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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Töpfer, August: Ueber Bauernmöbel, [2]
DOI Artikel:
Ebeling, G. H.: Von der Pariser Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0046

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5cite 38.

Nr. 5.

„Fachblatt für Innen-Dekoratian".

ihre größere Zierlichkeit und die charakteristische Schrägstellung der Beine
aus. Letztere sind an den Tischen mit einer Fußleiste verbunden, und
die Schublade hängt in Falzleisten unmittelbar unter dem Tischblatt,
welches durch hohe Einschubleisten vor dem Werfen geschützt wird. Die
Stühle entbehren der Versteifung zwischen den profilirt gedrehten oder
kantig gehobelten Beinen, die unmittelbar in die den Sitz verstärkenden
Einschubleisten eingezapft sind (siehe Abbilvung I in voriger Nummer).
Die ebenfalls in den Sitz eingezapfte Rücklehne ist stets gerade und be-
malt oder geschnitzt, in letzterem Falle beinahe der einzige Theil des
ganzen Möbels mit dieser Verzierungsweise. Stühle mit Armlehnen
kommen kaum als eigentliche Bauernmöbel vor, da wo sie für ältere
Personen im Gebrauch sind, mögen sie wohl direkt oder indirekt aus
den Städten importirt sein; dagegen gehört schon in Hessen, namentlich
aber in der norddeutschen Tiefebene, ja bis nach Skandinavien, der
Stuhl mit Armlehnen zu dem eigentlichen Bauernmobiliar, in seinem
festeren Gefüge wie im Material die behäbige Schwerfälligkeit des
nordischen Bauern repräsentirend (siehe Abbildung II). Die vier Stuhl-
beine sind durch mehrfache Sprossen fest verbunden und lassen sich
weniger leicht und weniger rasch bei ländlichen Streitigkeiten in wirkungs-
volle Handwaffen umwandeln; ähnliche Festigkeit erhalten Rücklehne und
Armlehnen durch ein System von gedrechselten Balustern, während dem
Schnitzwerk, das sonst so üppig über Schränke und Truhen wuchert,
nur ein bescheidener Raum bleibt. Wie der Stuhl, so ist auch der
Tisch massiver und schwerer, wie sein südlicher Bruder. Die vier,
ebenfalls durch Fußbank verbundenen Beine sind — kräftig profilirt —
oft von ansehnlicher Dicke; die Schublade, oft auch mehrere derselben,
steckt in einer mit Kehlleisten eingerahmten Zarge und die Platte steht
weit über dieselbe hervor. Ein besonderes Unterscheidungszeichen bildet
aber die senkrechte Stellung der Tisch- und Stuhlbeine gegenüber der
oben erwähnten Schrägstellung in den südlichen Landgebieten.

Trotz aller aufgezählten Unterschiede besitzen jedoch die Bauern-
möbel die eine gemeinsame Eigenschaft, daß sie in der Klarheit und
Zweckmäßigkeit ihrer Konstruktion wie in der naturgemäßen Weise ihrer
Ausschmückung uns vielfach mehr als Muster und Vorbild dienen können,
als die mit architektonischem Reichthum überladenen Möbelgebäude, bei
welchen Material und Zweck unter fremden Formen ihre Eigenart
verlieren.

Non üer Wämser Welt-? Ausstellung.

Von V, G. Vbrling.

orbei sind die schönen, so sonnig umglänzten Tage, vorbei die herrlichen Ge-
bilde der Ausstellung! wieder zerstreut in alle Winde die reichen Schätze mensch-
lichen Fleißes und menschlicher Intelligenz; heimgekehrt sind die schaulustigen Pilger-
schaaren. um in ihrer Heimath zu verkünden, daß sie so Großes, so Bedeutendes noch
nie gesehen! Doch deßhalb auch nicht „vorbei!" o nein! Gleichsam als wenn man
in einem großen Folianten theils aufmerksam gelesen, thcils flüchtig geblättert hat,
und nun sich ausruhend, sich sammelnd, die Unterhaltung mit den in die Gcistes-
pforten eingewanderteu Gestalten beginnt, so wirkt ein derartiger Besuch noch lange
nach, immer reichen Genuß spendend.

