenz
dieses Fachblattes entsprechend, im Detail die verschiedenen Teppich-
gattungen zu besprechen.

Bei Gelegenheit der ästhetischen Erörterungen der Tapete mußte
oft erwähnt werden, daß letztere ein Surrogat für Wandteppiche ist.
Freilich im weitesten Sinne, da ja ursprünglich selbst die Gemälde den
Teppichcharakter festhielten und keineswegs die Täuschung beabsichtigten,
welche die modernen Gobelins mit Hülfe der Luftperspektive erreichen, daß
nämlich die Wand gleichsam verschwindet und der Blick in weite Fernen
schweift. Wohl hatten die alten Meister der flandrischen Schule auch
eine ideelle Perspektive, aber keineswegs eine solche, die die Architektur
vernachlässigt und scheinbar verneint. Man ließ der Wand ihr volles
Recht. Das Teppichbild bot nur eine „Erzählung", wollte aber
nicht mit der „Wirklichkeit" wetteifern.

G. S e m p e r gebührt das Verdienst, die Architekten auf die große
Bedeutung der Teppichdekoration aufmerksam gemacht zu haben. Das
war in der Mitte dieses Jahrhunderts doppelt wichtig, als die Nach-
folger Schinkels unter der Führung von Professor Carl Bötticher zwar
sehr genau die statischen Elemente und die Bedeutung der tragenden,
krönenden und verbindenden Bau-Ornamente kannten, die rein dekorativen,
umhüllenden und die die leeren Flächen ausfüllenden Textil-Ornameute
jedoch vernachlässigten. Durch die großen Weltausstellungen lernte man
die orientalische Teppich-Dekoration kennen und als Ergänzung der
Architektur besonders für die Jnnen-Dekoration würdigen. Die Historiker
bewiesen, daß die ursprünglichste Ornamentik in der Zeltdekoration zu
suchen sei, und die Aesthetiker bestätigten, daß das hinsichtlich der Technik
reichste und freieste und durch sinnreichste Arbeit kostbarste Material
die Gewebe seien, und daß diese somit in erster Reihe dazu dienen
dürfen, ärmere Materialien zu bedecken. Dieser Lehrsatz ist auch ideell
wichtig, da auch der Schein solcher Umhüllung oder Bedeckung mit einem
höheren reicheren Material ästhetisch wirkt. Die Teppich-Orna-

mentik spielt daher in der Malerei, in den Holz-) Glas-, Thon- und
selbst in den Metallverzierungen eine große Rolle.

Unsere Vorliebe für das Ausländische und Neue brachte unsere
abendländische Ornamentik in letztem Jahrzehnt in die Gefahr, zu sklavisch
die asiatische Dekoration zu verwerthen, anstatt sie mit unseren Architektur-
Formen und Kultur-Ansprüchen harmonisch zu verbinden. Eben weil
leider kein Stil maßgebend war, und das Ueberraschende und Absonder-
liche die Menge reizte, war es möglich, daß man selbst das Chinesische
und Japanische so einführte, als entsprächen diese Ornamente unserem
Kulturideal. Nichts ist thörichter, nichts ist trauriger und undankbarer,
als für einige schöne Farben-Akkorde die gewaltige und erhabene Kultur-
arbeit zu opfern, die in Aegypten und Griechenland Jahrtausende brauchte,
um die Süulenordnungcn aus rohen Holzbauten heraus zu kristallisiren.
Wer griechische und gothische Bauwerke studirt hat, wird gern die Fein-
heiten des ostasiatischen Kunstgewebes anerkennen, jedoch nie für diese
Linsengerichte das Erstgeburtsrecht bergeben, das den arischen Völkern
durch ihre ungleich tiefere und edlere Kunftansckmuung gehört.

(Schluß folgt.)

UllWrechtll Misere Tapetemnuster den
Nttfordermmeli, die mail an Walidmuster

stellen soll?

Von Georg Bötticher.

^Ao ziemlich zur selben Zeit, da aus Kampf und Sieg die Umwandlung

unseres zerstückelten Vaterlandes in ein einiges Deutsches Reich vor
sich ging, fand auf dem kunstgewerblichen Gebiete Deutschlands ein nicht
minder wichtiger Krieg statt, dessen Ergebnis; war: der öde Naturalis-
mus wurde von der stilistischen V erzi erun gs w eis e siegreich
aus allen Stellungen verdrängt.

Die Tapetenindustrie darf die Ehre in Anspruch nehmen, den An-
stoß zu dieser bedeutungsvollen und folgereichen Bewegung gegeben zn
haben: auf ihrem Gebiete versuchten zuerst, angeregt durch einsichtsvolle
Kunstgelchrte und liebevolle Sammler der kunstgewerblichen Schätze unserer
Vorfahren, Zeichner und Fabrikanten das Publikum mit stilvollen
Erzeugnissen vertraut zu machen. An Stelle der (oft ja mit vielem
Können, mit feinem koloristischem Sinn und trefflicher Naturbeobachtung
geschaffenen, in stilistischer und dekorativer Hinsicht aber die jämmerlichste
Unkenntnis; bekundenden), naturali st i s ch en Bl u m e n m alereien
trat die st o f f li ch - b e h an d elt e Tapete, die ihre Vorbilder in den
gewebten Wandbekleidungen der Gothik und Renaissance suchte und bald
die gesammte Innendekoration: die Stoffe, Broncewaaren, Möbel nsw.
auf denselben Weg nach sich zog.

Das bis dahin tonangebende Frankreich zögerte anfangs, sich der
neuen, von Deutschland ausgehenden Bewegung anzuschließen, ward aber
schließlich dafür gewonnen, nachdem der begabte französische Fabrikant
P. Balin, den Gedanken lebhaft ergreifend und mit französischem Geschick
und Geschmack ausführend, auf der Wiener Weltausstellung 1873 eine
Anzahl stofflicher Tapeten von raffinirt-reizvotter Technik zur Ansicht
gebracht und in den Fachkreisen aller Länder damit Bewunderung erregt hatte.

Seitdem ist die stoffliche Behandlungsweise der Tapete in beiden
Ländern —> von einzelnen Versuchen, die hier nicht in Betracht kommen,
abgesehen — die herrschende geblieben. Aber leider hat sie zu einer
Verirrung nach einer andern Seite als der Naturalismus geführt.

Die neue Richtung begann, wie bereits erwähnt, damit: an Stelle
der wildbewegten, niit allen Zufälligkeiten der Natur ausgestatteten
Blumenmalereien die ruhigen, sinnvoll für die Wiederholung komponirten
ornamentalen Wandmuster früherer Stilepochen zn setzen. Die alter-
thümlichen Gewebe, die man früher kaum beachtet, aber jetzt zu sammeln
anfing, boten dafür die Nächstliegenden Vorbilder; denn die Papier-
tapeten-Fabrikation war noch zu jung oder doch ohne Zusammenhang
mit früheren Versuchen auf diesem Gebiete, als daß sie hätte ein An-
lehnen an andere Techniken ganz entbehren können. Es war nur natür-
lich, daß sie sich den ihr verwandten, ihre Vorläufer bildenden Geweben
zuwandte und im Geiste dieser Wandbekleidungen sich zu erneuern suchte.
Doch dies, stilistisch ganz richtige, Verfahren, wurde bald fallen gelassen.
Nach dem Vorgehen P. Baliu's griff die Sucht um sich: den Hnupt-
werth nicht auf die Herstellung wirklich guter, für die Wand sich eignen-
den Muster, sondern auf die möglichst treue Nachahmung von allerlei
Web-, Stick- und sonstigen Effekten zn legen. Das führte bald dahin
 
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