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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [20]
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Wie schmücken wir am billigsten unsere Wohnungen?
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Motten und Milben in Polstermöbeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0236

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Nr. 24.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Seite 197.

^re schmürßen wir am Silligken unsere
»ohmmgen:

ler schönste Schmuck der Wohnungen sind blühende Pflanzen. Da
^ die Pflege derselben viel Aufmerksamkeit erfordert und trotzdem
manche Pflanzen zu Grunde gehen,
hat man getrachtet, die natürlichen
Planzen durch künstliche Gebilde zu
ersetzen, und es läßt sich gar nicht'
leugnen, daß die Technik in der Er-
zeugung künstlicher Pflanzen und
Blumen so riesige Fortschritte gemacht
hat, daß man oft die lebenden von
den künstlichen Pflanzen nicht gut zu
unterscheiden vermag.

Aber die künstlichen Pflanzen
können uns die liebreizenden Töchter
der Natur niemals ersetzen. Es fehlt
der Duft, es fehlt jener zarte Hauch,
den ihnen die Natur gleich einem
Kuß der Liebe aufgedrückt; es fehlt
der erfrischende Athem, der ihr Leben
verräth und der leichte Bau, den
die Kunst niemals nachzuahmen ver-
mag. Es werden daher von Jeder-
mann die Naturpflanzen bevorzugt.

In den südlichen Ländern will
Niemand dieses herrlichen Schmuckes
seiner Wohnung entbehren. Aller-
dings will er sich mit der Pflege
der Pflanzen nicht bemühen und noch
weniger dieselben ungeübten Händen
anvertrauen. Es ist daher in den
besseren Kreisen eine, auch für uns

sehr beachtens-und nachahmenswerthe Einrichtung entstanden, indem jeder
für den fortwährenden Schmuck der Wohnungen durch Floras Kinder,
den Gärtner, den berufensten Kenner, Erzieher und Pfleger der Pflanzen,
sorgen läßt, das heißt, er nimmt ein Abonnement auf die Ausschmückung
seiner Wohnung mit Pflanzen. Er zahlt monatlich seine Abonnements-

gebühr, dafür versorgt ihn der Gärtner mit blühenden Gewächsen, pflegt
ihm dieselben und wechselt sie, wenn sie an Ansehen verlieren oder ab-
geblttht habe», gegen andere gesunde uud frisch aufblühende oder in voller
Blüthe prangende Pflanzen aus, so daß dem glücklichen Abonnenten keine
andere Aufgabe erwächst, als sich an dem herrlichen Anblicke der duftenden
Blumen, der schön gruppirten Pflanzen zu erfreuen. In Paris über-
nehmen die Gärtner nicht nur die
Beistellung der Pflanzen, sie liefern
auch Blumentische, Vasen, Jardi-
nisren, Werke der Plastik und andere
Dekoratiousgegenstäude im Abonne-
ment, so daß Jene, welche die Ab-
wechslung lieben, ihrer Wohnung
nach Belieben eine neue Ausschmückung
geben können, ohne die Kosten tragen
zu müssen, die der Ankauf der De-
korationsstücke veranlaßt. Da diese
Abonnements nicht vereinzelt Vor-
kommen, sondern allgemein verbreitet
sind, ermöglichen sie eine Massen-
Erzeugung von Pflanzen, für welche
der Absatz gesichert ist, und dem-
gemäß wieder die Erstellung von
billigen Abonnements.

Motten ü. Milben inPolstermößeln.

Abbildung Nr. 114. Vrkev-- und Urnstev--Dekorakion.

rMlie gegen Milben empfohlenen Ver-
tilgungsmittel nützen nur wenig
oder gar nicht; im Gegentheil bei An-
wendung einiger dieser Mittel wandern
die lästigen Thierchen aus und befallen
andere Gegenstände, wie z. B. Tapeten,
Makartsträuße usw. Was kein insekten-
widriges Mittel vollbringt, das gelingt
in kürzester Zeit der trockenen Warme,
und geben wir allen denen, deren Polstermöbel von Milben befallen sind, den Rath,
die Möbel trockener Hitze auszusetzen, indem man sie nach einem Backofen, einer
Malzdarre usw. schaffen läßt. Den Herren Tapezirern empfehlen wir dringendst,
vor Verarbeitung des Polstermaterials, dasselbe bei hohen Hitzegraden sehr scharf
auszutrockncn, damit von Vorneherein sämmtliche Brut vernichtet wird.