Aus allen Bekannteu-Krciscn hörte man so außerordentlich viel von der Groß-
artigkeit der zur Hundertjahrfeier der ersten Revolution ins Leben gerufenen fran-
zösischen Ausstellung. Pariser Geschäftsfreunde luden so dringend ein, die noch nie
so reich vertretenen Abtheilungen einzelner Industriezweige zu besichtigen, daß ich
kurz vor Thoresschluß noch Folge leistete. — Große Weltausstellungen soll man so
betrachten und studiren, wie Lord Brougham sagt, daß man über eine Büchcrsamm-
lung schreiben müsse: „Lese von Einigem Alles und von Allem Einiges!" Dank
der außerordentlich guten Uebersichtlichkeit wegen konnte man sich, trotz der unge-
heuren Ausdehnung des Ausstellungsfeldes oder eigentlich der drei Ausstellungsfeldcr:
Marsfeld, Trocadero und Esplanade, sehr bald gut zurecht finden. -- Frankreich
hatte große Anstrengungen gemacht und keine Kosten gescheut, die Leistungen seines
Kunst- und Gewerbeflcißes im glänzendsten Lichte zu zeigen und wenn auch an
manchen Stellen eine etwas stark in die Augen springende Effekthascherei sich be-
merkbar machte, die Großartigkeit, die Uebersülle des Ganzen ließ es übersehen. Auf
dem Marsfelde befand sich der Mittelpunkt der Ausstellung. Wenn man die sich
in großen Flächen um den genügend bekannt gewordenen Eiffelthurm ausbreitenden
Parkanlagen hinter sich hatte und sich dem Haupteingange des eigentlichen Industrie-
Palastes zuwandte, empfing man gleich beim Eintritt in denselben einen überwältigen-
den Eindruck. Die Schönheit und Größe der Kuppel, durch die ein wunderbar
schönes, goldig-helles Licht den reichen bildnerischen Wandschmuck bis oben zu den
Freskomalereien leuchtend umspielte, bildete einen prächtigen Rahmen für die oben
ringsum den Gallcrien entlang ausgestellten Gobelins. Diese Gobelins sind die
schönsten Gewebe, die man sich denken kann; durch eine wunderbare Technik bringt
diese mühevolle Handwirkerei — ein Stück bedarf oft jahrelanger Arbeit - Gebilde
zu Stande, die durch Zeichnung und Kolorit jetzt eine so hohe Vollendung bezeugen,
daß sie manche heutige Malerei ganz bedeutend an künstlerischem Werthe überragen.

