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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Bötticher, Georg: Was nun?, [1]: eine Plauderei über den Zukunfts-Stil
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Pasqué, Ernst: Die Gobelin-Manufaktur zu Paris, [2]: zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [11]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0136

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Seite 116.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Nr. 14.

sofort der interessanten Erscheinung bemächtigt und uns durch eine
wahrhafte Überschwemmung mit Artikeln, welche die japanischen in
geistlos-mechanischer Weise Wiedergaben, den Genuß an dieser ebenso
sinnvollen wie originellen Formenwelt verleidet, während
eine eingehende Prüfung des Prinzips derselben seine
ungeheure Nutzanwendung auch für uns ergeben haben
würde.

So sind wir denn wieder auf dem Standpunkt
angelangt, den wir vor Beginn der stilistischen Bewegung,
die als Reaktion gegen den wilden Naturalismus
angesehen werden muß, einnahmen. Wir haben
alle Stilarten durchgepeitscht, es ist uns gelungen,
in allen Sätteln gerecht zu sein — für die ober-
flächliche Betrachtung wenigstens — nicht
aber die Fähigkeit zu erlangen, neue For-
men in neuer Weise zu gestalten. Was
nun? Das ist die Kardinalfrage!

Nach reiflicher Ueberlegung möchte ich
dieselbe dahin beantworten: Uns bleibt in
dieser Lage nichts Anderes übrig, als zur
Einfachheit, auf den Ursprung
der kunstgewerblichenDinge zu-
rückzugehen und diese Dinge einmal
ernstlich zu betrachten, wie weit wir
uns von jener Formengebung
und Gestaltung entfernt haben,
die ganz und gar dem Material, den
Funktionen, dem Gebrauch des Gegen-
standes entsprach, die unseren Möbeln,

Bronzen, Stoffen, Tapeten und Gefäßen die
Signatur gegeben und die wir in dem Wunsche,
mit der Absicht verließen, etwas Neues, noch nicht Da-
gewesenes zu bringen —mitunter zum Vortheil, häuf-
iger zum Nachtheil des betreffenden Gegenstandes,
der nicht selten dadurch seine ursprüngliche Bedeutung,
feinen durch das Material oder den Zweck
gegebenen Karakter völlig verlor.

Oder sollte es Jemand als eine Er-

wollgewebe ist, in unseren modernen Einrichtungen alles Andere als-
dies vorzustellen, sich bemüht, daß er bald schwerer, dunkelfarbiger
Sammet, bald glänzende Seide, bald grobkörniger Gobelin, bald
dick aufgetragene Stickerei zu fein heuchelt, und dennoch,
trotz der glänzendsten Technik, trotz dem berückend-
sten Kolorit, auch das ungeübteste Auge bei näherer Be-
trachtung nicht über seinen ärmlichen Baumwoll-Karakter
zu täuschen vermag, ja die Aermlichkeit desselben erst
recht grell in's Licht rückt, gleich einer jener Rokoko-
Kammerzofen, die uns in ihren zierlich ge-
blümten Kattunkleidchen so anmuthig erscheinen,
in dem angemaßten, schweren Prachtkleid ihrer
Herrin aber, das ganz und gar nicht für sie
gemacht ist, einen halb komischen, halb
bedauernswerthen Anblick gewähren?

_ (Schluß folgt.)

Me WoöeUn-Waimfaktuo
M Wams.

Zugleich ein Blick auf den Antheil
deutscher Meister an ihrer Entstehung.
Von Ernst Pasqus.

(Fortsetzung.)

ies war also gekommen. Die im
Alterthum bekannte Kunst, den Schar-
lach und Purpur zu färben, war theils verloren
gegangen, theils unmöglich geworden; dafüv
färbte man Roth in verschiedenen Nuanzen,
hauptsächlich vermittelst der Scharlachbeere. Untev
den damaligen deutschen rheinischen Färbern, die man
auch „Waidfärber" ^— im Gegensatz zu den Schlecht-
und Schwarzfärbern —- nannte, weil sie aus der Waid-
pflanze (Isatis tinetorin), dem deutschen Indigo, nicht
allein eine schöne blaue, sondern auch eine grüne Farbe
herstellten, befand sich einer, bald Küster,
Wildrv-Mahmen aus Schmiede-Visen. Büffler, bald Kepfler genannt, dem es

gelungen war, aus der nach der Entdeck-

Abbildung 58

Entworfen und ausgesiihrt von Z. Äsend orPf in Bremen.

rungenschaft guten Geschmackes erachten, daß der Möbelstoff, den wir
Kretonne nennen, der seiner Natur nach ein leichtes, glattes Baum-

ung Amerikas in Europa eingeführten Cochenille (die amerikanische
Schildlaus, der Scharlachwurm) vermittelst einer Zinnsolution eine neue.