immer der Rath eines Fachmannes eingeholt werden, und erst, wenn dieser
konstatirt, daß das in's Auge gefaßte Objekt auch wirklich in allen Ehren
in den geheiligten Räumen des Hauses bestehen kann, sollte man zur
Anschaffung und Aufstellung schreiten. In diesem Punkte wird aller-
dings noch am meisten gesündigt, bronzirte Gipsfiguren, und schlecht
gemalte Oelbilder werden selbst von Leuten gekauft, welche künstlerische
Objekte sehr gut bezahlen können. Hieran ist nur der Mangel an Kunst-
verständnis; schuld, der betreffende Käufer hält das Surrogat für ebenso
wirkungsvoll, wie die theureren wirklichen Kunstgegenstände und glaubt,
daß es anderen Menschen dann ebenso gehen müsse; in Wirklichkeit
aber drückt er seiner Wohnung damit den Stempel des schlechten Ge-
schmacks auf und sich selbst stempelt er zum Kunstunverständigen.

Leider liegt die Pflege des Kunstverständnisses sehr darnieder, man
hält die Bildung für vollendet, wenn die jungen Leute mehrere moderne
oder todte Sprachen einigermaßen fließend sprechen können, ja in vielen
Gymnasien wird der Zeichenunterricht in den höheren Klassen nur obli-
gatorisch oder überhaupt nicht mehr ertheilt. Und doch gehört die Liebe
zur bildenden Kunst, und die Befriedigung derselben, im Ansehen von
Kunstgegenständen zu den größten und edelsten Genüssen des Menschen.
Diesem Genüsse kann aber nur der ganz theilhaftig werden, welcher
-eine gewisse Vorbildung hat und der dadurch ein wirkliches Kunstwerk
von einer unkünstlerischen Arbeit unterscheiden kann.

Würde das Verständniß für die bildende Kunst mehr gepflegt, ge-
wissermaßen erzieherisch vorbereitet werden, so würden wir dadurch auch
in der stimmungsvollen Durchbildung unserer Wohnräume bald bedeutende
Fortschritte zu verzeichnen haben; denn das Publikum würde bald das
Minderwerthe von dem Guten und Schönen zu unterscheiden verstehen
und dadurch der Sache selbst am meisten dienen. Die Freude aber am

Guten und Schönen ist dringend nöthig um das gemächliche Heim des
Deutschen in der Weise zu schmücken, daß es seinerseits wiederum er-
zieherisch auf die Heranwachsende Jugend einwirkt und bei der ganzen
Familie die Liebe zu ihrer schönen Heimstätte wachruft und befestigt. Die
Liebe zur Heimath wurzelt nicht allein in der Liebe zu den uns ver-
wandten und befreundeten Menschen, auch die Räume in denen wir er-
zogen wurden, in denen wir heranwuchsen, spielen eine große Rolle dabei
und wenn dieselben schön und stimmungsvoll waren, so unterstützen
sie die Liebe zur Heimath; denn sie haben dazu beigetragen, uns selber
zu harmonischen Menschen zu erziehen, welche die Liebe zum Guten und
Schönen auch zu besseren und glücklicheren Menschen gemacht hat.

Deßhalb sollte man sich auch daran gewöhnen, die Räume, welche
unsere Wohnung bilden, in denen unsere Kinder erzogen werden und
heranwachsen, alle die Liebe angedeihen zu lassen, welche dem Ernst der
Sache entspricht. Und wenn die eigne Urtheilsfähigkeit nicht ausreicht,
das herauszufinden, was gut und schön ist und was den gerechten An-
forderungen des Kunstverständnisses entspricht, so sollte man sich des besten
Rathes versichern, der erreichbar ist. Lieber wenig.Schmuck und dieser würdig
und gediegen, als viel und schlecht. Im ersten Falle bildet die Dekoration
unserer Wohnungen ein Erziehungsmittel für den eignen Geschmack und
für den der Heranwachsenden Jugend, im zweiten Falle wird dieser
Geschmack von vornherein verdorben und mit ihm der Sinn für das
Gute und Schöne. Ist unsre Umgebung harmonisch und schön, so
trägt sie auch dazu bei, uns selbst zu ruhigen, harmonischen und geistig
gesunden Menschen heranzubilden.
 
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