Viele der verwandten Farben — hier also farbige Wollfäden— weisen einige 20
Abtönungen auf. Natürlich kommen nur vorzügliche Meisterwerke der alten Schulen,
sowie der Jetztzeit zur Nachahmung. Gegenüber der Malerei, besonders bei figuren-
reichen Bildern, ist dieser Arbeit durch die Natur ihres Materials doch eine Grenze
gezogen, die ungestraft nicht überschritten werden kann. Diese wahrhaft königlichen
Stücke zu schaffen, ist aber auch nur in einem Lande möglich, wo so lange der Luxus
und der feine Geschmack monopolisirt waren, und daß die Franzosen für diese Dinge
ein wirklich hochbegabtes Volk sind, das zeigte die Ausstellung, das zeigt Paris.
Direkten finanziellen Nutzen haben aber diese kostbaren Gewebe wohl ebensowenig
wie die wundervollen Porzellan-Arbeiten von Sövres dem Lande gebracht, unend-
lichen Nutzen haben sie aber in den zwei Jahrhunderten durch ihre mächtige Ein-
wirkung auf das Kunstgewerbe hervorgerufcn. Minister Colbert, der Kaufmannssohn,
hat sie unter Ludwig XIV. in Frankreich eingeführt. Uebrigens ist auch England
schon lauge bemüht, das Höchste in der Gobeliuswcberei zu erstreben und manche
herrliche Arbeiten sind schon in Windsor entstanden. Die alte römische Gobelins-
weberei, von einem der.kunstsinnigen Päpste eingeführt, ist wahrscheinlich jetzt ganz
eingegangen, wenigstens hört man nichts mehr von ihr. Dagegen wird uns Berlin
demnächst mit dem ersten großen Gobelin-Teppich nach dem Entwurf von Professor
Ewald überraschen. In der Teppichweberei (Maschinenarbeit) waren neben hervor-
ragenden englischen Fabrikaten auch herrliche Erzeugnisse der französischen Industrie
ausgestellt. Die Fabrikanten von Aubusson, Nimes rc. zeigten mit ihren überreichen
Teppich- und Möbelstoff-Kollektionen wohl das Bedeutendste, was überhaupt auf
diesen Gebieten zu finden ist. Nur sieht man auch hier wieder, daß der dekorative
Sinn des Franzosen seine Gaben oft zu verschwenderisch ausstrcut, man findet sich
dadurch manchmal einer auffälligen Geschmacksverirrung gegenüber: ganze Land-
schaften, sogar Secstücke, große Fruchtstücke als Sopha- und Sessel-Sitze, nein, das
wird der wirklich gute Geschmack nie gestatten! - Uebrigens wollen die Franzosen
in der Möbelstoff-Weberei durch ein ganz anderes System von Jacquard-Maschinen
gegen die deutsche Weberei einen gewaltigen Vorsprung haben. (?) — Fertige Zim-
mer-Einrichtungen waren nur sehr vereinzelt ausgestellt, viel weniger als man deren
bei uns auf kleinen Lokal-Ausstellungen begegnet, dagegen in einzelnen Möbelstücken
eine überaus reichgediegene Zusammenstellung. Der Franzose liebt es auch nicht,
seine Wohnung schablonenmäßig auszustatten, er fühlt sich gedrungen, sein Heim be-
haglich, liebenswürdig und fein nach eigener Wahl zu gestalten und hat einen be-
neidenswerthen „Chic" dazu, oft die verschiedenartigsten Gegenstände glücklich neben
einander zu vereinigen. Das Volk hat aber auch auf diesem Gebiete eine Schulung
hinter sich von ebensoviel Jahrhunderten, wie wir von Jahrzehnten. Der Rokoko-
styl mit seinen Abzweigungen zeigte sich fast nur in den Einrichtungen für vornehme
Schlafzimmer und Boudoirs, außerordentlich viel reiche Bettstellen in dieser Richtung,
darunter manch bewunderungswürdiges Stück, (die Bettstellen von Viardot!) doch
auch manche gar zu verschnörkelt und überladen mit Malereien ä In Watteau und
g. In Louebsr. Gefälliger dürfte für derartige Zwecke die Art von Bemalung sein,
wie sie Fräulein Dubois-Reymond in Berlin (Tochter des berühmten Professors der
Physiologie), so reizend ausführt. Der bekannte Rokoko-Schreibtisch Ludwig XIV.,
den auch der unglückliche König Ludwig von Bayern um die Kleinigkeit von 65,000
Mark genau so hatte kopiren lassen, war mehr oder weniger getreu nachgeahmt, sehr
oft in der Ausstellung vertreten. Im Allgemeinen machte sich aber der Rokokostyl
weit weniger bemerkbar, als man hätte Poraussetzen sollen. Mau glaubt in Paris
mehr wie anderwärts zu fühlen, daß unsere heutige Zeit überhaupt keinen Styl
haben kann, wir müssen suchen, aus allen Stylarten mit richtigem Verständnis; das
Passendste zu wählen und dabei wird der edle, vornehme Renaissaucestyl, aus dem
der Geist Michel Angelo's, Rafaels und Tizians zu uns spricht, ewig hoch stehen.
C. Gosse, ein bedeutender Zeichner, zwängte sogar japanische Motive in Rokoko-Rahmen.
Möbel in japanischem Geschmack waren ziemlich zahlreich vertreten, doch wohl nur
zum Zweck als Zierstücke für Salons. In eingelegter Arbeit waren außerordentlich
schöne Möbelstücke ausgestellt, außer französischen auch sehr gediegene italienische und
selbst russische Arbeiten. Die Einlagen (Marqueterie, Intarsien) waren theils aus
feinen Hölzern, Elfenbein, Schildplatt, theils aus den verschiedensten Metallen ge-
macht. Die bekannten schönen Boule-Arbeiten gehören auch dazu. In Berliner
Fachkreisen wird behauptet, Buhl (nicht Boule) sei ein geschickter deutscher Tischler
gewesen, der im Anfang des 18. Jahrhunderts nach Paris gekommen, unter Lud-
wig XIV. reichlich Arbeit und im Louvre Wohnung erhalten habe. — Die schönsten
geschnitzten Möbel waren Wohl vonJtalien ausgestellt, so leicht, so fein, so voller
Fantasie! Hier und da sah man in den Abtheilungen des Möbelfachs doch auch
merkwürdige Mißgriffe; so sah ich ein Büffet ganz von röthlich geädertem Marmor,
Spicgclrahmcu von buntem Marmor u. dcrgl. mehr. — Die Dekorationen waren
durchweg fein, reich, geschmackvoll, keine schwülstigen Stoffmassen sinnlos aufgehäuft,
dagegen herrliche Stickereien in verschiedenen Stylarten sehr dekorativ und passend
verwandt. -- Die Ausstellung der Seidenstoff-Fabrikate war, wie nicht anders zu
erwarten, überaus großartig, darunter fielen die für dekorative Zwecke bestimmten
bemalten Seidenstoffe sehr in die Augen.

Prächtig war die Schweizer Konförderativ-Ausstellung für Spitzen und Sticke-
reien, diese reichen gestickten Gardinen aus St. Gallen, diese herrlichen stylisirten und
naturalistischen Pflanzen und Blumenzeichnungen und Studien von Jean Stauffacher,
hauptsächlich für obige Jndustriezwecke, indessen auch noch für unendlich viel andere
Zwecke verwendbar.

Die ausgestellten Ramie-Gewebe von Lille ec., die bei uns in dieser vielseitigen
Ausführung noch unbekannt sind, scheinen der ohnehin sehr im Abnehmcn begriffenen
Leinen-Industrie vcrhängnißvoll werden zu können. Diese Faser soll viel mehr aus-
halten können, wie die von Flachs oder Hanf, Gewebe daraus sich weit leichter und
schöner bleichen lassen. Die Tisch- und Handtuchzeuge waren von vorzüglicher Schön-
heit, blendend weiß gebleicht und hatten auch den eigenthümlichen Leinenglanz, nur
noch in viel höherem Grade fast seidenartig. Der Artikel ist aber, trotzdem er schon
einige Jahre verarbeitet wird, noch zu neu, als daß sich schon sichere Urtheile da-
rüber bilden könnten.
 
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