^dekorakion unö
unserer

Von Carl Behr.

ii. Vas deutsche Waus und seine Räume.

(Fortsetzung.)

lles Aufgezwungene muß deßhalb verpönt sein, die ganze Ausstattung
des Boudoirs muß den Neigungen der dasselbe bewohnenden Dame
durchaus entsprechen. Es muß den Duft ihres Parfüms athmen und
muß ihren geistigen Fähigkeiten und Liebhabereien entsprechend durch-
gebildet sein; die Farben des Raumes dürfen nicht unvortheilhaft zu der
gewohnten Toilette der Dame stehen und der Stil des ganzen Raumes
muß dem Karakter der Dame, die es bewohnt, angepaßt sein. Ist also das
Damenzimmer kokett ausgestattet, so hat der Besucher das Recht, die
Dame für kokett zu halten, ist es äußerst würdig und ruhig gehalten,
so schließt man daraus auf eine Dame, welche sich schon mehr im ge-
setzten Alter befindet, was unter Umständen für eine jüngere Dame
immer noch besser wirkt, wie wenn die Ausstattung des Boudoirs einer
älteren Dame einen zu jugendlich koketten Karakter zeigt.

Es ist schon früher gesagt, daß das Boudoir im Stil gewöhnlich
den Karakter des Salons zeigt, es wird also wie dieser vorwiegend im
Rokokostil durchgeführt. Damit ist aber nicht gesagt, daß andere Arten
der Ausstattung nicht üblich oder gar unmodern seien. Der Stil
Louis XVI. z. B. würde sich besonders für ein Damenzimmer eignen,
umsomehr, als derselbe etwas sehr zierliches und graziöses hat und des-

halb dem Karakter der Bewohnerin entsprechen würde. Auch die Farben-
stimmungen des Louis XVI. entsprechen mit ihren zarten Tönen dev
Bestimmung des Raumes und die graziösen Dessins der Stoffe er-
füllen meist die Wünsche der Damen in dieser Richtung. Nach dem
Louis XVI. ist es besonders der moderne englische Stil, welcher sich
der Vorliebe des schönen Geschlechtes erfreut, und werden in Deutschland
oft die französischen Nachbildungen dieses Stiles den echt englischen
Erzeugnissen vorgezogen. Fantasiemöbel, wie Schränke, Etagere, Tische,
spanische Wände und dergleichen werden dieser Art viel in Deutschland-
angefertigt und zum Verkauf gebracht, und kann denselben ein sehr
moderner und graziöser Stil nicht abgesprochen werden. Vorwiegend
sind diese Möbelchen in dunkelbraunem Holze, in Pallisander oder dunkel
gebeiztem Nußbaumholz mit dünnen Messingstäben ausgeführt, dabet
werden die Füllungen gewöhnlich von chinesischen lackirten Tafeln mit
Bemalungen und Vergoldungen oder Einlagen von Elfenbein und Me-
tall gebildet. Auch geschliffene facettirte Gläser für die Glasthüren in
hübschen Theilungen spielen bei diesen Möbeln eine große Rolle, wie
auch wohl die Bemalungen einzelner Theile mit farbigen naturalistischen
Ornamenten. Im Allgemeinen werden solche Möbel in Deutschland-
reicher gebildet, wie in England; die englischen Möbel wurden in
Frankreich nachgeahmt, nicht ohne französischen Einfluß anzunehmen,
und von da kamen sie auf uns und erhielten auch noch einige dem
deutschen Karakter entsprechende Abänderungen. Selten aber werden
die mit ähnlichen Möbeln ausgestatteten Räume in Deutschland ganz„
d. h. in Wänden und Plafond, im englischen Stil durchgeführt. Es
fehlt den deutschen Dekorateuren dazu gewöhnlich die genaue Kenntniß
der englischen Art, auch wohl das in Deutschland schwer erhältliche
Material der Ausstattung. Und so begnügt man sich meist damit, dm
 
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